Lesen Sie hier die Überschriften zu den neuesten Artikeln der katholischen Wochenzeitung »Tag des Herrn«:
Fotos: Michael Burkner
Das von Freiwilligen und jungen Esten gestaltete Altarbild in der Eishalle ist mit traditionellen Motiven an Werke der estnischen Künstlerin Anu Raud angelehnt.
Als ich etwas erschöpft aus dem Bus steige, hängen tiefe Wolken über Tallinn, feiner Nieselregen fällt auf die Stadt herab. Das Thermometer zeigt 5°C – viel zu viel eigentlich. Normalerweise liegt hier Ende Dezember immer Schnee, doch welcher Winter ist schon normal, in Zeiten der globalen Erderwärmung? Ich bin aber ohnehin nicht wegen des Wetters ins Baltikum gereist. Mir kommt eine Gruppe entgegen und obwohl sie ihre Kapuzen tief ins Gesicht gezogen haben, erkenne ich die ersten Bekannten. Es sind Brüder und Freiwillige der Gemeinschaft von Taizé, jenem ökumenischen Männerorden in Frankreich, der 1942 von Roger Schutz gegründet wurde und seit Jahrzehnten mit seiner von Einfachheit, Ruhe, Austausch und Gesang geprägten Spiritualität Jugendliche und junge Erwachsene anzieht. Seit 1978 lädt die Gemeinschaft jedes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr junge Erwachsene zum Europäischen Jugendtreffen ein – dieses Jahr nach Tallinn. Es sind Menschen, mit denen ich im Sommer selbst als Freiwilliger zwei Monate gelebt, gearbeitet, gebetet habe. Ich bin nach Tallinn gereist, in der Hoffnung, diese Menschen wiederzusehen.
Der Ort dieses Wiedersehens heißt Kaarli Kool und ist eine Schule, in der die ersten Teilnehmer empfangen werden. Das eigentliche Treffen beginnt am 28. Dezember, freiwillige Helfer können bereits zwei Tage früher anreisen und bei den letzten Vorbereitungen unterstützen. Manche der etwa 300 jungen Menschen singen im Chor des Treffens, andere bereiten den Empfang zwei Tage später vor oder arbeiten wie ich in einem Team, das während des Treffens ansprechbar sein wird, wenn sich Probleme oder Konflikte auftun. Viele von ihnen sind ehemalige Freiwillige der Gemeinschaft, die meisten fahren jedes Jahr zu den Europäischen Jugendtreffen. So wird das Abendessen in der Schulturnhalle für uns alle zum großen Wiedersehen, zum Ort vieler warmer Umarmungen, der die Hoffnung auf schöne Tage in Gemeinschaft nährt. Es gibt Suppe aus Pappschalen und irgendwie fühlen wir uns alle auf bestimmte Weise miteinander verbunden. Auch wenn jedes Jahr mehrere Zehntausend Besucher nach Taizé fahren – ein bisschen wie ein Dorf ist die Gemeinschaft derer, die sich mit dem Ort verbunden fühlen doch immer geblieben.
Ich teile mir mit zwei Geschwistern aus Deutschland und einem Polen ein Zimmer in einem Gemeindehaus im Stadtzentrum. Wir hatten Glück bei der Zuteilung der Unterkunft, schlafen in Betten – ein Luxus für nur wenige Teilnehmer. Denn Gastfamilien und -gemeinden für die 3500 erwarteten jungen Erwachsenen waren schwierig zu finden in einer Stadt, in der Taizé weit weg und kaum bekannt ist, in einem Land, in dem die christlichen Kirchen ohnehin eine Minderheit stellen. Gut fünf Jahrzehnte kommunistische Fremdherrschaft als Sowjetrepublik haben ihre Spuren hinterlassen, nur 30 Prozent der Esten bekennen sich heute zum christlichen Glauben, die meisten sind Lutheraner oder orthodox. Seit September 2024 hat Estland ein eigenes katholisches Bistum mit Sitz in Tallinn und etwa 6700 Gläubigen. Deutsche Großstadtpfarreien haben oft mehr Mitglieder. Auch wenn sich die kleinen christlichen Kirchen nach Leibeskräften um eine gute Unterbringung ihrer Gäste bemühten – es waren kreative Lösungen nötig, um jedem ein Dach über dem Kopf zu gewähren. Schulen und Turnhallen wurden hergerichtet, 500 Menschen verbringen die Tage auf Isomatten in einer ehemaligen Sowjet-Kaserne.
Trotz der geringen Zahl an Gläubigen – die Innenstadt von Tallinn wird von ihren Kirchen geprägt. Prominent liegt die orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale auf einem Hügel, die evangelische Domkirche nur einige Schritte weiter. Diese geografische Nähe ist fast ein Sinnbild der Ökumene, die Estlands Kirchen wichtig ist, weil sie verstanden haben, dass sie nur so eine große Stimme in diesem kleinen Land sein können, um den Menschen einen Anker der Hoffnung in manchmal stürmischen Zeiten zuzuwerfen.
Das 47. Europäische Jugendtreffen beginnt, die ruhigen Tage der Vorbereitung sind vorbei. Etwas mehr als 3000 junge Menschen erreichen Tallinn, nicht wenige nach stundenlangen Busfahrten. Etwa ein Viertel von ihnen kommt aus Polen, aber auch viele Deutsche sind unter ihnen, Gruppen aus Finnland und osteuropäischen Staaten, sogar aus der Ukraine und aus Belarus. Tallinn als Ort des Neujahrstreffens ist eine bewusste Wahl in einer Zeit, in der sich der Arm des Kremls nach Europa streckt, in der die Nato-Ostflanke plötzlich wieder in aller Munde ist und Meldungen über Sabotage an Unterseekabeln in der Ostsee ihre Runden in der Berichterstattung drehen.
