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Foto: Anja Schlender
Mit einem Benefizkonzert zum zehnjährigen Bestehen des bischöflichen Flüchtlingsfonds im Bistum Magdeburg im Kunstmuseum Kloster „Unser Lieben Frauen“ feierte Bischof Gerhard Feige zugleich sein 25-jähriges Bischofsweihe-Jubiläum.
Blicken wir auf das Jahr 1999 zurück: War die Bischofsweihe für Sie ein Sprung ins kalte Wasser oder waren Sie auf das neue Amt gut vorbereitet?
Da ich zuerst Weihbischof war, dann Administrator und schließlich ab 2005 Diözesanbischof, konnte ich vieles, indem ich es tun musste, nach und nach lernen. Anderes, was ich zuvor erlebt hatte, erwies sich dabei als hilfreich: eine äußerst lebendige hallesche Heimatgemeinde, in der ich aufwuchs, aber auch meine seelsorglichen Einsätze als Vikar in Salzwedel und Magdeburg-Sudenburg. Gerade die Erfahrungen in der weitläufigen Altmark haben mir Kirche noch einmal etwas anders nahegebracht. Es folgten dann siebzehn Jahre im Umfeld des Erfurter Priesterseminars und an der dortigen Hochschule, in denen ich theologisch forschte und lehrte. Außerdem habe ich auch anderswo manche Vorträge gehalten. Ein Jahr konnte ich zudem als Rektor der Hochschule Leitungserfahrung sammeln. Ein Studienjahr in Rom hat mir Eindrücke vermittelt, was Weltkirche ist, und meine Mitarbeit in ökumenischen Gremien hat außerdem meinen Blick geweitet. Natürlich gab es manches, auf das ich noch nicht vorbereitet war.
Zum Beispiel?
Als Bischof musste ich lernen, in Millionenbeträgen zu denken. Das war zunächst jenseits meiner Vorstellungskraft. Ich bin in einfachen Verhältnissen großgeworden, aber stolz darauf. Meine Mutter hatte Textilverkäuferin gelernt und war Hausfrau, mein Vater Schuhmachermeister. Beiden habe ich viel zu verdanken. Finanziell dazulernen musste ich besonders, als einige wirtschaftliche Aktivitäten des Bistums fehlschlugen. Ein einziger Lernprozess war und ist – wie für alle Bischöfe – bis heute der Umgang mit dem Missbrauch in der Kirche. Für mich begann dieser harte Prozess, als ich vor 21 Jahren mit dem ersten Fall konfrontiert wurde. Ein weiteres Lernfeld bestand auch darin, neue Wege auszuprobieren, um als Kirche lebendig zu bleiben. Anregend fanden wir dafür zum Beispiel die Erfahrungen der französischen Diözese Chalons mit Pfarrei-Leitungsteams.
Was kennzeichnet Ihre bisherige Amtszeit als Bischof, was unterscheidet sie von der Ihres Vorgängers Leo Nowak?
Wurde nach 1989 vieles neu begonnen, gegründet, aufgebaut und eingerichtet, war es meine Aufgabe, kritische Zwischenbilanz zu ziehen, mich für Prioritäten zu entscheiden, manches aufzugeben oder zu konsolidieren. Vor allem galt es, neue Formen zu finden, weiterhin lebendig Kirche zu sein. Dafür hat mein Vorgänger mit dem Pastoralen Zukunftsgespräch entscheidende Weichen gestellt. Auf dessen geistiger Standortbestimmung, wozu und wie wir in unserer Region Kirche sein wollen, konnte ich gut aufbauen.Das „Korsett“ für unser Bistum ist in meiner Zeit als Bischof immer enger geworden, sowohl finanziell als auch personell bis hin zur Zahl der Gläubigen. Bereits 2010 habe ich einen Umstrukturierungsprozess abgeschlossen. Dabei blieben von vormals 186 Pfarreien oder Gemeinden noch 44 übrig. Zwei Jahre später zeigte sich schon, dass nicht mehr jede Pfarrei mit einem kanonischen Pfarrer besetzt werden konnte. Bewusst habe ich mich damals dagegen entschieden, gleich schon wieder weitere Pfarreien zusammenzulegen. Stattdessen probieren wir Leitungsteams aus. Außerdem versuchen wir, unserer Linie treu zu bleiben, als kleine Minderheit nicht um uns selbst zu kreisen, sondern schöpferisch zu sein und mit evangelischen und anderen Partnern vielfältig zu kooperieren.
Ist die katholische Kirche wirklich relevant für die Bevölkerungsmehrheit? Wo sehen Sie Anzeichen dafür?
Meinem Eindruck nach sind wir durchaus wahrnehmbar und immer wieder auch geschätzt, vor allem im sozial-karitativen Bereich oder durch unsere Bildungseinrichtungen. Kürzlich erst war zum Beispiel das Magdeburger Marienstift mit seiner Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Fokus der Öffentlichkeit, ähnlich wie das Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara in Halle schon seit längerem medizinisch wie menschenfreundlich ein Vorzeigeprojekt.Ähnlich überzeugend wirkt die Stiftung Netzwerk Leben, die Bischof Leo im Jahr 2000 zur Unterstützung von Müttern vor und nach der Geburt eines Kindes gegründet hat. Auch das Engagement unserer Partnerschaftsaktion Ost – älter als das Hilfswerk Renovabis – wird von vielen außerhalb unserer Kirche mitgetragen. Und zum Benefizkonzert für unsere Flüchtlingshilfe ist dieser Tage sogar die Innenministerin gekommen.
Wie nehmen Sie die aktuelle Stimmung unter den Katholiken im Bistum wahr?
