Schritte der Ausgestaltung des Verhältnisses
zwischen Staat und Kirche im Freistaat Thüringen
Ansprache von Ordinariatsrat Winfried Weinrich
Leiter des Katholischen Büros Erfurt
Sehr geehrter, lieber Herr Bischof,
verehrte Frau Landtagspräsidentin,
verehrter Herr Kultusminister,
sehr geehrter Herr Pater Langendörfer,
meine Damen und Herren, liebe Gäste,
zunächst möchte ich Ihnen, lieber Pater Langendörfer, für Ihren klaren und engagierten Vortrag herzlich danken.
Sie haben in die grundsätzlichen Fragen des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche eingeführt und uns zugleich (anhand von konkreten Beispielen) die Augen geöffnet für Probleme der modernen Entwicklung in unserem Lande und im vereinten Europa.
Ich darf auch Ihnen, verehrte Frau Landtagspräsidentin und verehrter Herr Kultusminister für Ihre wohlmeinenden und freundlichen Grußworte herzlich danken. Sie haben damit seitens des Thüringer Landtages und der Thüringer Landesregierung deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sich in unserem Bundesland ein offenes und vertrauensvolles Verhältnis zwischen Staat und Kirche zum Wohle des Einzelnen und der Gemeinschaft entwickelt hat.
Verehrte Damen und Herren,
gestatten Sie mir, in einem den ersten Teil des Abends abschließenden kurzgehaltenen Rückblick auf einige Marksteine der Ausgestaltung des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche im Freistaat Thüringen einzugehen.
Fast zeitgleich mit dem Beginn der parlamentarischen Arbeit (nach den Wahlen zur
1. Wahlperiode des Thüringer Landtages) wurde im Januar 1991 durch den Bischof in Erfurt in Absprache mit den Bischöfen von Dresden-Meißen und Fulda das Katholische Büro errichtet.
Die vor der Kirche liegende Aufgabe der Ausgestaltung eines partnerschaftlichen Verhältnisses zum Staat, dem sie in Eigenständigkeit und in freiheitlicher Kooperation begegnen sollte, machte diese Kontaktstelle zur Landesregierung, zum Landtag bzw. zu Parteien und gesellschaftlichen Verbänden erforderlich.
Starthilfe leisteten dabei die Katholischen Büros Mainz und Bonn mit ihren langjährigen Erfahrungen. Dafür möchte ich Dank sagen.
Danken möchte ich an dieser Stelle auch Herrn Generalvikar Dr. Jelich, der im ersten Jahr die Leitung des Katholischen Büros inne hatte und die Anfangsphase aktiv mit Rat und Tat begleitet hat.
Insbesondere die Arbeit der ersten Jahre war geprägt durch eine Vielzahl von Stellungnahmen im Rahmen von Anhörungen in den Ausschüssen des Thüringer Landtages zu Gesetzentwürfen, die das Fundament für eine freiheitlich demokratische Rechtsordnung in Thüringen legen sollten.
(So bat 1990, 3 Tage vor Weihnachten, die damalige Kultusministerin Frau Lieberknecht kurzfristig Herrn Bischof Wanke um eine Stellungnahme zum vorläufigen Bildungsgesetz für Thüringen. Drei Wochen später lag die erste Stellungnahme des Katholischen Büros vor. Bereits acht Wochen später - im März 1991 - hatte der Landtag bereits das Gesetz beschlossen.)
Die Beispiele ließen sich fortsetzen.
Meist kurzfristig wurden immer auch die Kirchen gebeten, ihre Anliegen in den Gesetzgebungsprozess einzubringen und zu Regelungen im Sinne des Gemeinwohls beizutragen: etwa in den Bereichen Schule und Hochschule, Sonn- und Feiertagsschutz, Erwachsenenbildung, Denkmalschutz, soziale Dienste, öffentlich-rechtlicher oder privater Rundfunk.
Ich möchte die Gelegenheit hier nutzen, einmal rückblickend meinen Respekt und meine Hochachtung vor der Fülle an geleisteter Arbeit durch Legislative und Exekutive - insbesondere in der 1. Legislatur des Thüringer Landtages - zum Ausdruck zu bringen.
Ein besonderer Schwerpunkt im Rahmen der Gesetzgebung war die Begleitung der Entstehung der Landesverfassung durch eine ökumenische Arbeitsgruppe über einen Zeitraum von 3 Jahren.
Bereits im November 1990 gegründet, legte die Arbeitsgruppe schon im Februar 1991 Empfehlungen und Vorschläge der Kirchen für Teile einer Thüringer Verfassung allen im Landtag vertretenen Fraktionen vor und begleitete über Hintergrundgespräche und Anhörungen das komplizierte parlamentarische Verfahren.
Es ist gewiss auch den Bemühungen der ökumenischen Arbeitsgruppe mit zu verdanken, dass in der Präambel der Verfassung von der "Verantwortung vor Gott" die Rede ist.
Ein herausragendes Ereignis für die katholischen Christen in Thüringen war die Gründung des Bistums Erfurt im Jahr 1994. Dabei konnte das Katholische Büro die notwendigen staatskirchenrechtlichen Verhandlungen mit begleiten und mit gestalten, die in den Bistumserrichtungsvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen mündeten.
