Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
mit dem ersten Adventssonntag beginnt ein neues Kirchenjahr. Im Laufe eines Jahres begleiten wir unseren Herrn Jesus Christus von seiner Geburt über seinen Tod, seine Auferstehung und Himmelfahrt bis zur Herabsendung des versprochenen Heiligen Geistes. Das Tagesgebet des ersten Adventssonntags bringt zum Ausdruck, in welcher inneren Einstellung wir mit unserem Herrn Jesus Christus durchs Leben gehen: „Herr, unser Gott, alles steht in deiner Macht; du schenkst das Wollen und das Vollbringen. Hilf uns, dass wir auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegengehen.“ Dieses Gebet erinnert uns daran, dass wir nicht nur unser Leben Gott zu verdanken haben, sondern auch alles, was in unserem Leben gelingt. Das Ziel unseres Lebens ist die ewige Gemeinschaft mit Jesus Christus im Himmel. Der Weg dorthin führt über das ständige Bemühen um Gerechtigkeit.
Das vergangene Jahr war in unserem Bistum geprägt vom 103. Deutschen Katholikentag, der vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2024 in Erfurt stattgefunden hat. Ich danke nochmals allen, die sich für den Katholikentag engagiert und die an den Tagen in Erfurt teilgenommen haben. Es war ein Fest des Glaubens, bei dem wir auch in unsere Gesellschaft hinein ein Glaubenszeugnis gegeben haben.
Im neuen Jahr werden in unserem Bistum am 9. März 2025 die Wahlen für die Kirchenvorstände und Kirchorträte in den Pfarreien sein. Ich sage allen ein herzliches Dankeschön, die sich bisher in den Gremien der Pfarreien und des Bistums engagiert haben und engagieren. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam überlegen, beraten und entscheiden, wie das kirchliche Leben in den Pfarreien und im Bistum gestaltet wird. Papst Franziskus wirbt unermüdlich für ein synodales Miteinander in unserer Kirche, das auch bei den drei großen Weltsynoden in Rom zum Ausdruck gekommen ist. Daher möchte ich Sie herzlich bitten, sich auch in der neuen Amtszeit in unseren Gremien einzubringen. Wir werden in den kommenden Jahren wichtige Weichen stellen für die zukünftige Gestalt der Kirche in unserem Bistum. Wir stehen vor großen Herausforderungen. Auf der einen Seite schwindet die Religiosität in unserem Land immer mehr, auf der anderen Seite suchen die Menschen in verwirrenden Zeiten nach Halt und Trost – auch in unserem christlichen Glauben. Dem steht leider gegenüber, dass viel Gewohntes nicht mehr möglich sein wird, um den Glauben miteinander zu leben und zu feiern sowie das Evangelium den Menschen anzubieten.
Unsere finanziellen Ressourcen werden geringer. Alle deutschen Bistümer müssen sich auf sinkende Einkünfte einstellen. Deswegen wird der sogenannte „Solidarpakt Ost“, mit dem die Westbistümer uns seit der Wende großzügig finanziell unterstützt haben, im kommenden Jahr auslaufen. Die Kirchengemeinden wurden daher aufgefordert, zu überlegen, von welchen Immobilien sie sich trennen können, um dauerhaft Kosten zu sparen. Ich danke den Kirchenvorständen, die die Sorgen des Bistums mittragen und nach guten Wegen in die Zukunft suchen.