Ich bin gerade auf meiner dritten Visitationsreise durch alle Pfarreien. Einerseits treffe ich auf sehr engagierte und motivierte Haupt- wie Ehrenamtliche, andererseits spüre ich aber auch eine gewisse Wehmütigkeit und nehme viele Sorgen wahr. Das war vor Jahren noch nicht so stark.Außerdem habe ich den Eindruck, nach Firmungen oder anderen gottesdienstlichen Anlässen vor der Kirche nicht mehr so leicht ins Gespräch mit anderen kommen zu können. Ergab sich das früher fast selbstverständlich, muss ich inzwischen bewusster auf Leute zugehen. Sicher hängt das damit zusammen, dass Bischöfe an Bedeutung verloren haben, dass aber auch die Individualisierung in der gesamten Gesellschaft zugenommen hat. Hinzu kommen noch die Verwerfungen und Polarisierungen in allen Bereichen. Das schlägt sich auch in Briefen und E-Mails nieder, die ich erhalte.
Was stärkt und trägt Sie in solch frustrierenden Erfahrungen?
Vieles bewegt mich emotional sehr. Was mir hilft, einigermaßen gelassen zu bleiben, die Freude nicht zu verlieren und mich weiterhin den anstehenden Herausforderungen zu stellen, ist wohl mehreres. Zum einen habe ich offensichtlich von meinen Eltern eine natürliche Belastbarkeit geerbt, von meinem Vater eher den Humor und von meiner Mutter mehr eine gewisse Akribie und Ausdauer; letzteres ist allerdings – was sich nicht nur positiv auswirkt – auch mit einem Hang zum Perfektionismus verbunden.Auch die positiven Erfahrungen, die ich mit der Kirche seit meiner Kindheit gemacht habe, tragen mich weiter. Dankbar erinnere ich mich in diesem Zusammenhang besonders des Vikars meiner Jugendzeit Wolfgang Simon, eines freundlichen und konstruktiv-kritischen Geistes, der uns theoretisch und praktisch im Glauben gefordert und gefördert hat.Mir helfen auch meine wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit der Geschichte und Lehre der Kirche und meine ökumenischen Beziehungen, die meinen Blick weiten, sowie die umsichtigen und anregenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die mich tatkräftig unterstützen und wohlwollend – aber nicht unkritisch – begleiten. Ich wünschte, ein Brückenbauer zu sein, rede aber nicht jedem nach dem Mund.Nicht zuletzt trägt mich mein Wahlspruch „Wachet und betet“. Ich verbinde damit eine nüchterne Wahrnehmung der Wirklichkeit, so wie sie ist, und zugleich die Verankerung in Gott.
Foto: Privat
April. Familiengottesdienst in der Pfarrei St. Georg in Leipzig Gohlis. Diese Messen sind üblicherweise etwas Besonderes. Mal singt der Kinderchor oder Erstkommunionkinder gestalten die Predigt. Etwas in der Art können die Gottesdienstbesucher erwarten. An diesem Sonntag jedoch ist die Predigt bewegt. Wortwörtlich. Nach mehreren Sätzen des Gemeindereferenten Oliver Cabrera über Migration und das Gefühl, fremd zu sein, wird im Altarraum Platz geschaffen. Dann treten Ana und Julio auf und alle sind wie gebannt.
Ana Villalba (33) und Julio Miranda (37) sind professionelle Balletttänzer. Seit einem Jahr haben sie einen Raum in der alten Gohliser Pfarrvilla gemietet und ein Tanzstudio eingerichtet. „Loft 13 Kunst- und Tanzzentrum“ steht in goldener Schrift auf dem schwarzen Schild neben dem Hauseingang. Beide tanzen seit ihrer Kindheit und professionalisierten ihre Leidenschaft in Paraguay. Internationale Wettbewerbe führten sie nach Europa, wo sie sich in Deutschland trafen. Ana studierte in Mannheim, während Julio in Schwerin tanzte. Ein Freund vermittelte den Kontakt, als Ana auf Grund der Sprachbarriere Hilfe bei Bankangelegenheiten benötigte. Julio eilte aus Schwerin zur Hilfe. Der Rest ist Geschichte.
Als Liebespaar zogen die beiden 2014 nach Leipzig, wo Ana an der Oper Leipzig und Julio in Dessau engagiert wurde. „In unserem Beruf ist es oft schwierig, lange an einem Ort zu bleiben“, sagt Ana. „Aber in Leipzig haben wir ein Zuhause gefunden.“ Sie machten ihren Führerschein und heirateten 2020 standesamtlich. Die Planung ihrer kirchlichen Trauung in Paraguay brachte sie zurück zur Religion, die in ihrer Heimat eine große Rolle spielt. Durch ihre Arbeit hatten sie jedoch die Verbindung zur Kirche verloren.
