Erfurt (BiP). Im Erfurter Dom sollen gefräßige Lagererzwespen Jagd auf Nagekäfer machen, um den eigenen Nachwuchs mit Futter zu versorgen. Die Wespen können nicht ahnen, dass ihr Tun eigentlich einem anderen Zweck dient. Die nur drei Millimeter großen Insekten helfen so, den Cranach-Altar im Seitenschiff des Dom-Langhauses vor dem Verfall zu retten.
Lucas Cranach der Ältere (geboren 1472) ist nach Dürer der bedeutendste deutsche Maler des 16. Jahrhunderts und schuf bis zu seinem Tod 1553 in Weimar unzählige Werke, die Weltruhm erlangt haben. Auch der Erfurter Dom ist im Besitz eines Cranach-Bildes. Es handelt sich um das auf Lindenholz gemalte Tafelbild "Verlobung der heiligen Katharina" aus den 1520-er Jahren. Seit 1948 hängt das Bild in einem barocken Altarretabel unter dem steinernen Baldachin in der Nordostecke des Langhauses.
Groß war das Entsetzen, als im November letzten Jahres aktive Nagekäfer (anobium punctatum) in der Holzeinfassung des Bildes festgestellt wurden. "Unsere Sorge galt weniger dem Altar als dem wertvolleren Tafelbild. Gott sei Dank scheint der Cranach nicht beschädigt zu ein", sagt Andreas Gold, Leiter des Bischöflichen Bauamtes. Das Amt reagierte unverzüglich mit einer Krisensitzung.
Ü;ber die generelle Notwendigkeit einer Schädlingsbekämpfung bestand schnell Konsens. Aber die Methode, wie man gegen die Nagekäfer vorgehen könne, wurde lange und intensiv diskutiert "Wir haben verschiedene Möglichkeiten gegeneinander abgewogen und uns letztlich für ein revolutionäres Verfahren entschieden", sagt Gold. Den Schädlingen will man biologisch zu Leibe rücken und zwar mit dem Erzfeind des Nagekäfers, der Lagererzwespe. Der eingeschlagene Weg ist so neu und interessant, dass die Bundesanstalt für Materialprüfung (BAM) Probekörper für die Ü;berprüfung der Maßnahme kostenlos zur Verfügung stellt.
Dazu kommt der gesamte Altar in ein luftdichtes Folienzelt, dessen Inneres auf die Bruttemperatur der Wespen aufgeheizt wird. In diesem "Biotop" setzt man die erwachsenen Wespen aus. Ihre Eier legen sie an den Körpern der Nagekäfer aus, die sie zuvor mit einem Stich gelähmt haben. Ist die Brut geschlüpft, frisst sie das Innere der Käferlarve auf, und das Dombauamt hat ein Problem weniger: Die Schädlinge im Cranach-Altar sind vernichtet - umweltfreundlich und mit geringem Zeit- und Materialaufwand. Und die Fachwelt hofft auf neue Erkenntnisse, denn so wie in Erfurt ist das Verfahren bisher noch nie durchgeführt worden.
Andreas Gold hofft auch, aber mehr auf eine erfolgreiche Schädlingsbekämpfung. "Neue Wege werden nicht unbedingt gleich beim ersten Mal erfolgreich beschritten. Aber wir sind sehr zuversichtlich", zeigt er sich trotz aller Vorsicht überzeugt.
Am kommenden Montag soll das Zelt aufgestellt werden, Ende Februar hofft man, mit der Käferaktion am Ende zu sein. "Wie immer die Geschichte auch ausgeht", meint Andreas Gold, "dem Cranach-Bild wird es keinesfalls schaden." Das hätte zumindest Lucas Cranach beruhigt.
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