Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
am Gründonnerstag wird uns mehr als bei anderen Eucharistiefeiern bewusst, wie sehr das Letzte Abendmahl verbunden ist mit dem grausamen Geschehen des Karfreitags. Beim gemeinsamen Mahl mit seinen Jüngern verändert Jesus die traditionellen jüdischen Tischgebete und deutet den Tod, den er am nächsten Tag sterben wird. Er ist nicht Schicksal oder himmelschreiende Ungerechtigkeit, sondern er ist Hingabe für Euch und für alle: Das ist mein Leib, der für Euch hingegeben wird, das ist mein Blut, das für Euch und für alle vergossen wird.
Es gibt verschiedene Interpretationen, wer mit „Euch“ gemeint ist. Im historischen Kontext des letzten Abendmahls waren es sicher die Apostel, die mit am Abendmahlstisch saßen. In einer beeindruckenden Betrachtung zu den Abendmahlsworten bezieht Papst Benedikt XVI. das Wort „Euch“ auf alle, die die Eucharistie mitfeiern:
„Das „für euch“ macht die Sendung Jesu ganz konkret für die Anwesenden. Sie sind nicht irgendwelche anonymen Elemente einer riesigen Ganzheit, sondern jeder Einzelne weiß, dass der Herr gerade für mich, für uns, gestorben ist. „Für euch“ reicht in die Vergangenheit und in die Zukunft hinein. Ich bin ganz persönlich gemeint. Wir, die hier Versammelten, sind als solche von Jesus gekannt und geliebt.“
Das Wort, dass Jesus sein Blut für alle vergossen hat, schließt uns auf jeden Fall mit ein. Wir lassen uns durch Umkehr und Glaube auf das Geschehen der Erlösung ein. Die Nähe zum Karfreitag macht uns dabei am Gründonnerstag besonders bewusst, dass die Eucharistie nicht nur eine Feier der Gemeinschaft mit dem Auferstandenen ist, sondern dass sie hineinzieht in das Geschehen des Karfreitags, das als Kreuzesopfer bezeichnet wird.
Jesus ist für uns gestorben. Von Anfang an haben die Christen den Tod als ein Opfer verstanden, das die Versöhnung mit Gott bewirkt. Es heißt im Hebräerbrief: „Jeder Priester steht Tag für Tag da, versieht seinen Dienst und bringt viele Male die gleichen Opfer dar, die doch niemals Sünden wegnehmen können. Dieser (Jesus) aber hat nur ein einziges Opfer für die Sünden dargebracht und sich dann für immer zur Rechten Gottes gesetzt“ (Hebräer 10,11-12).
Am Karfreitag opfert Jesus nicht Etwas, etwa Geld oder ein Tier, etwa ein Lamm. Solche Opfer gehörten zur jüdischen Tempelliturgie. Jesus opfert auch nicht einen Menschen, so wie Abraham bereit war, seinen Sohn Isaak zu opfern, sondern er opfert sich selbst. Die Theologen sprechen von „Selbsthingabe“. Wir werden wohl nie vollständig verstehen, warum das brutale Geschehen des Karfreitags der Weg zur Versöhnung der Menschen mit Gott ist. Wir spüren allerdings das Gewicht, das Gewalt, Brutalität und Hass haben, weil Jesus selbst sich diesen Unmenschlichkeiten ausgesetzt hat.
Durch die Worte, die Jesus beim letzten Abendmahl über Brot und Wein gesprochen hat, öffnet die Eucharistie die Frucht des Kreuzesopfers, die Vergebung der Sünden, auf uns hin. In der Eucharistie der Kirche geschieht in der Kraft des Heiligen Geistes das Gedächtnis seines Opfers. Dieses Gedächtnis ist aber nicht bloßes Andenken, sondern es zieht hinein in die Selbsthingabe Jesu am Kreuz und bringt uns die Frucht des Kreuzesopfers, wie es bei den Einsetzungsworten heißt: „Zur Vergebung der Sünden“. Das Konzil von Trient spricht von der Repräsentation und Applikation des Kreuzesopfers. Das heißt, von der Vergegenwärtigung und Zuwendung des Kreuzesgeschehens.
Wir spüren, dass aus dieser großen Gabe eine große Aufgabe erwächst. Johannes schreibt eindrücklich: „Daran haben wir die Liebe erkannt, dass er sein Leben für uns hingegeben hat. So müssen auch wir für die Brüder das Leben hingeben.“ (1 Johannes 3,16).
Ein solches Eintreten in das Opfer Jesu Christi ist nur in seltenen Fällen eine einmalige heroische Tat, in der sich ein menschliches Leben zusammenfasst und hingibt, wie etwas beim heiligen Maximilian Kolbe, der für einen jungen Familienvater in den Todeshungerbunker ging.
Die Regel ist es, sein Leben stückchenweise verbrauchen zu lassen, in der Sorge von Eltern für ihre Kinder oder von Kindern für ihre Eltern, im Beruf oder im sozialen Engagement. In dem kleinen Büchlein „Wir sind sein Leid“ schreibt der Mainzer Theologieprofessor Theodor Schneider: „Nach einem aufreibenden Leben als Seelsorger mit einem Herzinfarkt im Pförtnerbüro zusammenzubrechen, wie Julius Kardinal Döpfner, das hat mit Liturgie scheinbar gar nichts zu tun. Und doch ist es in einem ganz genauen Sinn das, was wir hier als Kern des eucharistischen Geschehens verdeutlichen wollten: Teilhabe an der Selbsthingabe Jesu Christi. Hermann Kardinal Volk, der früher Dogmatikprofessor in Münster war, gebraucht in diesem Zusammenhang in der Vorlesung oft eine eigenartige Formulierung. Er sagte: „Uns kostet es eine Stunde Zeit, Jesus aber hat es das Leben gekostet. Mit diesem verblüffenden Wortspiel ist gesagt, auf die Hingabe seines Lebens gibt es nur eine angemessene Antwort.““ (Seite 68).