Statt Gemeindefesten und Sonntagsgottesdiensten stehen für Künstler am Wochenende Auftritte auf dem Plan. In Paraguay erlebten sie die katholische Kirche als streng, was zu einer Entfremdung führte, erinnert sich Julio. Als er sich als junger Mann in Paraguay zur Firmung anmeldete, lehnte die Kirche das ab. Er konnte nicht verstehen, warum. Auch wenn ihn seine Arbeit zeitlich vereinnahmte, sein Glaube hätte immer existiert. „Ich hätte mir hier mehr Flexibilität gewünscht und war frustriert“, sagt Julio. „Da habe ich mich von der Institution entfernt.“
Einen ungefirmten Bräutigam kann es in Paraguay jedoch nicht geben. Ana recherchierte und fand in Leipzig die spanische Gemeinde, die Teil der St. Georg-Gemeinde ist. Oliver Cabrera, selbst aus Nicaragua stammend, informierte sie über die Möglichkeiten. Als Julio an dem Tag nach Hause kam, hätte Ana ihn direkt mit allen Infos bombardiert, erinnert er sich. „Wir wollten unseren Glauben nicht so streng leben, wie die Kirche in Paraguay. In der Gemeinde hier in Leipzig habe ich gemerkt, dass sie das anders lebt“, sagt Ana. Julio meldete sich für den Firmunterricht mit den Jugendlichen an und staunte nicht schlecht: „Ich habe dort keinen Druck gespürt. Pater Josef war sehr angenehm.“ Nicht nur das: Bei der Firmfahrt nach Schmochtitz stellte der Pater den Firmlingen eine Aufgabe: „Wie würdet ihr einen Gottesdienst gestalten?“ Julios Antwort war glasklar: „Ich würde gern tanzen.“
Der Tanz, begleitet von Worten eines anderen Firmlings war „Balsam für meine Seele“, sagt Julio. Diese Idee beeindruckte Cabrera und Pater Josef, die beschlossen, Tanz in den Gemeindegottesdienst zu integrieren. Inzwischen hatten sie den beiden Tänzern bereits einen Raum im Pfarrhaus vermietet. Dieser sollte zunächst eher ein Proberaum sein, wurde jedoch schnell zu einem Unterrichtsraum, den inzwischen mehr als 40 Schüler unterschiedlichen Alters nutzen. Julio arbeitet mittlerweile hauptsächlich als Choreograf und Tanzpädagoge, ein Segen, da die Berufsdauer eines Solotänzers kurz ist.
Am zweiten Advent 2023 war es dann so weit: Ana und Julio tanzten in Weiß einen Friedenstanz im Altarraum, begleitet von klassischem Gesang und Klaviermusik. Cabrera erhielt ausschließlich positives Feedback. Er betont, dass ein Gottesdienst alle Sinne ansprechen sollte, um eine tiefere Glaubenserfahrung zu ermöglichen. „Wenn es vorher den richtigen Impuls gibt und alles zu einer Einheit wird, gelingt das“, sagt er. Er sei dankbar, dass die Gohliser Gemeinde so offen und progressiv sei.
Ana und Julio führten auch einen Balletttanz mit ihren kleinen Schülern als Teil des Krippenspiels auf. „Mit den Tanzschülern erreichen wir auch nicht-christliche Familien, die dann Kirche erleben können“, so der Gemeindereferent.
In der Gohliser Gemeinde fühlen sich Ana und Julio frei und dadurch enger verbunden. „Wir können hier wir selbst sein“, sagt Ana. So sehr beide das Ballett auch lieben, so sei es oft auch eine Welt der Egos und Konkurrenzen. Durch die Arbeit und das Leben in der Gemeinde, fanden sie eine neue Balance, Freunde und mehr Tiefgang. Das Tanzen öffnete ihnen Türen zur Gemeinde und half über Sprachbarrieren hinweg. Sie besuchten bereits den Seniorennachmittag und tanzten für Obdachlose im Pfarrsaal. Aktuell planen sie ein großes Projekt zum Thema „Licht“ für alle Leipziger Firmlinge in der Propsteigemeinde.
Die enge Verbindung der Tanzschule zur Kirchgemeinde möchte das Paar gern beibehalten. Derzeit wird an der Gohliser Kirche ein neues Pfarrhaus gebaut. Ana und Julio hoffen, sich auch dort mit ihrer Tanzschule einzumieten. Auch die Gemeinde ist daran interessiert und prüft momentan, ob das räumlich umzusetzen ist.
Beim Tanzen in der Kirche wurde Ana bewusst, dass Tanz und Spiritualität keine neue Erfindung ist. „Zu tanzen war immer die erste Verbindung mit Gott in rituellen, religiösen Situationen“, sagt sie. „Das haben wir irgendwann getrennt und diese Basis vergessen. Wir können das hier ein bisschen zurückbringen.“ Julio nickt, zückt sein Smartphone und sucht online eine Bibelstelle aus den Korintherbriefen heraus. „Der Körper sei Tempel des Heiligen Geistes“, sagt Julio und liest vor, „verherrlicht also Gott in eurem Leib“.
Fotos: Privat
Bei der „Ansprech-Bar“ nach dem Gottesdienst in Plauen geht es bunt und fröhlich zu.
Susanne Schneider kann es gar nicht fassen. Als sie erfährt, dass die Schreibstube der katholischen Gemeinde in Plauen den TAG DES HERRN-Wettbewerb „Kirche vor Ort“ gewonnen hat, glaubt sie an einen Telefonstreich. Doch dann ist die Ehrenamtliche begeistert. Ihr Engagement und das, so vieler Mitstreiter, hat den Lesern mit Abstand die meisten Stimmen entlockt. „Wir treffen uns nachher, da wird erst einmal angestoßen“. Dabei werde man im Team überlegen, was man mit den gewonnenen 1000 Euro machen könne.
Gesagt, getan. Beim gemeinsamen Feiern sammeln sie etliche Ideen. Bei allen geht es darum, die Gemeinschaft zu stärken. Zusammen mit den Flüchtlingen, die regelmäßig in die Schreibstube kommen, wollen sie beispielsweise das Theater, Kino und Ausstellungen besuchen. Aber auch die Gemeinschaft der Flüchtlinge mit der Gemeinde soll gefestigt werden. Daher wird ein Teil des Gewinns für die halbjährlich angebotene „Ansprech-Bar“ eingesetzt. Dabei suchen Flüchtlinge nach dem Sonntagsgottesdienst das Gespräch mit den Gemeindemitgliedern und kochen für Interessierte ein gemeinsames Essen.