Als wir am Abend zum Gebet in einem umgebauten Eisstadion zusammenkommen, alle gemeinsam auf dem Boden sitzend die meditativen Gesänge von Taizé singen und in Stille beten, wird mir deutlich, wie sehr das Treffen als Hoffnungszeichen für Verständigung und Frieden stehen kann. Das betont auch Frère Matthew, der Prior der Gemeinschaft, in seiner kurzen Ansprache im Anschluss an das Gebet. Immer wieder war er 2024 in Krisenregionen unterwegs. Einige Wochen hat er in der Ukraine gelebt, gerade kommt er aus dem Libanon, wo er die Weihnachtstage verbrachte. Überall hat er mit jungen Menschen gesprochen und darüber, wie jedes Jahr, einen Brief geschrieben. Er steht unter dem Motto „Hoffen über alle Hoffnung hinaus“ und dieses Motto begleitet das Treffen in Tallinn und alle im Jahr 2025 folgenden Begegnungen junger Menschen in Taizé. Frère Matthew betont die Bedeutung des gesungenen Gebets als Bitte für Frieden und Versöhnung und erinnert an die singende Revolution, in deren Folge Estland 1991 unabhängig wurde. „Lasst uns die Vergangenheit nicht vergessen, aber lasst uns wagen, über alle Hoffnung hinaus zu hoffen“ – so endet die Ansprache des Priors, so endet der erste Tag des Europäischen Jugendtreffens.
Das Vormittagsprogramm weicht dem Sonntagsgottesdienst in unserer lutherischen Gastgemeinde. Die Liturgie ist natürlich estnisch und auch wenn die Predigt auf Englisch übersetzt wird und sich die lutherische Wandlung äußerlich kaum von der der katholischen Kirche unterscheidet, sitze ich etwas ratlos neben meinen Zimmerkameraden in der Bank, versuche eher verzweifelt denn erfolgreich, dem Ablauf zu folgen. Ich konzentriere mich auf die Atmosphäre der Gemeinde und auf die Lieder, die auf Estnisch nach Melodien aus Taizé gesungen werden und damit ein bisschen zum Bild der Verbindung der Ortsgemeinde mit den internationalen Gästen werden. Die Gemeindemitglieder bringen uns seltenen Besuchern reservierte Freude entgegen, bezeichnen sich die Esten doch selbst als in sich gekehrt, manchmal verschlossen. Ihre Gastfreundschaft und Offenheit merken wir erst im zweiten Moment, wenn wir einen kurzen Blick hinter die Fassade der Menschen werfen können. Doch weil die Tallinner wissen, dass sie ihre Emotionalität manchmal gut verbergen, werden sie nicht müde zu wiederholen, wie glücklich und stolz sie sind, dass so viele junge Christen den Weg zu ihnen auf sich genommen haben.
Darüber freut sich natürlich auch Frère Matthew. Bei seiner abendlichen Ansprache betont er beinahe entschuldigend, dass er wisse, wie viele Gäste auf Matratzen in Schulen und Turnhallen übernachten müssen. Er erinnert sich an das Jugendtreffen 1985 in Barcelona, als er selbst als Teilnehmer in einer großen Schule schlief. Die Überzeugung von Taizé hat ihm das nicht geraubt, nur ein knappes Jahr später trat er in die Gemeinschaft ein.
Die Sonne strahlt erstmals vom blauen Himmel, es wirkt wie ein Hoffnungszeichen. Zeit zum Sightseeing bleibt aber nicht, das Tagesprogramm ist getaktet: Auf Frühstück und Morgengebet folgen Austauschrunden in der Gemeinde und nach einem Snack das Mittagsgebet mit einer kurzen Bibelmeditation. Auch dort geht es um Hoffnung, die „manchmal richtig Arbeit sein kann – wie eine Übung.“
Eine Hoffnung, die viele der jungen Erwachsenen teilen, ist, dass einmal ein Europäisches Jugendtreffen in ihrer Heimatstadt stattfindet. Am Abend steigt die Spannung, im Anschluss an das Gebet wird der Ort des nächsten Treffens bekannt gegeben. Die Gerüchteküche brodelt in Taizé schon lange und auffällig oft wurde im Vorfeld Französisch gehört. So überrascht es nicht jeden, als Zacharie, ein kleiner Junge aus dem Dorf Taizé, feierlich den Namen der nächsten Austragungsstadt verkündet: „Paris!“ Zum sechsten Mal wird die französische Hauptstadt Ort des Europäischen Jugendtreffens sein und es werden Erinnerungen wach an die 1990er-Jahre, als 100 000 junge Erwachsene dort zu Gast waren. Nächstes Jahr sollen es ähnlich viele werden, hofft das Organisationsteam.
Im Zeichen des Abschieds folgen wir ein letztes Mal dem Tagesablauf aus Gebeten und Gesprächen, kommen abends in der Eishalle zusammen, die sich schon fast ein wenig wie Heimat anfühlt, und stellen uns langsam die Frage: Was nehme ich mit nach Hause von dem, was ich in Tallinn erlebt habe? Frère Matthew hat eine Idee, wie man die Erfahrungen ein wenig weiterleben lassen kann: „Viele von euch haben in diesen Tagen junge Ukrainer kennengelernt. Bleibt in Kontakt mit ihnen! Wir werden euch nicht vergessen“, sagt er zum Abschluss seiner letzten Ansprache des Jahres.
Eine jährliche Tradition der Europäischen Jugendtreffen ist das Friedensgebet am Silvesterabend. In der Stille, im Gesang und in den Gebeten denken wir an Menschen, die unter Krieg und Gewalt leben, um die Hoffnung auf Frieden im neuen Jahr nicht zu vergessen. Dann wird es laut, Feuerwerk erfüllt den dunklen Himmel und empfängt das Jahr 2025, ehe wir in unserem Gemeindehaus zum „Fest der Nationen“ zusammenkommen. Es wird gesungen und getanzt, Musik aus Portugal und Polen, aus Deutschland, Finnland, der Ukraine und natürlich aus Estland erfüllt den Raum. So still das alte Jahr für uns endete, so laut startet das neue – so hoffnungsvoll.
