Lösegeldzahlungen kennen wir aus den Krimis. Nach einer Entführung warten die Angehörigen auf die Lösegeldforderung. Meistens sagen die Entführer, dass die Polizei nicht informiert werden darf, sonst passiert ein Unglück. Dann wurde doch die Polizei eingeschaltet und hat ein Verfahren vorgeschlagen, was man tun kann, um die Geiseln nicht zu gefährden. Das Lösegeld erscheint wie ein Gegengewicht zur Geisel. Man kann damit die Freiheit erkaufen.
Eine Kirche dient dazu, einen Raum zu haben, in dem in Dankbarkeit an Jesus Christus erinnert wird, der sein Leben als Lösegeld für viel gegeben hat, weil wir Gefangene in unserer Schuld und Sünde gewesen sind. Jesus Christus gebraucht dieses Bild für den Einsatz des Menschensohns. Er redet dabei wie von einer fremden Person, aber er ist es ja selbst, der diesen Lösepreis zahlen wird. Diese Ankündigung vor den Aposteln und besonders vor Jakobus und Johannes ist eine der Leidensankündigungen Jesu, die wir kennen und bei denen wir immer wieder erleben, dass sie von den Jüngern entweder nicht verstanden oder abgewehrt werden. Die Apostel möchten gern am Leben und Wirken Jesu festhalten und hoffen, dass es irgendwann einmal die Situation gibt, wo rechts und links von Jesus in einem Thronsaal Plätze zu vergeben sind, die gern von den Zebedäussöhnen besetzt werden sollen. Der Weg dorthin ist der Weg über das Kelchtrinken oder die Bluttaufe im Martyrium. Beide Aussagen sprechen von einem Leidensweg, der zu gehen ist und kündigen das Martyrium der Apostel an. Ganz mutig sagen die beiden Jünger, dass sie dazu bereit sind. Dennoch schränkt Jesus seine Kompetenz für die Vergabe der Plätze ein, wenn er darauf verweist, dass es dafür schon eine Bestimmung gibt – besser wohl: einen Bestimmer, der der himmlische Vater ist.
Ich kann mir gut vorstellen, dass Jesus enttäuscht ist über die Diskussion der Apostel und über das Ansinnen der beiden Apostel Jakobus und Johannes. Aber er tadelt sie nicht, sondern verweist einfach auf sein eigenes Tun hin, das von der Demut geprägt ist, die ihm dann auch die Kraft gegeben hat, sein Leben am Kreuz hinzugeben wie einen Lösepreis für die Sünden der Welt. Die Pädagogik Jesu ist also keine Pädagogik mit Forderungen, sondern durch das persönliche Beispiel. Ich kann mir denken, dass das ein guter Weg ist. Er setzt jedoch voraus, dass die Jünger über ihren Schatten springen und von ihrem Verlangen nach Auszeichnung durch gute Plätze ablassen. Sie schauen auf das Endziel und sehen nicht die Stufen und Etappe, die vorher zu bewältigen sind. Wer Christus nachfolgt, muss mit Verfolgung und Tod rechnen – sagt Jesus. Nicht alle Apostel sind Märtyrer, denn Johannes wurde davon ausgenommen – vielleicht, weil er sich um Maria sorgen musste. Das hatte Jesus am Kreuz so verfügt. „Wir können es!“ – sagen Jakobus und Johannes. Warum es einen Ärger bei den übrigen Aposteln gab, kann ich nicht genau herausfinden. Viele meinen, weil sie sich so exponiert haben. Vielleicht aber auch, weil sie mutig dem Weg zum Martyrium zugestimmt haben, was vielleicht nicht unbedingt im Sinn aller übrigen Apostel war, denn hier finden wir an anderer Stelle auch Abwehr oder Versuche, selbst Jesus vom Kreuzweg abzubringen.
Eigentlich kannten die Apostel auch die Schriften des Propheten Jesaja, in denen deutlich mitgeteilt wird, dass Gott Gefallen hat an seinem zerschlagenen Knecht – dem Gottesknecht, der bereit ist, die Schuld der Menschen auf sich zu nehmen. Solche Aussagen wurden aber vermutlich immer verdrängt, was ja dann auch zum Problem im Kreis der Jünger wurde. Dahinter steht immer die Frage, ob ich den Einsatz eines Menschen brauche, damit ich frei werde von Schuld. Bin ich denn ein Sünder? Bin ich ein Schuldner? Bin ich in Geiselhaft, so dass für mich ein Lösepreis gezahlt werden muss?