Wir werden in Zukunft mit weniger Personal auskommen müssen. Ich danke von Herzen allen, die mit ihrer Weihe und ihrem Beruf für die Menschen da sind: die Priester und Diakone, die Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, die Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, aber auch die Pfarrsekretärinnen und alle, die in den Pfarreien und im Ordinariat unersetzliche Arbeit leisten. Vor allem die Zahl der pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wird in den kommenden Jahren rückläufig sein. Es bereiten sich leider nicht genügend junge Menschen auf den Dienst als Priester, Gemeindereferentin oder Gemeindereferent vor, um diejenigen zu ersetzen, die in den wohlverdienten Ruhestand gehen. Unser Herr Jesus Christus hat uns deswegen den Auftrag gegeben: „Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet also den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden!“ (Mt 9,37f.) Wir dürfen also nicht aufhören, um geistliche und kirchliche Berufe zu beten. Beim Gebetstag für geistliche Berufe am Donnerstag vor dem Herz-Jesu-Freitag beten wir nicht nur um neue geistliche Berufungen, sondern wir beten auch für diejenigen, die schon einer geistlichen Berufung folgen und als Priester und Ordensleute in unserer Kirche und in unserem Bistum wirken. Wie wichtig ihr Dienst und ihr Glaubens- und Lebenszeugnis sind, sehen wir besonders jetzt, wenn wir überlegen müssen, wie wir mit weniger Priestern, Diakonen und pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Leben der Kirche in unserem Bistum gestalten.
Ich bin mir sicher, dass unser Herr Jesus Christus mit den Arbeitern, um die wir beten sollen, nicht nur Priester, Diakone und hauptamtliche pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeint hat, sondern auch getaufte und gefirmte Christen, die die Kirche mitgestalten und prägen. Die kleinste Zelle der Kirche ist die Familie als Hauskirche. Damit meine ich eine Familie, in der die Kinder abends gesegnet werden, in der das Tischgebet zu den gemeinsamen Mahlzeiten gehört und in der die Feier des Gottesdienstes einen festen Platz hat. Oder wie es im Eichsfeld-Lied heißt: „Das Haus, wo noch der Herrgott gilt und nicht nur, was den Magen stillt, wo felsenfester Glaube die Blicke hebt vom Staube.“ Viele Christen würden vielleicht gerne in einer solchen Familie leben, aber es hat sich in ihrem Leben anders ergeben. Ihr christliches Glaubens- und Lebenszeugnis kann allerdings segensreich sein für alle, mit denen sie in der Familie leben.
Arbeiter im Weinberg des Herrn sind auch diejenigen getauften und gefirmten Christen, die das Leben der Kirche vor Ort mitgestalten und sich an den Kirchorten, in den Pfarreien und in den katholischen Verbänden engagieren. Es hilft nicht, wenn wir nur von vergangenen Zeiten schwärmen, in denen es prächtige Prozessionen und große Wallfahrtsgottesdienste gab. Wir können die Kirche vor Ort nicht gestalten, wenn wir immer nur zurückblicken. Man kann ein Auto nicht fahren, wenn man nur in den Rückspiegel schaut. An vielen Orten leben heute schon engagierte Christinnen und Christen die Kirche vor Ort. Sie feiern Gottesdienste und Andachten, bieten Kindergottesdienste und Seniorennachmittage an, sie sprechen auch diejenigen an, die noch nicht zur Gemeinde gehören - kurz: Sie sorgen dafür, dass die Kirche im Dorf oder in der Stadt bleibt. Die Kirchorträte sind vielerorts lebendige Zellen kirchlichen Lebens oder wie Bischof Wanke sagte „Biotope des Glaubens“. Mit meinem Dank an sie alle verbinde ich nochmals meine Bitte, sich auch weiter in den Kirchengemeinden und in unserer Kirche zu engagieren, auch durch die Mitarbeit in den Gremien unserer Pfarreien und unseres Bistums.
Möge Gott auch weiter das Wollen und das Vollbringen schenken, damit wir in unserem Bistum auch in Zukunft an vielen Kirchorten unseren Glauben miteinander leben, teilen und feiern können und damit wir den Menschen, mit denen wir zusammenleben, auch weiter unseren Glauben anbieten können und sie einladen, mit uns auf dem Weg der Gerechtigkeit Christus entgegenzugehen. Das Heilige Jahr 2025 ermutigt uns mit seinem Leitwort, „Pilger der Hoffnung“ zu sein.
Es segne Euch der dreifaltige Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist.
Bischof Dr. Ulrich Neymeyr