Über Nacht hat es geschneit. „Das ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich Schnee sehe. Stell dir vor, ich wäre im Winter in Estland gewesen und hätte keinen Schnee erlebt“, erzählt mir ein Portugiese lachend. Eine Hoffnung hat sich also schon erfüllt im noch so jungen neuen Jahr und so klingen in meinem Ohr die Abschlussworte von Frère Matthew nach, während wir uns auf den Weg nach Hause machen, durch den Schnee hindurch, der die Stadt in friedliche Winterstimmung packt: „Möge der Heilige Geist, der Geist des auferstandenen Christus, uns führen, um Pilger der Hoffnung und des Friedens zu werden. Seien wir bereit, über alle Hoffnung hinaus zu hoffen!“
Fotos: Dorothee Wanzek
Modell des Instruments der Orgelbaufirma Schuke, die sich die Gemeinde in Werder wünscht.
Aus ihrem turbulenten Alltag als Lehrerin und Mutter in die Stille einer Kirche einzutauchen, gelingt Franziska Lippert oft nicht auf Anhieb. Mit Musik fällt es ihr dagegen leichter, innerlich zur Ruhe zu kommen. „Ich empfinde Musik als etwas ganz Besonderes, als hohe Kunst, die uns Gott näher bringt“, sagt sie. Vor zehn Jahren ist die gebürtige Mecklenburgerin mit ihrer Familie nach Werder an der Havel gezogen. In der auf einer Havelinsel gelegenen Kirche Maria Meeresstern ist sie schnell heimisch geworden, inzwischen gehört sie zum Sprecherteam der katholischen Gemeinde. Maria Meeresstern als lebendige Kirche zu erhalten, ist ihr zum Herzensanliegen geworden.
Über die Kleinstadt Werder hinaus ist das neuromanische Gotteshaus als Wallfahrtsziel und als Hochzeitskirche bekannt. Ein Kreis engagierter Gemeindemitglieder – viele davon wie sie erst in den vergangenen Jahren zugezogen – versteht Kirche nicht nur als Ort für Katholiken. „Wir verstehen uns als Teil der Stadt und wollen ein offener Ort der Begegnung für Jedermann sein“, erläutert Franziska Lippert.
Musik verbinde Menschen, könne Einsamkeit und Polarisierungen überwinden, ist sie überzeugt. Nach gründlichen Beratungen hätten sich die Werderaner Katholiken entschieden, auf eine neue Orgel zu sparen. Das bestehende Instrument ist 1939 eigentlich nicht für eine Kirche, sondern als Hausorgel für den Zörbiger Orgelbauer Georg Meissner entstanden. 1942 kam es nach Werder. Seit Jahren werden die klanglichen Ausfälle auffälliger. Ein Gutachten aus dem Jahr 2020 ergab, dass der Aufwand einer Reparatur unangemessen hoch sein würde.
Die Gemeinde möchte bei der ortsansässigen Firma Schuke eine neue Orgel in Auftrag geben – und hat dabei an vieles gedacht: an den C02-Abdruck zum Beispiel, der günstiger ist als bei einer Elektro-Orgel oder einem über weite Strecken transportierten Instrument, aber auch an das immaterielle Kulturerbe Orgel, das man pflegen und zu dessen Erhalt man beitragen möchte oder an die Organisten aus der Region, die durch die Investition angelockt werden könnten. Für Franziska Lippert ist ein starkes Argument die einzigartige Akkustik der Kirche. „Musik dringt in dieser Kirche gleich ins Herz“, findet sie.
Die Pfarrei Allerheiligen Potsdam, zu der Werder inzwischen gehört, hat dem Bau einer neuen Orgel zugestimmt, sofern die Ortsgemeinde das ohne Geld der Pfarrei stemmen kann. Auf der Havelinsel will man versuchen, die rund 370 000 Euro für die geplante Orgel mit Spenden und Stiftungsmitteln zu stemmen. Mehr als 32 000 Euro sind bereits zusammengekommen – ein großer Teil davon aus Benefizkonzerten, die in den vergangenen Monaten ganz ohne Orgel in Maria Meeresstern stattgefunden haben – unter anderem durch den Chor „Voices of Werder“ der Kreismusikschule, einem dänischen Chor und dem Stabsmusikkorps der Bundeswehr. Während die Gemeinde sich um Mittel für die neue Orgel bemüht, ist sie fast nebenbei immer lebendiger geworden. Unter anderem gibt es inzwischen regelmäßig Taizégebete in der Kirche, abwechselnd gestaltet von der evangelischen Popkantorey und einer katholischen Instrumentalgruppe, die wächst, weil immer mehr Gemeindemitglieder ihre Talente entdecken und sich auch trauen, sie ins Leben der Kirche vor Ort einzubringen.
Foto: Michael Burkner
Gemälde der Stadt Görlitz von Iris Band (im Besitz des St. Benno Verlags Leipzig)
Haben Sie schon die Gestalt entdeckt, die unter dem Dach der Peterskirche in einer Ecke hängt? Mit von Angst gequälten Gesichtszügen, verschränkten Beinen und über sich geschlagenen Händen blickt sie zwischen den Regenrinnen der Kirche herab. Es ist ein Zimmermann, der der Legende nach beim Bau der Kirche den Halt verlor und in die Tiefe stürzte, im Fall aber eine Axt in einen Balken schlagen konnte. So hängt er nun an der Mauer und wartet bis heute auf seine Rettung.
Etwas weiter, am nördlichen Innenstadtrand steht die Kapelle des Heiligen Grabs. Heute ist sie eine Touristenattraktion, nicht zuletzt aufgrund ihrer auffälligen Ähnlichkeit mit dem Heiligen Grab in Jerusalem, die selbstverständlich kein Zufall ist: Im 15. Jahrhundert trat der Görlitzer Bürgermeistersohn Georg Emmerich eine Wallfahrt nach Jerusalem an, um Buße zu tun, weil er eine Tuchmachertochter außerehelich entjungfert und damit einen Aufstand der Branche provoziert hatte. Vom Heiligen Land war Georg so begeistert, dass er beschloss, in der Heimat das Heilige Grab nachbauen zu lassen. Auf einer zweiten Jerusalem-Reise nahm er einen Baumeister mit, der mit genauen Plänen die Replik in Görlitz anfertigte. Die Bürgerschaft hatte ihren Groll auf den jungen Mann übrigens schon während der ersten Pilgerreise vergessen und ihn 1483 zum Nachfolger seines Vaters als Bürgermeister gewählt.