Im gleichen Jahr konnte zwischen den Bistümern und dem Land Thüringen eine Vereinbarung über die Seelsorge im Strafvollzug zum Abschluss gebracht werden. Damit ist in den Justizvollzugsanstalten für die Gefangenen insbesondere die Feier von Gottesdiensten, die Spendung von Sakramenten, Einzel- und Gruppengesprächen sowie sozial-karitatives Handeln durch unsere Seelsorger gewährleistet.
Ebenfalls im Jahr 1994 war es möglich, einen Vertrag über den Einsatz kirchlicher Lehrkräfte im schulischen Religionsunterricht abzuschließen.
In Bindung an den Verfassungsauftrag, durch schulischen Religionsunterricht religiöses Wissen und Wertvorstellungen zu vermitteln, zu dem sich der Freistaat Thüringen eindeutig bekennt, trägt die genannte Vereinbarung dazu bei, die Erteilung des Religionsunterrichtes durch kirchliche Lehrkräfte im Rahmen der Möglichkeiten an den öffentlichen Schulen mit zu gewährleisten.
Zur gleichen Zeit ist es gelungen, auch eine Regelung zwischen Staat und Kirche über die Seelsorge in der Polizei und über die Wahrnehmung des berufsethischen Unterrichtes zu treffen.
Hervorzuheben ist in dieser Aufzählung der Staatsvertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat Thüringen, der nach umfänglichen Verhandlungen am 11. Juni 1997 unterzeichnet werden konnte.
Dieser Vertrag regelt grundlegend die Staat und Kirche gemeinsam betreffenden Bereiche und stellt ein zuverlässiges Fundament für eine vertrauensvolle Kooperation zwischen den Partnern dar.
All die genannten Vereinbarungen und Verträge setzten immer wieder Verhandlungs- und Gesprächsbereitschaft auf allen Seiten voraus.
Ich möchte an dieser Stelle den staatlichen Gesprächspartnern dafür danken, dass die Türen des Landtages und der Ministerien für die Anliegen der kirchlichen Seite stets offen standen und immer wieder das Bemühen um gemeinsame Lösungen erkennbar war.
Ich hoffe, dass diese Offenheit und Bereitschaft zum Gespräch auch künftig das Verhältnis zwischen Staat und Kirche prägen wird.
Die Arbeit einer Kontaktstelle beinhaltet neben der Wahrnehmung von Anhörungen und der Begleitung von Verträgen und Vereinbarungen das Schaffen von Räumen für den Dialog zwischen Kirche, Staat und Gesellschaft über aktuelle gesellschaftspolitische und sozialethische Themen.
Immer wieder haben Hintergrundgespräche - oft in ökumenischer Gemeinsamkeit - mit Politikern, Wissenschaftlern, Gewerkschaftlern, Vertretern der Wirtschaft und Theologen dazu beigetragen, soziale und bildungspolitische Themen, Fragen des Sonn- und Feiertagsschutzes, familienpolitische oder bioethische Fragestellungen auszutauschen und zu vertiefen. Hier sehe ich auch für die Zukunft eine besondere gemeinsame Herausforderung auf uns zukommen.
Dienst im Katholischen Büro bedeutet, über Interessenvertretung hinaus auch seelsorglich tätig zu sein: etwa durch die monatliche ökumenische Andacht im Thüringer Landtag, durch die regelmäßige Einladung zum Gebetsfrühstück oder durch das persönliche Gespräch.
Das Stichwort Ökumene ist bereits mehrfach gefallen: gerade in einer säkular geprägten Gesellschaft ist es wichtig, dass die Kirchen bestimmte Anliegen gemeinsam vertreten. Auch im Dialog der Kirchen mit dem Landtag und der Landesregierung hat sich dieser Grundsatz bewährt und dazu beigetragen, ein gutes Verhältnis zwischen Staat und Kirche zu entwickeln.
Ich erlaube mir deshalb, sowohl meinem früheren Kollegen Herrn Kirchenrat Bär, als auch seiner Nachfolgerin, Frau Kirchenrätin Bomm, ganz herzlich für die fruchtbare Zusammenarbeit in den letzten 10 Jahren zu danken und ich hoffe auch weiterhin auf ein vertrauensvolles Miteinander.
Danken möchte ich hier auch für die Unterstützung der Arbeit des Katholischen Büros durch die zu vertretenden Bistümer Erfurt, Fulda und Dresden, ausdrücklich danke ich Ihnen, lieber Herr Bischof Wanke.
Rückhalt, Freiraum und unkomplizierte, wenn nötig auch eine schnelle Abstimmung mit kirchlichen Einrichtungen habe ich stets erfahren. Sie sind für die Arbeit einer Kontaktstelle dringend notwendig.
Ich möchte es nicht versäumen, meiner Mitarbeiterin Frau Willwohl Dank zu sagen. Ein gutes Arbeitsklima und ein verlässliches Miteinander machen es leichter, schwierige Aufgaben anzugehen und zu lösen.
Abschließend danke ich Frau Cordula Frick und Herrn Andreas Willwohl für die beeindruckende musikalische Gestaltung des Abends und ich wünsche uns im Anschluss an das noch folgende Musikstück gute Gespräche und Begegnungen bei Speis und Trank in der Bildungsstätte St. Martin.
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