Stefan, Lucio und ich fahren viel durchs Land. Wir wollen möglichst viele unserer Jugendlichen besuchen, wollen hören und erleben, wie es ihnen ergeht. Wir haben in 3 Tagen 800 km zurückgelegt, zumeist in hohem Tempo, denn die Straßen sind breit und das Verkehrsaufkommen außerhalb der Ortschaften gering. Dabei bekommen wir, das ist uns nach den Begegnungen schnell deutlich geworden, immer nur einen kleinen Eindruck von den Erlebnissen unserer Gruppe, einiges möchte ich wiedergeben.
Viele Teilnehmer haben Schulen besucht. David berichtete, wie ihm ein Schulchor von 200 Kindern zum Geburtstag ein Ständchen gesungen hat. Mit Max, Christiane, Dominik und Anne besuchten wir eine Schule in einem Bergdorf. Der Weg dorthin ist eine Sandpiste, nicht umsonst landeten Max und Christiane auf der offenen Pritsche eines Pickup. Das Dorf mit neuer Schule, Kirche und festen Häusern selber ist erst 12 Jahre alt, die Infrastruktur ist in den letzten Jahren im ländlichen Raum Brasiliens ausgebaut worden. Nach einer ausführlichen Begrüßung durch den Schulleiter tanzten die Schüler Geschichten von Liebenden, die sich nicht finden, von Eifersucht und Happy End. Wir waren beeindruckt von den farbenfrohen, aufwendigen Kostümen, von den Choreografien und der Ausdauer, die die Schüler bei der Hitze bewiesen.
In mehreren Orten sind wir Deutschen nicht nur Gäste, sondern Missionare. In kleinen Teams mit brasilianischen Begleitern besuchen sie Familien, beten mit ihnen, segnen mit Weihwasser die Wohnung oder lassen einen Aufkleber da. Johannes und Paul waren in Caico zu Krankenbesuchen unterwegs und hörten mehrfach die Bitte: "Nehmt unser Anliegen mit nach Rio, tragt unsere Krankheit zu Papst Franziskus!"
Ich hab den Eindruck, wir sind nie pünktlich aber immer rechtzeitig. Als eine Hl. Messe um 19.30 Uhr beginnen sollte, nahmen Lucio und ich um 19.10 Uhr in der Nachbarschaft noch eine Einladung zum Abendessen an. So kamen wir eben erst 20 Uhr zur Kapelle, die bis auf den letzten Platz voll war. Eine Gruppe hatte mit Lobpreisliedern die Gemeinde eingestimmt und die Messe begann, dem Eindruck nach, für keinen zu spät. Auf dem Weg zu einem Dekanatstreffen in Carnauba dos Dantas machte Lucio mit uns noch einen Abstecher zu seinem Eltern. Die Mutter zeigte mir stolz das Foto der Primiz vor 8 Jahren, auf dem Lucio umringt von seinen Eltern mit seinen 14 Geschwistern zu sehen ist. Dass ausgerechnet in dieser Viertelstunde ein Postexpress vor der Tür hielt und den am Flughafen verschollenen Koffer mit den Trikots vorbeibrachte, konnten alle Beteiligten nur mit "Providentia, Providentia" quittieren. Das Dekanatstreffen hatte dann auch ohne uns schon begonnen. Wir trafen dort in einer vollen Kirche ca. 20 Teilnehmer unserer Gruppe und kamen rechtzeitig zum Friedensgruß, bei dem wir in überrascht erfreute Gesichter schauten: "Wo kommt ihr denn her?"
In Caico besuchten wir spontan ein Klarissenkloster. Die Schwestern lassen sich auch aus ihrer Siesta klingeln, begrüßten uns mit einem Lied und vergewisserten uns ihres Gebetes für den Weltjugendtag. Dass das Gespräch durchs Gitter stattfand, hatte ich nach einem Besuch von Klarissen letztes Jahr in Assisi nicht anders erwartet - die Herzlichkeit der Begegnung litt darunter keineswegs.
Es gibt in fast allen Orten ein ausgedrucktes Programm, das wir einmal sogar wie eine Speisekarte auf dem Tisch vorfanden - doch was ist gedrucktes Papier schon wert? Im Grunde ändert sich alles an jedem Tag. Das ist für viele nicht einfach: Auf was soll ich mich am Morgen einstellen? Was soll ich mitnehmen? Ach so, es gibt noch eine Einladung, wusste ich gar nicht! Auch die Verständigung ist wirklich eine Herausforderung. Und dass die Häuser immer voller Menschen sind, man uns beim reichhaltigen Essen stets zuschaut ... wie definiert der Brasilianer eigentlich Privatsphäre?
Lucio hatte eine Beerdigung in Jardim de Piranhas angenommen. Wir trafen dort auf Annemarie und Franziska, die uns erzählten, dass sie bei ihren Besuchen auch in einem Haus waren, wo eine Verstorbene aufgebahrt war. Im Requiem war es tatsächlich etwas irritierend, nicht auf ein Altarkreuz, sondern auf den Sarg mit einer Glasscheibe, der das Gesicht freigibt, zu blicken. Knapp 200 Leute waren gekommen. Die Musik kam von einer Combo, deren Musik so gleichmäßig seicht ist, dass sie mich permanent an La Paloma erinnerte. Am Ende der Messe hielten zwei Frauen der Gemeinde jeweils eine Rede auf den Verstorbenen. Die Angehörigen waren zu Tränen gerührt und ich dachte so bei mir: Keine schlechte Idee! Kennen doch Nachbarn oder weitere Verwandte einen verstorbenen Menschen oft besser als der Priester.
Im Anschluss an die Messe lernten wir zwei Brüder kennen, die auf vielen Festen mit Akkordeon und Elektrosounds PartyMusik machen und uns jeweils eine CD schenkten. Da der Platz in den Autos nicht ausreichte, beschlossen "Banda E2", Annemarie und Franziska heim zu fahren. Ach ja: der Band-Name leitet sich übrigens von U2 ab. Wenn das nichts ist ..!
Am Freitagmorgen war ein Kreuzweg zum Heiligtum auf einen Berg in der Nähe von Florania angesetzt. Im Programm stand: 4 Uhr in der Früh. Wir meinten im ersten Moment, dass da ein Druckfehler vorliegen müsste, dem war aber nicht so. Als wir kurz nach halb fünf eintrafen, waren schon ein paar Unverwüstliche da, auch ein Auto mit vielen Boxen auf dem Dach. Bis um 5 Uhr stießen noch andere dazu. Wir hörten, dass einige schon um 2 Uhr aufgestanden sind. Schließlich waren wir an die 70 Beter. Die Temperaturen sind zu dieser Zeit sehr angenehm, es läuft und betet sich gut den Berg hoch. Die Gemeinden wechselten sich ab, ein Holzkreuz von Station zu Station zu tragen. Für einen Sonnenaufgang oben waren wir dann doch zu spät dran, aber um halb acht war es schon so heiß, dass wir froh waren, den Berg wieder verlassen zu können. Das ganze Pfarrhaus in Florania legte sich für ein paar Stunden in Hängematten oder Betten ...
Mehr Informationen unter www.jugend-im-bistum-erfurt.de (bitte anklicken)
22.7.2013