Doch auch der täglichen Arbeit kommt das Preisgeld zugute. Viele Flüchtlinge bringen ihre (teils noch kleinen) Kinder mit, wenn sie in die Schreibstube kommen. Damit diese sich nicht langweilen, soll in Spielzeug, gern pädagogisch wertvoll, investiert werden.
Aufgrund der starken Beteiligung hat die TAG DES HERRN-Redaktion entschieden, noch einen zweiten und dritten Preis zu vergeben. Auf den mit 600 Euro dotierten zweiten Platz gelangten die Helbraer Christen, die zum Jahrestag des Mauerfalls zum vierten Mal eine Gedenkveranstaltung organisieren. Höhepunkt ist am 9. November um 19 Uhr das Konzert „Kinder des Lichts“, das Gregor Linßen mit seiner Band AMI in der Helbraer St. Barbara-Kirche gibt. Sangesfreudige aus der Region lädt der Neusser Liedermacher am Vormittag zu einem Chorworkshop ein, um ein oder zwei Lieder für den Sonntagsgottesdienst am 10. November einzustudieren. Musiker und Sänger werden in Gastfamilien im Mansfelder Land beherbergt. Damit ist das Wochenende am 35. Jahrestag des Mauerfalls eine Gelegenheit zur Begegnung zwischen Ost- und Westdeutschen, zwischen Zeitzeugen und später Geborenen.
Den dritten Platz (400 Euro) gewinnen die Sänger und Instrumentalisten der ökumenischen Schola Caloensis in Kahla, die regelmäßig die Gottesdienste in der ältesten Kirche der Stadt, der katholischen St. Nikolaus-Kirche mit gregorianischem Gesang bereichern. Darüber hinaus laden sie zu Konzerten und meditativen Stunden mit Musik ein.
Foto: Johanna Marin
Stephan Ratajczak (links) und Markus Karolewski, der die Bilder gemalt hat.
Es ist hell, wenn man den Pfarrsaal betritt. Farben leuchten einem entgegen und es scheint, als würden sich die Bilder bewegen, die hier an Wänden hängen oder sich von der Decke bis zum Boden spannen. Dem Maler, Markus Karolewski, ist es wichtig, dass seine Bilder „von sich aus leuchten“. Er und Stephan Ratajczak wollen mit ihrem Projekt Freude schenken und einen Ort der Entspannung schaffen. Deshalb haben sie sich zusammengetan und die Ausstellung „Glaube in Farbe“ mit dem musikalischen Werk „Sonus Urbis – Klänge der Stadt“ verbunden.
Dabei gefiel Karolewski der Gedanke, seine Bilder auszustellen, ursprünglich gar nicht. „Ich male eigentlich nur für mich“, erzählt er. Aber seine Kunst kommt beim Publikum gut an. „Das ist Erbmasse“, sagt der ehemalige Betriebshandwerker, „mein Vater war Werbemaler beim Kino und hat mir das beigebracht.“ Er beherrscht viele Techniken: Aquarelle, Zeichnungen, Acryl. Symbole, Städte, Engel und Natur – die meisten seiner Bilder verlaufen dynamisch, als würde ein leichter Wind durch sie hindurchwehen. „Glaube in Farbe“ hat Karolewski die Ausstellung genannt, um zu zeigen, dass man dem grauen Film aus Angst und Unsicherheit, den er über der Kirche wahrnimmt, etwas entgegensetzen kann: „Glaube ist bunt. Wir wollen die Hoffnung bestehen lassen.“ Er ist überzeugt, dass Glaube und Kirche zusammengehören. „Jeder glaubt immer, für sich allein glauben zu können, aber Glaube ist auch Gemeinschaft!“
Am liebsten malt Karolewski Aquarelle. Weil man da nicht radieren kann – wie im echten Leben. „Man muss vorher wissen, was man will, und trotzdem passiert immer ganz Unverhofftes“, erzählt er und deutet mit den Händen fließende Bewegungen an.
Der Musiker Stephan Ratajczak hat einige der Bilder in seinem musikalischen Projekt „Sonus Urbis“ verarbeitet. Dort setzen er und das Künstlerkollektiv Exit to Love sphärische Musik vom Synthesizer, ruhige Tonaufnahmen aus der Stadt und das Farbspiel einer Videoinstallation zu einem Gesamtwerk zusammen. Das soll einen Gegenpol zum hektischen Stadtalltag schaffen. Ratajczak möchte damit ein Ambiente bieten, in dem die Menschen sich einfach entspannen können.
Das Werk ist in drei Akte unterteilt, die den Ablauf eines Tages darstellen sollen: Alpha – der Anfang, Aurora – die Morgenröte und Omega – das Ende. Während Alpha und Aurora bei den Aufführungen eher meditative Züge hatten, wird die Musik in Omega treibender und hektischer werden, Füße dürfen ins Tanzen geraten und das Werk endet im Himmelfahrtsgeläut des Erfurter Doms.
Die Künstler, die beide in der Gemeinde St. Georg, Erfurt-Daberstedt, heimisch sind, wollen mit ihrem Projekt allerdings nicht einfach nur Herzen erfreuen. Durch die finanziellen Sorgen vieler Bistümer bangt auch ihre Gemeinde um ihre Kirche. „St. Georg hätte das Potenzial, einen kompletten Neustart hinzulegen, wenn man nur Talente einsetzt und Veränderung zulässt“, sagt Ratajczak. Stattdessen sei „das ganze Bistum Erfurt in einem Dornröschenschlaf“.
