Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens

Predigt von Diözesan-Administrator Weihbischof Reinhard Hauke am Ersten Weihnachtstag im Erfurter Dom



"Gott wendet sich den Menschen konkret zu." (Zachäus, Bild von Henry Likonde)


Welche Gedanken gehen uns heute durch den Kopf? Würde ich Sie heute fragen, dann könnte ich eine große Palette an Gedanken aufzählen, die von der Frage, "wie der Braten heute gerät", reichen wird bis hin zur Frage, wie man mit der Nachricht von der lebensbedrohlichen Krankheit eines Freundes umgehen soll. Bei mir ist es u.a. natürlich die Frage, wann wir einen neuen Bischof bekommen, denn es ist ja nun schon über ein Jahr Vakanz auf dem Erfurter Bischofsstuhl.

Im Advent dieses Jahres hatte ich die Gelegenheit, eine CD mit der Aufnahme des Messias von Händel zu hören. Beim Kaffeetrinken oder Zeitungslesen war das ein angenehmes Hören von Musik, die von der Hoffnung auf das Kommen des Messias berichtet und auch von seiner Bedeutung spricht. Dabei ist mir ein Chorsatz besonders wichtig geworden, der den Text aus dem Buch des Propheten Jesaja aufgreift, wo es heißt: "Denn es ist uns ein Kind geboren!" (Jes 9,5). In diesem Vers werden die Titel des Messias aufgezählt: Wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens. Ein Prophet darf ankündigen, was dem Volk Israel in Zukunft helfen wird. Es sind Titel des Messias´, die auf ein Friedensreich in dieser Welt und auf einen ewigen Frieden hoffen lassen. Der Evangelist Lukas deutet in seinem Evangelium im Gruß des Erzengels Gabriel an Maria auf die Erfüllung dieser Verheißung hin, wenn er vom "Sohn des Höchsten" spricht, der auf "dem Thron seines Vaters David" sitzt und dessen Herrschaft kein Ende haben wird (Lk 1,31f).

Wir hören diesen Bibeltext und die Musik von Georg Friedrich Händel in einer Zeit, in der uns wie schon in jedem Jahr an Weihnachten auch Nachrichten erreichen, die vom Unfrieden in der Welt berichten: seien es die Unruhen in der Ukraine wegen der Frage der zukünftigen Hinordnung auf Europa oder Russland, seien es die Studentenproteste in Frankreich und Spanien, seien es die Flüchtlingsdramen aus Syrien, die auch uns in Thüringen betreffen, weil wir über die Aufnahme von Flüchtlingen sprechen und nachdenken. Wegen dieser Nachrichten klingt der Inhalt dieser Botschaft des Jesaja, die vom künftigen Messias und von seinem Friedensreich handelt, so unwirklich, denn wir bekennen als Christen: Der Messias  i s t  schon gekommen und sein Friedensreich  h a t  schon begonnen. So stellt sich nun die berechtigte Frage, wo wir etwas spüren können vom Friedensreich, das uns der Messias Jesus Christus versprochen hat.

Es ist noch nicht allzu lange her, dass Unterschiede in der Hautfarbe oder auch in der unterschiedlichen Religion zu großen Konflikten und Ungerechtigkeiten geführt haben. Nelson Mandela, der vor wenigen Tagen gestorben ist, gilt als ein Beispiel für die neue Gesinnung, die für die Gleichberechtigung der Menschen, unabhängig von ihrer Hautfarbe und Religion, gekämpft hat. Auch in unsere Gemeinde kommen jährlich Menschen aus verschiedenen Ländern der Welt, um Gottesdienst zu feiern oder sich hier sogar anzusiedeln und in der Gemeinde Kontakt zu finden. Ich danke allen, die sich dafür einsetzen, dass hier eine Integration geschieht und die Pfarrgemeinde größer und bunter wird. Afrikanische und lateinamerikanische Krippendarstellungen finden wir in diesen Tagen in den Wohnungen. Sie erzählen von der Ü;berzeugung, dass Jesus Christus für alle Völker Mensch geworden ist und ihre konkrete Menschennatur als Afrikaner oder Lateinamerikaner angenommen hat. Das Gottesreich in seiner Vielfalt wird uns bewusst und wir dürfen staunen und danken für die Weite seines Geistes.

Ordensgründer wie der heilige Bruno von Köln, der den Kartäuserorden ins Leben gerufen hat, wollten damit eine Lebensform des Christen schaffen, in der die Orientierung auf Gott gefördert wird und die urchristliche Idee von Gemeinde lebendig bleibt. Das Versprechen der Armut sollte, wie auch das Versprechen der Ehelosigkeit und des Gehorsams gegenüber dem Oberen, die alleinige Ausrichtung auf den Willen Gottes zeigen. Ordensleute wissen jedoch auch zu gut, dass nicht immer dem Ideal entsprochen wird, aber die Voraussetzungen im Orden eher gegeben sind als im weltlichen Leben, wo eben auch andere Aufgaben zu erfüllen sind, die eine alleinige Ausrichtung auf Gott nicht möglich machen. Mein kurzer Aufenthalt in der Kartause Marienau bei Bad Wurzach in diesem Jahr anlässlich einer Diakonenweihe hat mir die Chance und auch die Herausforderung einer solchen monastischen Lebensform gezeigt. In einer Begegnung mit der Mutter eines jungen Mönches, dem ich dort die Diakonenweihe spenden konnte, wurde ich in meinem Eindruck bestätigt: Der Mönch - ihr Sohn - ist dort glücklich. Ich hatte zumindest den Eindruck gewonnen: Hier ist etwas zu spüren von der Freude an Gott und seiner Kirche, von der Freude am Himmelreich.