Ebenfalls ein gutes Ende findet eine Sage, die im damaligen Franziskanerkloster spielt. Seine Klosterkirche ist heute die Dreifaltigkeitskirche am Obermarkt. Dass ihre Glocken noch immer einige Minuten zu früh schlagen, geht auf das 16. Jahrhundert zurück. Damals wollte eine Gruppe Verräter den Rat der Stadt absetzen, ermorden und die Stadt anzünden. Sie trafen sich heimlich in einem Haus in der heutigen Verrätergasse und gingen erst unbemerkt nach Hause, wenn die Turmuhr schlug und der Nachtwächter des Klosters verschwunden war. Eines Tages aber schlug die Uhr zu früh, der Wächter bemerkte die dunklen Gestalten in der Nacht und zeigte sie am folgenden Tag an. So wurde das Unheil abgewendet und im Gedenken daran schlägt die Uhr bis heute einige Minuten zu früh.
Weniger ruhmreich verhielt sich ein Ordensmann des Klosters in der Sage des Klötzelmönchs. Der Legende nach wurde ein junger Reisender in der Klosterkirche versehentlich über Nacht eingesperrt, weil er erschöpft beim persönlichen Gebet einschlief. Mitten in der Nacht wurde er so Zeuge einer grausamen Szene: Ein Mönch schleifte den leblosen Körper einer jungen Frau in die Kirche und versteckte ihn unter einer Platte im Altarraum. Als der junge Mann am nächsten Tag von einem Vermisstenfall in der Stadt hörte, erstattete er sofort Anzeige und der Täter wurde schnell überführt. Als Strafe wurde der grausame Mönch lebendig eingemauert, doch seine Seele fand keine Ruhe und noch lange hörte man das Klappern seiner hölzernen Schuhe in den Klostergebäuden. Erst als seine Gebeine bei Umbauten gefunden und in geweihter Erde begraben wurden, hörte der Spuk auf. Dort, wo sein Opfer bei ihrer verwitweten Mutter lebte, ist heute das „Hotel zum Klötzelmönch“ – selbstverständlich ganz ohne klappernde Geisterschritte.
Foto: Eckhard Pohl
Pfarrer Christian Bock (links) und Verwaltungskoordinator Hans Plager ergänzen sich gegenseitig im Einsatz für die Kirchorte der Pfarrei St. Elisabeth Eisenach.
„Es ist für mich eine große Erleichterung, dass wir seit einem Jahr in unserer Eisenacher Pfarrei einen Verwaltungskoordinator haben. Seit Hans Plager da ist, kann ich wieder mehr Seelsorger sein. Davon, so hoffe ich, profitiert die Gemeinde“, sagt Pfarrer Christian Bock (48).
Hans Plager (50) übernimmt die Verwaltung für die fünf Kirchorte Eisenach, Bad Liebenstein, Bad Salzungen, Gerstungen und Ruhla. Er widmet sich Immobilienangelegenheiten, hat Arbeits- und Brandschutz im Blick. „Unsere Kindertagesstätte in Bad Salzungen ist bei ihm in guten Händen. Auch um Heizungsprobleme oder die Reparatur von Dachrinnen brauche ich mich nicht mehr zu kümmern“, sagt Pfarrer Bock.
„Nachdem ich 2021 die Pfarrei hier übernommen hatte und für all das verantwortlich war, konnte ich eines Tages wegen einer dringenden Sitzung im Kindergarten nicht rechtzeitig zu einer Krankensalbung gehen. Da wurde mir deutlich: So kann es nicht weitergehen“, erinnert sich der Seelsorger. Bei der Priesterwerkwoche 2022 habe er mit Mitbrüdern vehement die umfangreichen und auch fachlich herausfordernden Verwaltungsaufgaben in den Pfarreien in den Blick gerückt. Nach weiterem Drängen habe man sich dann im Bistum auf ein dreijähriges Pilotprojekt mit Verwaltungskoordinatoren auch in der Erfurter Innenstadtpfarrei und in Arenshausen verständigt. In Eisenach hat Hans Plager eine auf zunächst drei Jahre befristete Stelle mit 30 Wochenstunden.
Fünf Mal im Jahr kommt in Eisenach der Kirchenvorstand (KV) zusammen. Im Gegensatz zum Pfarrer ist der Verwaltungsleiter kein stimmberechtigtes Mitglied, aber immer dabei. Plager erläutert: „Ich übernehme die Moderation, lade zuvor mit dem Pfarrer zur Sitzung ein und entwerfe die Agenda dafür.“ Während der Zusammenkünfte schreibe er das Protokoll, was die KV-Mitglieder mittels Wandprojektion mitlesen und am Ende gleich noch unterschreiben können. Plager kümmert sich um den Pfarrei-Etat, legt bei den Sitzungen die aktuellen Zahlen vor. „Das erleichtert es, Entscheidungen zu treffen und den jährlichen Haushaltsplan zu erstellen.“
Einmal pro Woche ist der Verwaltungsmann im Kirchort Bad Salzungen mit der dortigen Kindertagesstätte. Anliegen oder Probleme aus anderen Teilgemeinden erreichen ihn spätestens bei den KV-Sitzungen, sagt er. Außerdem sei der Pfarrer zu Gottesdiensten vor Ort und halte so Kontakt. Was an den Kirchorten an Aufgaben anfalle, werde bislang dankenswerterweise von Ehrenamtlichen erledigt. Größere bauliche Maßnahmen seien aktuell nicht erforderlich.
