Am Zeitpunkt der Novellierung des Kommunalabgabengesetzes und an der Wirksamkeit der vorgesehenen Kann-Regelungen über die Stundungsmöglichkeiten der Abwasserbeiträge bestehen aus kirchlicher Sicht erhebliche Zweifel.
Zwar werden von kirchlicher Seite die Absichten des Gesetzgebers grundsätzlich begrüßt, jedoch sind die Mehrheit der Regelungen in das Ermessen der Zweckverbände gestellt, etwa die Bildung von Verbraucherbeiräten.
Nach dem vorliegenden Gesetzentwurf werden die zinsfreien Stundungsmöglichkeiten für die Kirchen kaum noch möglich sein, da Kirchengebäude an öffentlichen Einrichtungen, Gemeindehäuser, Kindergärten, Jugendheime, Pfarrhäuser, Altenheime bzw. sozial-karitative Einrichtungen von dieser Möglichkeit ausgeschlossen werden sollen.
Die beiliegende Stellungnahme wurde dem Innenausschuss des Thüringer Landtages am 21. Juni 2000 im Rahmen der Anhörung vorgelegt.
Ordinariatsrat Winfried Weinrich
Leiter des Katholischen Büros
Stellungnahme des Kommissariates der Bischöfe in Thüringenzum Gesetzentwurf zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes und zur Einführung von Verbraucherbeiräten, Gesetz der Landesregierung - Drucksache 3 /727 -im Rahmen der Anhörung durch den Innenausschuss des Thüringer Landtages am 21. Juni 2000
Vorbemerkung:
Die nunmehr 4. Novelle des Thüringer Kommunalabgabengesetzes soll laut Gesetzesbegründung dazu beitragen, das Spannungsverhältnis zwischen dem erheblichen Finanzbedarf der kommunalen Aufgabenträger und der finanziellen Belastbarkeit der Beitragspflichtigen zu mindern bzw. durch die Möglichkeit der Bildung von Verbraucherbeiräten eine verbesserte Verständigung zwischen Bürgern und Zweckverbänden zu erreichen.
Aus kirchlicher Sicht werden diese Absichten des Gesetzgebers grundsätzlich begrüßt, jedoch bestehen erhebliche Zweifel am Zeitpunkt der Novellierung (Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes bezüglich der Behandlung der Beitragspflichtigen mit bestehenden und mit neu abzuschließenden Stundungsverträgen) bzw. an der Wirksamkeit der vorgesehenen Kann-Regelungen (Gewähr-leistung der Rechtssicherheit).
Zu den einzelnen Bestimmungen:
Zu ? 7b Stundung von einmaligen Beiträgen
Die Regelungen in den Absätzen 1 bis 6, die im Ermessen der Zweckverbände liegen, tragen durch ihre Kann-Bestimmungen nicht zur Gleichbehandlung der Beitragspflichtigen bzw. zur Rechtssicherheit bei.
Die unterschiedliche Praxis der Zweckverbände beim Abschluss von Stundungsvereinbarungen in den letzten zwei Jahren hat dieses Defizit bereits deutlich werden lassen.
Darüber hinaus stellt sich die Frage nach der Behandlung bestehender zinsgünstiger bzw. zinsfreier Stundungsverträge.
In den derzeit bestehenden Stundungsverträgen heißt es mit Bezug auf das 3. Gesetz zur Änderung des Thüringer Kommunalabgabengesetzes:
"? 7 Absatz 12a Satz 3 Thüringer Kommunalabgabengesetz schreibt vor, dass auf die Erhebung von Zinsen nur verzichtet werden kann, soweit das Land oder ein sonstiger Dritter dem Beitragsgläubiger den Zinsausfall erstattet. Werden keine ausreichenden Fördermittel vom Land gewährt, sind die Zinsen ganz oder teilweise vom Beitragsschuldner zu zahlen."
Welche Folge hat die Streichung des zitierten ? 7 Absatz 12a des derzeit gültigen Kommunalabgabengesetzes für die bestehenden Stundungsverträge?
Ist mit dem Wegfall der bisherigen Regelung der Verzicht auf die Erhebung von Stundungszinsen gegenstandslos geworden?
Sollte auf Grund der anstehenden Fragen vom Gesetzgeber für die bestehenden Stundungsverträge nicht eine Ü;bergangsregelung getroffen werden?
Zu ? 7b Absatz 6
Nach der bestehenden gesetzlichen Regelung ist es möglich, zinsfreie Stundungsverträge über Grundstücke abzuschließen, die sowohl mit Kirchengebäuden als auch mit Gemeindehäusern, Kindergärten, Jugendheimen, Pfarrhäusern, Altenheimen, Krankenhäusern bzw. sozial-karitativen Einrichtungen bebaut sind.
All diese Grundstücke mit ihren seelsorglichen und sozialen Einrichtungen vermitteln dem Eigentümer keine wesentlichen wirtschaftlichen Vorteile.
Die nun vorgesehene Kann-Bestimmung schränkt die zinsfreie Stundung in einem Maße ein, dass sie kaum noch genutzt werden kann, da auch Kirchengebäude, die an die öffentliche Einrichtung angeschlossen sind (beispielsweise Regenwasserableitung in eine leitungsgebundene Einrichtung), von den Regelungen des Absatz 6 ausgeschlossen werden.
Damit erhöht sich künftig bei Inanspruchnahme einer Stundung der Beiträge die Abgabenlast der kirchlichen und karitativen Einrichtungen.
Zu ? 26a Verbraucherbeiräte
Auch hier spricht die Begründung des Gesetzentwurfes nur von der Möglichkeit zur Schaffung von Verbraucherbeiräten, deren Bildung in das Ermessen der Zweckverbände gestellt wird.
An dieser Stelle wären eindeutige Regelungen notwendig, um nicht Erwartungen der Bürger über deren Einbeziehung in die Beiräte zu wecken, die bei Anwendung des Gesetzes enttäuscht würden.
Die in Absatz 3 vorgesehene Berufung der Mitglieder sollte noch einmal dahingehend geprüft werden, inwieweit bei verpflichtender Einführung der Verbraucherbeiräte diese durch Vertreter der Vereinigungen und Verbände besetzt werden können.
Unabhängig von der Einführung der Verbraucherbeiräte muss es auch weiterhin nach ? 13 der Thüringer Kommunalabgabenordnung möglich sein, dass dem Beitragspflichtigen auf Verlangen die Satzungen, Planungsunterlagen, Kosten und Aufwandsrechnungen vorgelegt werden.
Weiterhin stellt sich die Frage nach indirekten Kostenfolgen für die Verbraucherbeiräte hinsichtlich der Höhe und der Auswirkung auf die Beiträge?
Nachbemerkung:
Nach wie vor wäre es aus kirchlicher Sicht wünschenswert, wenn auch für die Begleichung der Straßenausbaubeträge (zinsfreie) Stundungsmöglichkeiten entsprechend den bestehenden Regelungen für leitungsgebundene Einrichtungen beständen.
Ordinariatsrat Winfried Weinrich
Leiter des Katholischen Büros
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