Gemeinsam wollen Stephan Ratajczak und Markus Karolewski zeigen, dass ihre Gemeinde lebendig und wertvoll ist. Markus Karolewski ist zuversichtlich: „Was bleibt, ist Glaube in Farbe.“
Ein junger, dynamischer Geschäftsführer führte den Spruch im Mund, als es darum ging, eine riesengroße Scheune mit Tischen und Stühlen umzuräumen. Im Raum standen zwei Frauen und ich. Schön dachten wir, jetzt gehts gleich los. Doch anstatt die Ärmel hochzukrempeln, drehte sich der Geschäftsführer um – und verschwand schnurstracks. Zwanzig Minuten später waren wir drei allein fertig mit der Arbeit: schwere Bänke geschleppt, Tische aufgebaut. Eine halbe Stunde später erschien ein Hausmeister, der vom wortgewandten Chef geschickt worden war. Der Geschäftsführer selbst ward nicht mehr gesehen. „Schnelles Ende durch viele Hände?“ – War da was?
Wenn Worte nicht zu Taten werden, werden sie zu Phrasen. Sie klingen gut, sie meinen das Richtige, aber sie werden nicht Realität.
Nun kann ja sonst was passiert sein, ein wichtiger Anruf, ein plötzlich vor der Tür stehender Gast, der erschrockene Gedanke daran, dass gerade ein wichtiger Termin beginnt. Das mag alles sein.
Aber gerade bei großen Sprüchen ist es wichtig, darauf zu achten, dass man selbst mit gemeint ist, sonst wird man unglaubwürdig. Oder man sollte die Sprüche einfach lassen.
„Euer Ja sei ein Ja, euer Nein sei ein Nein.“ Jesus spricht sich sehr deutlich für eine klare Sprache aus, die mit dem Zusammenklang von Reden und Tun überzeugt. Er ermutigt uns, beides zusammenzubringen.
Foto: Walter Wetzler
Uta Bolze in einem Beratungsgespräch.
Bei Paulus heißt es: „Sie sollen Gutes tun, freigiebig sein und ihren Reichtum gerne mit anderen teilen.“ So würden wohlhabende Menschen das wahre Leben gewinnen. Solche Bibelstellen laden zum Spenden von Zeit, Ressourcen und Geld ein. Auch wenn Uta Bolze sich davon angesprochen fühlt, nutzt sie diesen Text in ihrer Arbeit nicht. „Spenden sammelt man nicht, indem man mit der Bibel winkt“, sagt die 52-Jährige. „Es geht darum, jemanden einzuladen und zu zeigen, welche Angebote wir in den Gemeinden haben.“
Bolze entwickelt das Fundraising für Pfarreien im Erzbistum Berlin. Ihre Stelle wurde 2016 geschaffen. Bolze, Betriebswirtin, kam 2007 mit dem Thema in Berührung und absolvierte eine Ausbildung an der Fundraising Akademie in Frankfurt. Ihre Arbeit im Erzbistum liegt nicht im Finanzbereich, sondern in der Pfarreientwicklung. Bolze unterstützt Gemeinden bei der Finanzierung von Projekten. „Wir müssen die Pfarreien befähigen, selbst so mit Menschen in Beziehung zu treten, dass man sie am Ende auch um Geld bitten kann“, sagt Bolze.
Wenn eine Kirchgemeinde beispielsweise eine Orgel renovieren möchte, sind oft Spenden erforderlich. Bolze fragt zuerst nach dem langfristigen Nutzen des Projekts: Wird dieses Gebäude in den nächsten 20 Jahren noch als Kirchengebäude genutzt? „Es geht auch darum: Was soll an diesem Standort sein? Wie drückt sich unser Kirche-Sein hier aus?“, so Bolze.
Bei einer neuen Orgel geht es um viel Geld. Ein Verkauf des Gebäudes zehn Jahre nach der Renovierung des Instruments wäre unverantwortlich, so Bolze. „Wenn ich an Geld und Kirche denke, denke ich auch an die Ausgaben. Wie verantwortungsvoll gehen wir mit dem Geld um, das uns zur Verfügung steht?“ Der Betriebswirtin sei unverständlich, wenn beispielsweise Kollekten für Heizungskosten gesammelt werden. „Das zeigt, dass an anderer Stelle etwas besser laufen müsste“, sagt sie.
Sie regt zum Umdenken an, um Projekte effizienter umzusetzen. Man müsse nicht immer gleich einen Turm sanieren und eine neue Glocke einbauen, um die Menschen zum Gebet zu rufen. Vielleicht erreicht man diesen Zweck auch mit einer gebrauchten Glocke, die man mobil auf den Platz stellt. „Das würde dann nur 15 000 Euro statt 50 000 Euro kosten“, überschlägt Bolze. „Das kann ich auch anders argumentieren“, sagt die Fundraiserin.
Bolze hilft bei der Entwicklung von Spendenkonzepten und unterstützt Pfarreien mit praktischen Werkzeugen wie Online-Formularen, Formulierungen oder Layouts. „Wir helfen bei zeitaufwendigen organisatorischen Aufgaben, damit die Pfarrei sich auf den Inhalt konzentrieren kann“, sagt Bolze. Sie betont, dass Beziehungen beim Spendensammeln wichtiger sind als Geld. Bolze erlebte in ihrer Heimatgemeinde, wie Nähe zu Projekten zu mehr Spenden führte, beispielweise, als für ukrainische Flüchtlinge in der Gemeinde gesammelt wurde. „Da konnten wir uns vor Scheinen im Kollektekörbchen gar nicht retten.“
Es brauche Nähe und Beziehung, um Menschen um Geld zu bitten. Daher der Tipp der Betriebswirtin: Nicht nur aktiv werden, wenn Geld gebraucht wird, sondern mit gleichem Einsatz auch jenseits vom Spendenprojekt mit Gemeindemitgliedern im Kontakt bleiben.