„Zentral für eine fruchtbare Zusammenarbeit ist gute Kommunikation unter den Hauptamtlichen und in die Gemeinde hinein“, sagen Bock und Plager. Die Aufgabenverteilung zwischen Pfarrer und Verwaltungsleiter sei weitgehend klar getrennt. Natürlich müsse der Pfarrer bereit sein, Aufgaben abzugeben, betont Bock. Zudem sei die „Chemie“ entscheidend: „Beide müssen sich verstehen, sonst geht es vermutlich nicht gut.“ Zudem sollte ein Verwaltungsleiter neben fachlicher Expertise wenigstens eine gewisse kirchliche Sozialisation mitbringen.
Pfarrer Bock ist aber noch ein anderer Aspekt wichtig: „Jesus hat seine Jünger zu zweit ausgesandt. Immer öfter ist jetzt von ,Doppelspitzen‘ die Rede. Wir sind jetzt hier auch zu zweit und können uns zu Fragen austauschen. Das fühlt sich auch geistlich ganz gut an.“
Ein Europaabgeordneter riet im Interview dazu, sich nicht verrückt machen zu lassen und Ruhe zu bewahren. Gar nicht so leicht, wenn man sich überlegt, was da auf uns zukommt. Genauso wie es nicht leicht ist, Ruhe zu bewahren, wenn die Nachrichten immer häufiger bewaffnete Konflikte und Naturkatastrophen melden. Es kann lebenswichtig sein, die Ruhe zu bewahren. Bei dem furchtbaren Loveparade-Unglück 2010 in Duisburg sind 21 Menschen gestorben, weil das nicht gelungen ist. Aufregung und Hysterie sind schlechte Ratgeber.
Gelegentlich sagt mir meine Mutter: „Junge, du musst ruhiger werden.“ Da ist bestimmt etwas dran. Aber genauso gilt das Gegenteil. Die Unruhe fordert uns auf, Verantwortung zu übernehmen. Den Augenblick zu erkennen, in dem ich gefragt bin. Es nicht anderen zu überlassen, wie es in Zukunft weitergeht. Das beginnt mit einem kleinen Kreuz bei den Wahlen. Es gilt aber auch bei der Frage, wie und wo ich mich politisch oder sozial in die Gesellschaft einbringe.
Aufgeregte Massen sind keine gute Idee. Aber das Gegenteil ist genauso tödlich. Im Lukasevangelium sagt Jesus an einer Stelle: „Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es würde schon brennen!“ (Lukas 12,49) Ich lese das als Hinweis auf den Geist Gottes. Er bringt in Bewegung. Er drängt, etwas zu tun, wenn uns Dinge aufregen oder ängstigen. Bei aller Berechtigung, die der Ruf nach Ruhe und Besonnenheit in unruhigem Zeiten hat, ein bisschen Unruhe kann nicht schaden!
Foto: Johann Sebastian Hanel
Nicht die Mondoberfläche, sondern eines der neuen Fenster der Sankt Hedwigs-Kathdrale.
„Im Gottesdienst singe ich das Lied ‚Stern über Betlehem, zeig uns den Weg‘ natürlich aus vollem Herzen mit“, sagt Ruth Titz-Weider aus Berlin-Friedrichshagen. Als promovierte Physikerin, die am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Berlin-Adlershof auf dem Gebiet der Planetenforschung arbeitet, sieht sie das Sternenmotiv und die Fenstergestaltung in der Kathedrale aber kritisch. Die Fenster zeigten den Sternenhimmel „zum Zeitpunkt Null der Weltgeschichte, an dem Gott Mensch wurde“, hieß es in der Predigt von Erzbischof Heiner Koch beim Gottesdienst zur Wiedereröffnung von Sankt Hedwig.
Ruth Titz-Weider schüttelt den Kopf: „Will ich die Sternenkonstellation zu einem Zeitpunkt berechnen, muss ich das Jahr, den Tag und sogar die Stunde wissen. Weil sich die Sterne in 24 Stunden einmal um den Polarstern bewegen, sieht der Sternenhimmel um 6 Uhr nämlich anders aus als um 18 Uhr.“ Geburtsjahr, -tag und -stunde des Jesus von Nazaret sind aber nicht exakt zu ermitteln.
Der österreichische Konzeptkünstler Leo Zogmayer stand zu Beginn seiner Arbeit vor genau diesem Problem: „Die Idee war, den Sternenhimmel über Berlin zu einem konkreten Zeitpunkt in die Fenster einzuarbeiten. Die vom Bauherrn zunächst gewünschte Darstellung zum Zeitpunkt der Geburt Christi war nicht möglich. Schließlich wurde das Datum des Beginns der christlichen Zeitrechnung gewählt, der 1. Januar im Jahr null.“ Wobei es dieses Jahr null nur in der astronomischen Jahreszählung gibt, in unserer christlichen Zeitrechnung werden die Jahre vor und nach der Geburt Christi gezählt. Das Jahr 1 vor Christi Geburt endet am 31. Dezember; am nächsten Tag, dem 1. Januar, beginnt das Jahr 1 nach Christi Geburt. Die Ermittlung des Sternbildes, das in die Fenster eingearbeitet wurde, erfolgte in Zusammenarbeit mit Astrophysikern der Universität Wien.
