"Zeugen des Lichtes sein"

Predigt von Bischof Wanke anlässlich der Verabschiedung des Limburger Bischofs Franz Kamphaus


Der Wolfram-Leuchter im Erfurter Dom
Predigt von Bischof Wanke anlässlich der Verabschiedung des Limburger Bischofs...

Gehalten beim Vespergottesdienst im Limburger Dom am 2. Februar 2007, Fest der Darstellung des Herrn


Liebe Gemeinde hier im Limburger Dom und zu Hause an den Bildschirmen!


Was Stromausfall bedeutet, haben viele Menschen jüngst beim großen Sturm über Deutschland wieder eindringlich erfahren. "Helfen Sie uns, wir sitzen im Dunkeln!" Auf solche Bitten hin mussten die Technischen Hilfsdienste vielerorts ausrücken und Stromleitungen reparieren. Es ist nicht angenehm, auf Dauer im Dunkeln zu sitzen. Unsere hochtechnisierte Gesellschaft ist eine störanfällige Gesellschaft. Wir leben von Vorgaben, die nicht selbstverständlich sind.


Diese Erfahrung schafft eine Brücke zur Botschaft des heutigen Festtages. Da ist die Rede von einem anderen Licht, das in unsere Welt scheint. Der greise Simeon zeigt auf das in Bethlehem geborene Kind und bekennt: "Meine Augen haben das Heil gesehen, das du, Gott, vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel."


Mit Jesus Christus ist ein Licht in die Welt gekommen, das bedrohlichere Dunkelheiten vertreiben kann als jene, die ein Stromausfall verursacht. Hier geht es um ein Licht, das nicht nur unsere Wohnungen, Werkstätten und Büros erhellt, sondern unser Denken, Fühlen und Empfinden, unsere Beziehungen untereinander, unsere Gesellschaft insgesamt.


Lassen wir einmal diesen vom Licht erleuchteten Raum des Domes auf uns wirken. Wie von selbst erschließt sich durch das Betrachten und Schauen die äußere und innere Schönheit dieser Halle. Die Festlichkeit des Raumes verändert auch uns selbst. Sie stimmt unser Inneres festlich. Sie weitet uns das Herz.


Sicher, wir dürfen uns nicht täuschen. Hier geschieht keine magische Verwandlung von Wirklichkeit. Die Realitäten bleiben. Der Gottesglaube entfremdet uns nicht dem Alltag. Aber er verhilft uns dazu, mehr zu sehen als nur Ökonomie und materiellen Nutzen. Solche Stunden wie diese sind wichtig, weil sie uns die Kostbarkeit dieses Domes zu Bewusstsein bringen, eine Kostbarkeit, die sich nicht in Euros oder in Denkmal-Zertifikaten ausdrücken lässt.


Ist das nicht mit der Kirche als dem Bau Gottes in dieser Welt ähnlich? Wer von außen auf die Kirche schaut, sieht einen scheinbar rein menschlichen Bau. Derzeit sieht man vor allem eine Baustelle mit mancherlei Gerüsten und geschäftigen Bauleuten. Es ist lebenswichtig, hin und wieder - so wie etwa in dieser Stunde - die Kirche und uns, das Volk Gottes eingeschlossen, in das Licht von oben zu halten, in das Licht, das vom Evangelium ausgeht.


Dass wir gerufen sind zur Anbetung Gottes, dass wir eine Hoffnung haben über den Tod hinaus, dass wir nicht in Angst versinken müssen angesichts der Unwägbarkeiten und Dunkelheiten unserer Zeit - das dürfen wir in diesem Gottesdienst feiern. Wir dürfen in dieser Stunde unsere Herzen in diesem bleibenden Evangelium wieder neu befestigen. Das ist der Sinn der Kirche, dazu soll sie taugen - uns zu helfen, mehr zu sehen als jene, die meinen, mit sich allein zu sein.


Noch einmal. Es geht nicht darum, die Realitäten zu überspielen. Es geht nicht um erhebende religiöse Gefühle oder gar eine falsche Kirchenromantik. Die Aufgabe, Seelsorge und kirchliches Leben zeitgemäß und den Menschen nah zu gestalten, bleibt. Und ebenso bleibt die Herausforderung, die Welt gerechter und friedlicher zu machen. Aber wir werden diese Aufgaben nur meistern können, wenn uns aufgeht, was uns da eigentlich mit dem Geheimnis der Kirche und unserer Erwählung in Taufe und Firmung geschenkt ist. Das Evangelium sagt mir, wer ich bin. Und so kann ich wissen, wer ich sein soll.


Im Erfurter Dom steht eine altehrwürdige romanische Figur, ein Leuchterträger, der sog. Wolfram. Er hebt seit über 800 Jahren seine bronzenen Arme mit den beiden Kerzen empor und hält das Licht hinein in das Dunkel der Domhalle. Manchmal stehe ich nachdenklich vor dieser Figur und lasse mich beim Betrachten an meine Aufgabe als Bischof erinnern. Was soll und kann ich anderes sein - und mit mir zusammen alle Christusgläubigen - als ein Zeuge jenes Lichtes, das uns von oben geschenkt wird? Bischof Franz hat diesen Dienst für die Menschen hier im Bistum geleistet und er wird ihn auf andere Weise fortsetzen. Dafür sind wir ihm dankbar.


Was Simeon damals bezeugte, das ist auch unsere Aufgabe. Es braucht in diesem Bistum, in unserer Kirche in Deutschland, es braucht in unserer Gesellschaft insgesamt Lichtträger. "Helfen Sie uns, wir sitzen im Dunkeln!" Unser Land braucht nicht nur Technische Hilfswerke, sondern Geistliche Hilfswerke. Es braucht Menschen, die mehr sehen, die Größeres kennen als das, was da alltäglich auf den Marktplätzen dieser Welt verhandelt wird. Dort, wo der Gotteshorizont im Blick bleibt, rücken alle Dinge an ihren richtigen Ort. Dort, wo der Lichtschein des österlichen Glaubens in unser Leben fällt, wird auch in Karfreitagsstunden Halt und Bewahrung geschenkt.


Das ist Grund genug, jetzt in den Lobpreis Mariens, in das Magnifikat einzustimmen und den Weihrauch unseres Dankgebetes zum Himmel aufsteigen zu lassen. Amen.



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