Wer Kinder erleben darf - in der Familie oder auch im Kindergarten -, der weiß auch diese Begegnungen zu schätzen als Fenster in den Himmel. Kinder reagieren natürlich auf Leid und Freude. Sie haben ein Urvertrauen, das ihnen die Fähigkeit zur Gemeinschaft schenkt und sie auch mutig neue Dinge ausprobieren lässt. Selbst dann, wenn es ihnen zu Hause nicht gut geht und die Sorge der Eltern viele Mängel zeigt, bleibt doch das Urvertrauen erhalten. Sie wollen bei den Eltern sein und diese Beziehung ist durch nichts adäquat zu ersetzen. Alle Hilfen, die wir im staatlichen und kirchlichen Bereich durch Kinder- und Jugendeinrichtungen geben können, sind eben nur Hilfen und kein Ersatz, so wertvoll sie auch sein mögen. Somit erscheinen mir solche Begegnungen wirklich wie ein Einblick in eine Welt, in der Gerechtigkeit und Liebe, Vertrauen und Geborgenheit herrschen und durch  nichts ersetzt werden können.

Mit der Weihnachtskollekte ADVENIAT unterstützen wir Hilfsprojekte in Lateinamerika, die jährlich in einem Umfang von über 30 Millionen Euro für mehr als 2000 Projekte nötig und möglich sind. Die Investitionen gehen vor allem in den Bereich der Bildung und Ausbildung. Lesen und Schreiben können ist noch nicht für jeden selbstverständlich. Wer aber nicht lesen und schreiben kann, ist oftmals Behörden hilflos ausgesetzt. Daher sind diese Investitionen bedeutungsvoll und zukunftsträchtig. In Brasilien konnte ich während des Weltjugendtages Hilfsprojekte besuchen, in denen Jungen und Mädchen eine Hilfe gegeben wird, die Freizeit sinnvoll zu gestalten, gesunde Ernährung zu lernen und das Glaubenswissen zu vertiefen. Menschen, die in sozialer Not sind, wurden in einer Poliklinik behandelt und auch unterrichtet, wie man mit Kräutern aus dem Vorgarten Heilmittel herstellen kann, die kein Geld kosten und wirksam sind. Diese Menschen bekamen neue Hoffnung und die frohen Gesichter haben etwas von der neuen Welt Gottes erahnen lassen.

Unser neuer Papst Franziskus beeindruckt bis heute mit seiner neuen Art des Papstdienstes. Sein Denken ist geprägt von seinem bisherigen Einsatz für Gerechtigkeit - besonders für Arme und Ausgegrenzte. Es gibt bei manchen Christen Verunsicherung, aber es gibt auch Hoffnung auf Veränderungen, die den Auftrag Jesu verlebendigen: Den Armen das Evangelium zu  verkünden. Innerhalb und außerhalb der Kirche erleben wir seelische und körperliche Not. Die Kirche hat die Aufgabe, Wunden zu verbinden - so sagt uns Papst Franziskus. Wie kann die Spannung zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ausgehalten und damit die Botschaft vom Kommen des Himmelreiches verständlich gemacht werden? Entscheidend ist die Liebe und Anerkennung des Menschen in seiner Unterschiedlichkeit und Würde.

Wunderbarer Ratgeber, Starker Gott, Vater in Ewigkeit, Fürst des Friedens wird der Messias genannt. Die Verbundenheit mit Jesus Christus, dem menschgewordenen Gottessohn, schenkt Sicherheit im Denken und Entscheiden. Wir werden erfahren, dass es bisweilen auch ein Kreuzweg sein kann, der dadurch entsteht, dass bisher unbekannte Wege gegangen werden und nicht alle mitgehen wollen. Letztlich hat sich erst nach Tod und Auferstehung Jesu gezeigt, dass es legitim ist, der Botschaft zu trauen, und dass es durch die Menschwerdung Gottes die Chance auf einen Neuanfang im Denken und Handeln gibt. Das Leben nach den Zehn Geboten oder nach dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe hat ein konkretes Gesicht im Kind von Bethlehem bekommen. Gott macht keine Sprüche, sondern handelt konkret und lebensnah. Er spricht nicht nur davon, dass er der Gott Abrahams, Issaks und Jakobs ist, sondern er wendet sich den Menschen konkret zu und wird ihnen gleich, außer der Sünde. Er ist ein lebendiger Gott, dessen Lebendigkeit im Kind in der Krippe erkennbar ist.

Wer nach Gott und seinem Friedensreich fragt, muss die Augen aufmachen. Gott und sein Friedensreich ist überall dort, wo wir uns wundern oder vielleicht sogar Protest anmelden wollen, weil es sich nach unserer Meinung nicht schickt, an diesem oder jenem Ort gegenwärtig zu sein. Wir hätten ihn vielleicht liebend gern auf unserem Weihnachtsmarkt oder in einem Gottesdienst mit festlicher Weihnachtsmusik. Ich bin sicher, dass wir ihn dort in jedem Fall finden können, aber es ist nicht ausgeschlossen, dass wir ihn auch an entlegenen Orten antreffen, wo vielleicht kaum einer gern hinsieht und wir sagen: Da ist nur ein Loch oder ein Stall, da ist nur Nazareth oder Lena mit 27 Einwohnern im Eichsfeld. Was kann von hier schon Besonderes kommen?

Ich wünsche uns ein waches Herz für die Zeichen seiner Stärke und Gegenwart in der Schwachheit und den kleinen Anfängen. Sie machen uns zuversichtlich und froh und geben uns die Gewissheit, dass der wunderbare Ratgeber, der starke Gott, der Vater in Ewigkeit und Fürst des Friedens lebendig ist. Amen.


25.12.2013