Es ist noch relativ früh am Morgen. Und der Tag kommt so unschuldig schön daher. Die Sonne scheint und beleuchtet die ungebrochene Lust des Frühlings auf Farbe und Leben. An allen Ecken zwitschert es – kostenloses Konzert open air.
Ansonsten ist alles still – wie an einem Sonntagmorgen, an dem die Rollläden an den Fenstern später als gewöhnlich hochgezogen werden.
Aber es ist nicht Sonntag. Es ist Karfreitag. Genaugenommen ein schwarzer Tag, eigentlich der schwärzeste im Leben Jesu. Von dem der Tod ihn erlösen wird. Doch bis dahin hat er schlimmste körperliche Qualen auszuhalten. Und abgrundtiefen seelischen Schmerz. Gottverlassenheit – von den Menschen ganz zu schweigen.
Warum hat Gott das zugelassen? Warum in dieser entsetzlichen Brutalität? Das Warum hat keine Antwort.
Von seiner Menschwerdung bis zum Tod am Kreuz hat Gott alles durchgemacht, was Menschen widerfahren kann: bejubelt und verachtet werden, geliebt und gehasst. Er kennt den körperlichen Schmerz, bei dem man nur noch sterben will, die Tränen über den Verlust eines geliebten Menschen, die Angst vor der Zukunft, das Alleingelassenwerden...er weiß aus eigener Erfahrung , was es bedeutet, durch die Hölle zu gehen...
Wer verstünde mehr meine Nöte, Klagen und Tränen?
Text: Andrea Wilke