Gemeinsam mit dem emeritierten Professor Albert Gerhards von der Universität Bonn und mit Christoph Sander von der Firma Glasmalerei Otto Peters Paderborn erarbeitete Leo Zogmayer die glastechnische Umsetzung seines Konzepts. Für den Liturgiewissenschaftler Gerhards weiten die Fenster in der neuen Kunstverglasung „den Blick über die Begrenztheit des Kirchenraumes hinaus“. Der Sternenhimmel sei aus der Perspektive des zentralen Altars dargestellt. „Auf der horizontalen Ebene geht es um Solidarität nicht nur mit den Menschen, sondern mit der ganzen Schöpfung. Das Kirchengebäude und der darin gefeierte Gottesdienst stehen für Verantwortung und Engagement, dies aber in einer Perspektive, die den menschlichen Horizont übersteigt.“
Ginge man von einer unverbauten Umgebung der Kathedrale aus, „wären vor 2024 Jahren am 1. Januar um null Uhr jene Lichtpunkte sichtbar gewesen, die nun in den Glastafeln der Fenster dargestellt sind“, fasst Leo Zogmayer sein Werk zusammen. Wobei nur jene Abschnitte dieses Sternenhimmels zu sehen seien, die sich in den acht Fenstern zeigen, was Ruth Titz-Weider aufgrund des kuppelförmigen Sternenhimmels nicht überzeugt: „Die Darstellung des Himmelsgewölbes hätte besser in die Kuppel der Kathedrale gepasst.“
Am 6. Januar feiert die Kirche das Fest Epiphanie (vom altgriechischen Wort „epipháneïa“: Erscheinung). Vermutlich nahmen alte christliche Überlieferungen diesen Begriff aus ihrer griechisch-heidnischen Umwelt auf. Dort bezeichnete Epiphanie das überraschende Erscheinen einer Gottheit oder die Ankunft des Herrschers in einer Stadt. Im Matthäusevangelium wird erzählt, dass „Sterndeuter aus dem Osten“ nach Betlehem zogen. In diesem Osten hatte sich zurzeit Jesu die Astronomie schon längst zu einer ausgeklügelten Wissenschaft entwickelt. Man beobachtete die Gestirne, konnte Sonnen- und Mondfinsternisse verblüffend genau vorausberechnen. Es gab Observatorien, Mathematik- und Astronomieschulen.
Auf Griechisch werden die Sterndeuter „mágoi“, Magier, genannt. Im antiken Großreich Persien bezeichnete man so Astronomen, Astrologen, auch Heiler sowie gelehrte Angehörige einer Priesterkaste. Aus dieser Kaste gingen laut des jüdischen Philosophen Philon von Alexandria bedeutende persische Könige hervor.
Laut des Matthäusevangeliums wurden die Sterndeuter durch einen besonderen Stern zum Ziel geführt. Seit der Spätantike bezogen astronomische wie astrologische Theorien diesen Stern auf verschiedene tatsächlich sichtbare Himmelsphänomene. In heutigen astronomischen Begriffen gesprochen, könnte es vielleicht ein Komet, eine Planetenkonjunktion oder eine Supernova gewesen sein, mit deren Nachweis man Jesu Geburt genauer zu datieren suchte.
Wissenschaftlich sei jedoch keiner dieser Erklärungsversuche befriedigend, betont die Physikerin. Sie erklärt es am Stern mit Schweif, der zu Hause ihre Weihnachtskrippe krönt: „Der Maler Giotto di Bondone hat auf einem Fresco den Halleyschen Kometen als Stern von Betlehem dargestellt. Er konnte diesen Kometen bei dessen Annäherung an die Erde im Jahre 1301 selbst beobachten und war wohl so fasziniert, dass für ihn nur ein Komet der Weihnachtsstern sein konnte.“ Was aber nicht zutreffen könne, denn der Halleysche Komet „ist im Jahr 12 vor unserer Zeitrechnung der Erde wieder einmal nahe gekommen und das liegt außerhalb der Zeitspanne, die sich für die Geburt Jesu aus anderen Quellen ergibt“. Gravierender jedoch sei, dass Kometen als Unglücksboten galten, in deren Gefolge Hungersnöte, Seuchen und Kriege die Menschen heimsuchten. „So dekorativ der golden glänzende Schweifstern auf meiner Krippe ist, als ‚Geburtsanzeiger‘ taugen weder Kometen noch Planeten oder eine Supernova.“
Historisch-kritische Neutestamentler deuten den Stern in der Regel als mythologisches oder symbolisches Motiv und weisen astronomisch-astrologische Theorien als spekulativ zurück. Es sei unwissenschaftlich, Motive wie den Stern in Verkündigungsabsicht auf reale Vorgänge zu beziehen oder zur Datierung von Jesu Geburt auszuwerten. Man könnte also sagen: In den neuen Fenstern von Sankt Hedwig vereinen sich die Freiheit der Kunst, der Anspruch der Wissenschaft und die Leuchtkraft des Evangeliums.
Foto: Ruth Weinhold-Heße
Hinter die Kulissen im Vatikan konnte unsere Redakteurin Ruth Weinhold-Heße im Oktober schauen.
Journalistisch war die Begleitung der Pilgerreise nach Rom im Oktober mein persönlicher Höhepunkt des Jahres 2024. Ich war zwar im Auftrag des TAG DES HERRN unterwegs, nahm aber nebenbei auch privat tolle Impulse mit. Denn nicht nur reiste ich das erste Mal überhaupt nach Rom und konnte viele kirchliche und kulturelle Highlights erleben. Ich war auch hautnah dran, sozusagen hinter den Kulissen des Vatikans, bei einer besonderen Privataudienz von Papst Franzsiskus und dem Eröffnungsgottesdienst der Weltsynode am 2. Oktober.
Außergewöhnlich war schon die Zusammensetzung der Gruppe: Die Dresdner Kapellknaben sangen für den Heiligen Vater im Audienzraum und im Gottesdienst direkt auf dem Petersplatz. Zur Gruppe gehörten auch ökumenische Pilger aus Sachsen, angeführt sowohl vom katholischen als auch vom evangelisch-lutherischen Bischof, aber auch Sachsens Kultur- und Tourismusministerin und der Dresdner Oberbürgermeister waren dabei. Und gerade in Vorfreude auf diese Erlebnisse warteten wir alle – auch die mitreisenden Journalisten – aufgeregt am Morgen um 7 Uhr vor den Mauern des Vatikans auf Einlass. In diesen Stunden zählte nicht so sehr unsere Position – wir waren gleich (wichtig) vor Gott. Ich blieb nicht die beobachtende Journalistin, denn ich wurde Teil der Pilgergruppe. Jede und jeder erlebte berührende Momente an diesem Tag – auch die unter uns, die keiner Kirche angehören.
Franziskus nahm ich als einen Papst wahr, der den Menschen zugewandt ist, weil er selbst sehr menschlich blieb und keine Berührungsängste hatte. Diese Begegnung werde ich nie vergessen.