Hier in der Kirche versammeln wir uns zum Gottesdienst. Wir feiern das Gedächtnismahl an Jesus Christus, der durch das Leiden und Sterben zur Auferstehung gelangt ist. Wenn man in einem Kirchenraum auch Kunstwerke betrachten oder einem Kirchenkonzert zuhören kann, so ist der eigentliche Zweck des Kirchengebäudes erst mit der Feier der Eucharistie erfüllt. Alle anderen Gottesdienstformen, die man durchaus auch hier praktizieren kann und soll, wie z.B. Rosenkranzgebet, Kreuzwegandacht und Stundengebet, aber auch die Wortgottesfeier am Sonntag mit Kommunionausteilung, erhalten ihre Sinnspitze durch die Feier der heiligen Messe. So muss es ein bleibendes Anliegen aller Gläubigen sein, eine ausreichende Zahl an Priestern zu haben, die sich in den Dienst der Kirche und besonders der Eucharistie stellen.
Ich bleibe aber bei der Frage, die ich vorher gestellt haben: Brauche ich einen, der für mich den Lösepreis zahlt? Derzeit habe ich den Eindruck, dass diese Erkenntnis sehr stark am Schwinden ist, was man am Interesse an der heiligen Beichte festmachen kann. Ich stelle fest, dass wir im Erfurter Dom an jedem Samstag vor allem junge Studierende aus anderen Ländern im Beichtraum haben, so dass wir seit einigen Wochen auch ein Angebot zum Empfang des Bußsakraments bei einem englischsprechenden Beichtvater machen können. Es ist also kein weltumspannendes Problem, dass die Zahlen der Beichtenden zurückgeht, sondern ein deutsches oder europäisches Problem. Ich sehe dahinter ein Problem, wie wir Menschen uns bewerten in unserem Tun. Lassen wir uns von der Mehrheit der Bevölkerung beeindrucken, die Schuld immer nur beim Anderen sieht und kaum bereit ist, selbst Schuld einzugestehen? Die Bischofssynode in Rom wurde durch ein großes Schuldbekenntnis des Papstes eingeleitet, weil der Papst wohl gespürt hat: Eine Erneuerung der Kirche ist nur möglich, wenn an der Wurzel angepackt wird, und das ist die Möglichkeit des menschlichen Versagens. Dieses Versagen liegt in der Natur des Menschen – oder besser: in der Freiheit des Menschen, sich für das Gute oder das Böse zu entscheiden. Diese Entscheidungsfreiheit hat uns Gott geschenkt – das war sein Mut zum Risiko. Durch die Taufe haben wir uns für das Gute entschieden, d.h. für ein Leben in der Art und Intension Jesu. Diese Entscheidung muss aber gepflegt werden. Dazu gehört die Mitfeier des Gottesdienstes als permanentes Gedächtnis an Jesus Christus und ein permanentes Lernen seiner Gesinnung, die von der Selbsthingabe bestimmt ist. Manchmal sagen die Gläubigen, dass es langweilig ist, den Gottesdienst zu feiern, weil ja außer ein paar neuen Liedern und der Predigt nichts Neues kommt. Wie wir aber jeden Tag Hunger und Durst haben, um unseren Leib zu stärken, so brauchen wir auch die Nahrung für unsere Seele. Diese allein erhalten wir durch die Gemeinschaft mit Jesus Christus im Wort, im Sakrament und in der Erfahrung der christlichen Gemeinde. Dazu lade ich heute wieder herzlich ein. Gönnen wir uns etwas Gutes an diesem Sonntag. Gönnen wir uns die Liebe Gottes durch Jesus Christus und lassen wir uns stärken mit dem Heiligen Geist, der uns gute Wege zeigen will und kann.
Heute freuen wir uns über diesen renovierten Ort des Gotteslobes. Mit einem Gnadengeschenk von 4200 Talern des Preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV. wurde der schlichte Fachwerkbau 1844/45 errichtet. Ein Schüler des berühmten Architekten Schinkel mit Namen August Stüler hatte die Kirche entworfen. Am 5. Oktober 1865 wurde sie durch den Bekennerbischof Konrad Martin konsekriert. Im Laufe der Zeit wurde die Kirche durch Kunstwerke geschmückt. Besonders zu erwähnen sind die Holzschnitzarbeiten des Hundeshagener Schnitzers Christian Müller und des Hüpstedter Bildhauermeisters Heinrich Günther. Nach allen fachlichen Leistungen unter Leitung des Bischöflichen Bauamtes hat der Fleiß der Hundeshagener Bürgerinnen und Bürger mitgeholfen, dass die Kirche nun wieder in neuem Glanz erstrahlt. Möge sie zu ihrem eigentlichen Sinn finden, indem die Gläubigen hier sich versammeln zum privaten Gebet und Gottesdienst. Dann hat alle Mühe sich gelohnt. Amen.