Uta Bolze nennt das Mitgliederkommunikation. Regelmäßige Briefe, die das Angebot der Pfarrei aufzeigen und in denen klar und ohne Druck um Spenden gebeten wird. Die Kirche habe eine gute Ausgangslage, denn: „Als Kirche haben wir eine hohe Verbundenheit von Menschen, die spenden“, sagt Bolze. Die Response auf ein Mailing, so die Fachsprache, also die Rückmeldungen auf Briefe oder andere Aufrufe, liege bei etwa fünf bis sechs Prozent. „Das wäre für gemeinnützige Organisationen zum Beispiel aus dem Umwelt- oder Naturschutzbereich unerreichbar“, sagt Bolze. Es seien vor allem Frauen über 70, die spenden. Dass älteren Gemeindemitgliedern diese Briefe besonders wichtig sind, erlebt Bolze immer wieder. Die Briefe werden lange aufbewahrt. Es sei schon vorgekommen, dass eine verstorbene Person die Gemeinde in ihrem Testament bedacht hat. „Selbst, wenn dieser Mensch das nicht gemacht hätte“, betont Bolze, „Das lange Aufbewahren der Briefe zeigt, wie viel den Menschen der Kontakt und die Beziehung bedeuten.“
Wie dieser Kontakt aussehen kann, zeigt Bolze mit einem eigenen Newsletter. Per Mail verschickt sie Informationen, Spenden- und Fördermitteltipps. Ihre Mails wirken wie ein digitaler Bauchladen für das Erzbistum: Wer will, kann sich bedienen und sich einbringen. Manchmal brauche es Zeitspenden, fachliche Beratung und manchmal eben Geld. „Es geht dabei nicht darum, goldene Wasserhähne zu finanzieren“, so Bolze, „sondern Projekte, die vor Ort gebraucht werden und über den Gartenzaun hinaus wirken“.
Die Berliner Pfarreien sammeln regelmäßig Spenden für verschiedene Projekte, wie Orgel- oder Glockenprojekte sowie die Arbeit der Sozialarbeiter. Jede Spende, unabhängig von ihrer Höhe oder Verwendung, wird geschätzt und verdient Dankbarkeit.
Bolze betont die Wichtigkeit, transparent zu kommunizieren, wofür Gelder gesammelt werden und wie viel gespendet wurde. Klarheit und Transparenz sind entscheidend, um Vertrauen aufzubauen. Auch bei Gottesdienst-Kollekten. Monatsplakate kündigen zukünftige Kollekten an, während Dankesplakate die gesammelten Beträge veröffentlichen, um Nähe und Vertrauen zu schaffen. „Das Geld, das wir geben, wird zum Segen für andere eingesetzt. Es geht nicht um Betteln, sondern um eine klare Unterscheidung und Transparenz.“
Uta Bolze empfindet es als sinnstiftend, Spenden zu sammeln und Strukturen zu schaffen, die den Gemeinden diesen Prozess erleichtern. Durch Gespräche mit Menschen ergeben sich neue Perspektiven jenseits finanzieller Belange. Bolze sieht das Fundraising auf kirchlicher Ebene noch in den Anfängen und wünscht sich eine stärkere Präsenz bei staatlichen Stellen sowie die Nutzung anderer Fördermöglichkeiten. „Wir haben viele Projekte, die förderfähig sind, aber es fehlt an Zeit und Know-how, um Anträge zu stellen.“ Ein nordostdeutsches Fördermittelforum wurde von ihr ins Leben gerufen, um den Austausch zu fördern.
Wenn es um Geld geht, geht es der Berliner Funraiserin um Beziehung. Oder, wie es die drei konstanten Überschriften am Ende ihrer Newsletter ausdrücken: Miteinander. In Verbindung. Bleiben.
Fotos: Eckhard Pohl
Reges Interesse, eine der islamischen Gemeinden zu besuchen, herrschte beim Katholikentag in Erfurt. Allein 70 Interessierte kamen in die Schiitische Moschee-Gemeinde und wurden gastfreundlich empfangen.
Der Zustrom war beachtlich. Immerhin 70 Interessierte kamen während des Katholikentages in Erfurt zu einer Führung in die Schiitische Moschee-Gemeinde. 70 Neugierige fanden sich zur Moscheeführung in der Ahmadiyya Muslim Jamaat Gemeinde und etwa 40 im Gotteshaus des Internationalen Islamischen Kulturzentrums Erfurter Moschee bei den Sunniten ein. Sehr gefragt seien auch Führungen durch die Alte Erfurter Synagoge und in das jüdische Ritualbad Mikwe gewesen. Zudem sei ein Speed-Dating der Religionen auf gute Resonanz gestoßen, sagt Eckehart Schmidt. So mancher habe es sich nicht entgehen lassen, zum Beispiel mal mit einem Imam zu sprechen.