// Ruth Weinhold-Heße
Ein Wechselbad der Gefühle bereitete unserer Redaktion das Personalkarussel. Aus unterschiedlichen Gründen mussten wir uns in den vergangenen Monaten zunächst von Stefan Schilde, dann von Holger Jakobi und schließlich auch von Oliver Gierens verabschieden. Gleichzeitig freuten wir uns über den frischen Wind, den neue Kollegen mitbrachten.
Mit Holger Jakobi verließ uns der längstgediente TAG DES HERRN-Mitarbeiter, der in fast 32 Jahren aus Dresden, später aus Erfurt und Görlitz berichtete. Besonders seine Freude an kulturellen Themen brachte er gerne ein, und uns überraschte er immer wieder mit einzigartigem Spezialwissen, zum Beispiel über die sächsischen Adelshäuser. Stefan Schilde, dessen Wechsel zum Fußball bereits Erwähnung fand, bleibt uns mit seiner Rubrik „Neu hier“ zum Glück noch ein Weilchen erhalten. Auch von Oliver Gierens werden Sie noch bei uns lesen, vor allem aus dem Erzbistum Berlin.
Johanna Marin gehört seit September zu unserer Redaktion. Sie stammt aus Potsdam und hat in Erfurt Sprachwissenschaften studiert. Am häufigsten werden Sie ihr voraussichtlich in nächster Zeit in Magdeburg begegnen. Im Oktober stieß Michael Burkner aus Dachau als Volontär zu uns und brachte bereits einige journalistische Erfahrung mit. Schon als Kind war er mit seiner reiselustigen Familie so oft in unseren Gefilden, dass er sich hier schon gut auskennt. Die meisten seiner Recherchereisen werden ihn nach Görlitz und nach Berlin führen.
Dankbar sind wir auch den beiden Kolleginnen, die uns vorübergehend unterstützt haben. Lourdes Estigarribia war in der Zeit der technischen Veränderungen einige Monate an unserer Seite und hat inzwischen eine andere Aufgabe im St. Benno Verlag gefunden. Die Zeitzerin Diana Heinrich verstärkt unser Team noch bis zum Frühjahr.
// Dorothee Wanzek
Wie war Ihr Ostern beziehungsweise Ihre Ostervorbereitung? Meine vorösterliche Bußzeit war 2024 von den enormen Veränderungen beim TAG DES HERRN geprägt. Die Umstellung des Formats und der Erscheinungsweise wirbelten hinter den Redaktionskulissen alle gewohnten Abläufe durcheinander. Am einschneidensten war sicherlich die Einführung eines neuen Redaktionssystems. Dadurch hat sich die Art des Seitenbauens komplett verändert. Der Prozess ist digitaler und technischer geworden und liegt nun größtenteils in meinen Händen. Die meisten Kollegen geben mir ihre Texte und Bilder und ich entwerfe ein Layout und baue die finale Seite. So gehen nun alle regionalen TAG DES HERRN-Seiten durch meine Hände – eine ganz neue Erfahrung. Doch nicht nur die technischen Neuerungen forderten uns heraus. Auch die Themenplanung musste durch den veränderten Erscheinungsrhythmus und die neue Seitenbelegung überdacht und angepasst werden. Dadurch hat sich der redaktionelle Wochenplan verändert, was sich erst einpegeln musste. Aber gemeinsam haben wir die Umstellung von einer Wochenzeitung zu einer Zeitschrift geschafft. Ich bin gespannt, welche redaktionellen Herausforderungen im neuen Jahr auf mich warten.
// Vinzent Antal
Foto: Johanna Marin
Kerstin Drobe (links) zeigt Jana Hertwig (rechts) ihre Taufkirche Zur heiligsten Dreieinigkeit in Halle.
Sie könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Jana Hertwig fröhlich winkend aus dem Fenster quer über den Hof ihr „Hallo!“ ruft, öffnet Kerstin Drobe vorsichtig die Tür, lächelt und streckt zögerlich die Hand zur Begrüßung aus. Trotzdem haben die beiden Frauen etwas gemeinsam: Sie wurden als Erwachsene getauft und haben sich im Bistum Magdeburg beim „Wochenende für erwachsene Neugetaufte, Suchende und Interessierte“ kennengelernt. Es wird von der Fachakademie für Gemeindepastoral angeboten. „Für uns ein absoluter Glücksfall“, betont Jana Hertwig, „denn wir Neuen haben sehr viele Fragen, sind frisch, unverbraucht und manchmal etwas naiv.“ In dem Kurs können sie diese Fragen stellen, ohne Angst, etwas verkehrt zu machen. „Wir haben sozusagen bei Null angefangen“, wirft Kerstin Drobe schmunzelnd ein, „und unseren Platz in der Kirche inzwischen gefunden.“
Sie führt durch ihre Taufkirche Zur Heiligsten Dreieinigkeit in Halle. Die Decke ist hoch, durch das Oberlicht fallen Sonnenstrahlen auf die bunt gestrichenen Wände und die im Halbkreis aufgereihten Kirchenbänke. So hell und umarmend wie der Kirchraum wirkt, wurde sie auch in der Gemeinde aufgenommen. „Mein Sohn kam Ende der dritten Klasse zu mir und sagte: ‚Mama, ich will mich taufen lassen‘“, erzählt die gelernte Krankenschwester, „also rief ich im Pfarrbüro an.“ So begann ihr Weg: Sie begleitete den Jungen als Betreuerin auf Religiöse Kinderwochen und in die heilige Messe. „Die Evangelien, die haben mich berührt“, sagt sie, „und wenn mein Sohn sonntags mal keine Lust auf die Messe hatte, war ich traurig.“ In Halle aufgewachsen, kannte sie viele Gemeindemitglieder zudem schon seit ihrer Kindheit. Weihnachten 2022 kam für sie der Wendepunkt. Zurück von der Christmette saß sie gemütlich auf dem Sofa, griff zum Handy und tippte eine Mail an Bruder Clemens Wagner vom Franziskanerorden in ihrer Gemeinde: „Ich will mich taufen lassen.“