Eigentlich sei das Interesse an anderen Religionen nicht besonders groß, gerade auch in den Kirchengemeinden, weiß Schmidt aus Erfahrung. Mit einer halben Stelle ist der 48-Jährige Beauftragter des Bistums Erfurt für den interreligiösen Dialog in Thüringen. „Ich verstehe meinen Auftrag vor allem als Bemühen um mehr Verstehen und gegenseitige Akzeptanz“, sagt Schmidt. „Denn das ist die Voraussetzung für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft.“
Dass er in seiner Aufgabe aufgeht, wird schnell deutlich: Bei der Katholikentagsveranstaltung in der Schiitischen Moschee-Gemeinde umarmt er den dortigen Leiter Ahmad Tabaja freundschaftlich. Im Rahmen der Reihe „Meister Eckhart – interreligiös und spirituell“ in Erfurt vergleicht er seit einigen Jahren die Mystik Meister Eckharts mit der Mystik anderer Religionen – so im Juni beim Vortrag „Meister Eckhart und die islamische Mystik“. Zu der Reihe kämen immer wieder Getaufte, die sich in den Kirchen nicht wohl fühlen, und auch Nichtchristen. An seinem Engagement für ein friedliches Miteinander in Erfurt am Runden Tisch der Religionen wird ebenfalls klar, dass ihm sein Auftrag persönliches Anliegen ist. Er schätzt seine vielen Gesprächspartner: „Leute im interreligiösen Dialog sind weltoffene Menschen. Die mag man auch. Da wächst Vertrauen und Herzlichkeit im Umgang.“
Schmidt, der auch Referent in der Pastoralabteilung des Bistums Erfurt ist, macht in seiner religionenübergreifenden Arbeit die Erfahrung, als Kirchenvertreter gefragt zu sein: „Im Blick auf andere Religionen wird uns Christen von der Gesellschaft Kompetenz zugeschrieben“. Dies biete zugleich die Chance, mit Menschen im außerkirchlichen Bereich, darunter konfessionslosen Mitbürgern, ins Gespräch zu kommen.
Das Interesse für andere Religionen und Kulturen scheint dem 1976 in Aschaffenburg geborenen Schmidt in die Wiege gelegt. Sein Vater schätzt die Texte Meister Eckharts und gibt seinem Sohn dessen Namen. Der spätmittelalterliche Dominikaner beschäftigte sich auch mit Schriften jüdischer und islamischer Denker. Meister Eckharts Gotteserfahrungen sind denen des persischen Gelehrten und Mystikers Attar, der etwas früher lebte, recht ähnlich. Schmidt erklärt: „Mystik hat religionsverbindende Aspekte. Jede Religion hat ihre eigene Theologie. Aber das Bemühen um Haltungen wie zum Beispiel das Loslassen von Ichbezogenheit und Besitz oder das Streben nach Gelassenheit verbindet die Mystik der Religionen.“
An dererlei Fragen Interesse gefunden, studiert Schmidt Anfang der 2000er Jahre Historische Anthropologie und im Nebenfach Religionswissenschaft mit dem Schwerpunkt „Weltreligionen“. „Auch beim Betrachten der Geschichte der Menschheit finden sich kulturübergreifend gleichbleibende, alle Menschen verbindende Elemente wie Liebe, Fürsorge, Gemeinschaft, Tod und auch Religion“, sagt Schmidt. Während seines Studiums ist er viel in der Welt unterwegs: „Ich habe viele Menschen aus anderen Kulturen und Religionen kennengelernt und habe meist sehr gute Erfahrungen gemacht. Umso mehr finde ich es beschämend, wie wenig freundlich sich viele Deutsche grundlos gegenüber Fremden verhalten.“ Nicht jeder Fremde sei automatisch gut, aber grundsätzlich gelte es, Menschen zunächst Wohlwollen entgegenzubringen. Am Ende seiner Studienzeit promovierte Schmidt zum Religionsbegriff: „Was ist das Gemeinsame verschiedener Religionen und was ist der Kern von Religion?“
Im Gespräch mit den Vertretern anderer Religionen gehe es aber durchaus auch um Unterschiede, sagt Schmidt. „Wie erklärt man Muslimen die Göttlichkeit Jesu?“ Das sei eine Frage, vor der er immer wieder stehe. „Alle Muslime sagen: ,Jesus ist nicht am Kreuz gestorben. Das am Kreuz war jemand anderes. Jesus, der Sohn der Maria, wurde lebendig als Mensch in den Himmel gesetzt. Er ist ein Prophet, aber nicht Gott.‘“ Er, so Schmidt, spreche dann von der Allmacht Gottes, selbst Mensch werden zu können oder davon, dass Christus das Wort sei, durch das sich Gott den Menschen selbst mitteile – ähnlich wie die Muslime den Koran als Wort Gottes verstehen.
Darüber nachzudenken, beginne man erst im Dialog mit Andersglaubenden: „Ich bedenke mehr, was das eigene Reden beim Andersgläubigen auslöst. Wenn ich etwa mit einem Hindu über Jesus spreche, weiß ich, dass er Jesus als eine unter vielen göttlichen Manifestationen des Hochgottes Vishnu versteht.“
Schmidt ist auch im Gespräch mit jüdischen Mitbürgern und gehört zum Vorstand der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit Thüringen. Als Sprecher des Runden Tisches der Religionen Erfurt stieß Schmidt im November 2023 bei der Jüdischen Landesgemeinde auf Unverständnis: In einer Mail an das Gremium nach dem Überfall der Hamas auf Israel erinnerte er daran, dass man sich, wie vereinbart, beim nächsten Treffen nicht internationaler Politik, sondern der Sorge um ein gutes Miteinander in Thüringen widmen wolle. Er habe allerdings übersehen, dass die jüdische Seite den Überfall als einen Angriff auf das gesamte Judentum werte und auf Israel, das für sie die sichere Heimstatt aller Juden weltweit darstelle, so Schmidt. Das führte dazu, dass sich die Jüdische Landesgemeinde vom Runden Tisch zurückzog. Schmidt suchte umgehend das versöhnliche Gespräch. Er sagt: „Als Christ steht man da schnell zwischen den Fronten.“
Der theologische Auftrag, mit anderen Religionen im Dialog zu sein, findet sich in der Konzilserklärung „Nostra Aetate. Über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen“ von 1965. Darin heißt es, dass es gelte, das gegenseitige Verstehen zu fördern. Schmidt betont: „Deshalb sehe ich neben anderen Aufgaben meinen Auftrag vor allem darin, Räume anzubieten, wo sich Menschen über andere Religionen informieren können. Denn nur so ist es möglich, Vorurteile abzubauen, Verständnis füreinander zu entwickeln und zu erkennen, dass die anderen auch ,nur‘ Menschen sind.“
Foto: Ruth Weinhold-Heße
Aytac Ismailova (links) und Maiia Krycunenko in der Migrationsberatungsstelle der Caritas in Altenburg.