Der Wunsch in ihr wurde immer größer. Bei ihrer Taufe standen ihr Mann, ihr Sohn und ihre ganze Familie an ihrer Seite. Selbst ihr Chef war gekommen. „Eigentlich hatte ich vor, die Feier ganz klein zu halten“, erzählt Kerstin Drobe, „aber dann wollten immer mehr Leute dabei sein.“ Über die Frage, ob die Taufe für sie Zielpunkt einer langen Vorbereitung oder Startschuss für etwas Neues war, muss sie nicht lange nachdenken: „Es war eine Vollendung“, sagt sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Ein langer Weg, der auch von spirituellen Erlebnissen geprägt war, und bei dem sie das Gesangbuch ihrer Großmutter von 1923 begleitete, mündete in dem Erlebnis: „Ich mache bei der Eucharistie nicht mehr Platz für die anderen in der Bank, sondern kann mit nach vorne kommen.“
Jana Hertwigs Weg zur katholischen Kirche war etwas gewundener. „Ich wurde bereits 2010 evangelisch getauft. Ein aktives Glaubensleben kannte ich aber nicht.“ Irgendwann kehrte sie all dem den Rücken, erzählt sie. „Ich hatte den Glauben einfach vergessen.“ Die Vermieterin einer Ferienwohnung brachte sie schließlich auf die katholische Spur. Die beiden hatten sich im Urlaub über ihre Konfessionen ausgetauscht. Als Jana Hertwig 2022 in einer Lebenskrise Hilfe suchte, wurde die Frau, eine polnische Katholikin, ihre erste Ansprechpartnerin. „Ich musste mich entscheiden, welchen Weg ich gehen will. Verharre ich in der Dunkelheit des Raumes oder nähre ich das Licht meiner Kerze, die ich noch zögerlich in den Händen hielt“, sagt Jana Hertwig. Eine zeitlang besuchte sie abwechselnd die katholischen Gottesdienste der Pfarrei Carl Lampert und die evangelischen in ihrem Heimatort Bennstedt. Schon nach ihrer ersten heiligen Messe wusste sie: „Hier bin ich zu Hause.“ Sie erzählt: „Von da an begann ein wunderbarer Weg, der mir bis heute noch manchmal unerklärlich ist.“ Aus der Dankbarkeit über den Segen erwuchs bald das Verlangen nach der Hostie.
Jana Hertwig konvertierte im Mai 2023, Kerstin Drobes Taufe fand im selben Monat statt. Da kannten sich die beiden Frauen noch nicht. Doch während Kerstin Drobe über ihren Sohn und die ehrenamtliche Arbeit mit Kindern schon Anschluss in ihrer Gemeinde gefunden hatte, suchte Jana Hertwig weiter. Sie lebt auf dem Dorf, die heilige Messe findet nur alle zwei Wochen statt. „Fahren muss man immer“, weist sie auf die regionalen Unterschiede hin. Ihre Heimatgemeinde habe sie liebevoll aufgenommen. „Doch die Eucharistie ist mir zu wichtig, ich brauche sie jede Woche – sie nährt mich.“ Deshalb fuhr sie ins Kloster Helfta, wo sie auf ihrem Weg auch spirituelle Erfahrungen machte. „Insbesondere die Gertrudskapelle dort ist – auch heute noch – mein ganz besonderer Kraftort. Aber mit dem Herrn kann ich im Grunde überall reden“, sagt sie und lächelt in sich hinein. Ihren Wissensdurst versuchte sie ebenfalls zu stillen. Antworten auf ihre Fragen fand sie schließlich in dem Kurs für Neugetaufte.
So lernten die beiden Frauen sich kennen. Es brauche Gemeinschaft, sind die beiden sich einig. „Egal ob gleich hinter der Haustür oder mit dem Auto erreichbar. Den Glauben zu erleben, nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern auch mit anderen – das haben wir erfahren“, sagt Jana Hertwig. Kerstin Drobe nickt und findet, dass der Kurs für Neugetaufte, Suchende und Interessierte genau das bietet: „Hier konnte man sich vorbehaltlos öffnen, Fragen stellen und gemeinsam nach Antworten suchen.“ Besonders wichtig seien für sie auch die praktischen Hinweise für den Glaubensalltag. „Wir sind eine Mäh-Gruppe“, sagt Kerstin Drobe und zückt ihr Handy, um das Foto eines Plüschtier-Schafs zu zeigen – das Maskottchen ihrer Gruppe. „Weil wir eine Gruppe aus Lämmern sind“, wirft Jana Hertwig lachend ein, „wie frisch geboren, noch unsicher auf den Beinen.“ Natürlich habe man da noch Fragen, sagt Jana Hertwig. Sie denkt, dass man die erwachsenen Neugetauften vor allem über Bildung erreichen könne. Dabei erhofft sie sich insbesondere von Priestern und Diakonen Führung. „Vergesst uns Neue nicht!“, bittet sie. Kerstin Drobe wünscht sich den Austausch mit anderen Neugetauften. Eine Art Religionsunterricht für Erwachsene. Inzwischen hält sie mit anderen Gemeindemitgliedern Religionsstunden für Kinder – dabei lerne sie selbst auch immer was, erzählt sie.
So unterschiedlich wie ihre Wege zur katholischen Kirche waren auch die Reaktionen aus dem Umfeld. Kerstin Drobes Mann habe es mit einem Lächeln und einem „Mach ruhig!“ quittiert, erzählt die Krankenschwester. Vor allem der Satz ihres Chefs, selbst evangelisch, ist ihr in Erinnerung geblieben: „Von Ihnen hätte ich auch nichts anderes erwartet.“ Ihre Taufe fügte sich in ein Gesamtbild ein. Jana Hertwig hingegen stieß oft auf die Frage: „Wieso glaubst’n du an Gott?“ Doch ihre Mutter, ihre Kinder und ihre Freunde stärkten ihr den Rücken. Sie hat das Gefühl, dass Neugetaufte den Glauben intensiver erleben können. Und Kerstin Drobe fügt hinzu, was eine Frau aus ihrer Gemeinde zu ihr gesagt hat: „Du hast es gut: Du kannst bewusst erleben, was ich als Baby gar nicht mitbekommen habe.“