Aytac Ismailova lebt seit 25 Jahren in Altenburg. Die fröhliche Frau mit den dunklen Locken ist in Aserbaid-schan geboren und in Georgien aufgewachsen. Sie ist gelernte Krankenschwester und arbeitet als Sprach- und Kulturmittlerin der Caritas. Kurz nach ihrer Ankunft, fing sie ehrenamtlich an. „Ich betreue fast alle“, sagt sie. Neben ihrer Muttersprache spricht sie Russisch, Türkisch, Georgisch und neuerdings Ukrainisch. Sie ist Teil eines großen Teams – die meisten mit Migrationshintergrund – das anerkannten Flüchtlingen und Asylsuchenden hilft, sich hier zurecht zu finden. Der Bedarf an Beratung ist groß, die Hürden vielfältig, mehrere Flüchtlingswellen hat sie miterlebt. Aytac ist aber eine Frau, die Improvisation und Tatkraft auszeichnet.
Als am 24. Februar 2022 Russland die Ukraine angriff, dauerte es beispielsweise nur zwei Tage bis das Landratsamt Altenburg Volker Liebelt anrief, den Teamleiter für die Migrationsberatung des Caritasverbandes in Ostthüringen. Die ersten Flüchtlinge waren da. „Als die Privatunterkünfte nicht mehr reichten, musste ein professionelles Konzept her“, so Liebelt. Und Profis seien sie ja bei der Caritas. Eine ehemalige Altenburger Berufsschule wurde Notunterkunft.
Liebelt und sein Team kennen die Herausforderungen, den Alltag zu meistern zwischen Wohnungssuche, Aufenthaltsgenehmigungen und der Anerkennung von Berufsabschlüssen. Er kritisiert, dass Letzteres viel zu schleppend verlaufe, so dass Arbeitskräfte nicht schnell genug in den Arbeitsmarkt integriert würden. Allein die Wartezeit auf Sprachkurse sei viel zu lang. Das schade allen – Einheimischen und Flüchtlingen. Dabei sucht der Caritasverband in Ostthüringen selbst händeringend Pflegefachkräfte. „Die, die aus der Ukraine kommen, sind überwiegend gut qualifiziert“, so Liebelt.
Die nächste Hürde: In der Notunterkunft kam es zu Spannungen, nachdem im Juni 2022 die erste Roma-Familie aus der Ukraine ankam. Auf engem Raum treten Konflikte offener zutage. Die Caritas konnte den Roma mit Hilfe des Landratsamtes ab Februar 2023 eine seperate Unterbringung anbieten. Liebelt erzählt: „So ein Projekt funktioniert nur, wenn man eine Respektperson als Ansprechpartner hat, die von den Menschen auch akzeptiert wird.“ Da kam Aytac Ismailova zu Hilfe. In der Notunterkunft hatte sie die Romni Maiia Krycunenko kennengelernt, eine ältere Frau, die von allen geachtet wird. Sie war im August 2022 nach Altenburg gekommen und arbeitet inzwischen für das Projekt mit dem offiziellen Namen „Stärkung des Empowerments von geflüchteten Ukrainer*innen mit Romno-Hintergrund im Landkreis Altenburger Land“. Dabei spricht Maiia kaum Deutsch, aber die Zusammenarbeit funktioniere ausgezeichnet, sagt Volker Liebelt.
Aytac erzählt, dass es durchaus Vorurteile von Deutschen gab, Anschuldigungen konnten aber aufgeklärt werden. Ebenso hatten die Roma aus der Ukraine Angst, ihre Kinder in die Schule zu schicken. Aufgrund falscher Infos dachten sie, das Jugendamt würde ihnen die Kinder wegnehmen. Da konnten sie laut Aytac Vertrauen aufbauen. „Die meisten Roma-Ukrainer haben akzeptiert, dass es gut ist, was wir für sie tun“, sagt sie.
Volker Liebelt betont: „Die Sinti und Roma sind zwar eine relativ kleine Gruppe, aber eine vergessene Gruppe.“ Das gelte für Deutschland, aber eben auch für die Ukraine. Die Hildegard Lagrenne Stiftung (Berlin), die sich gegen Ausgrenzung der Sinti und Roma einsetzt, unterstützt das Projekt. Durch diese Zusammenarbeit kam es, dass Aytac und Maiia Anfang April den damaligen Europaabgeordneten Romeo Franz (Grüne) im Europaparlament besuchten.
Das gesellschaftliche Klima vor und nach den Landtagswahlen in Thüringen macht Volker Liebelt Sorgen. „Bei den Montagsspaziergängen sehe ich hassverzerrte Gesichter, es hängen russische Fahnen in der Stadt und als Höcke im Wahlkampf in Altenburg war, haben die Mülltonnen des ukrainischen Lokals gebrannt.“ Er fordert mehr finanzielle Unterstützung vom Bund – gerade dann, wenn Landesmittel gekürzt werden sollten.