Was Elisabeth uns geschenkt hat

Predigt von Bischof Wanke im Festgottesdienst zum Abschluss des Elisabeth-Jahres im Bistum Erfurt


Predigt von Bischof Wanke im Festgottesdienst zum Abschluss des Elisabeth-Jahres im Bistum Erfurt

Das Elisabethjahr, das wir im November des vergangenen Jahres eröffnet hatten, geht nun mit dem heutigen liturgischen Gedenktag unserer heiligen Bistumspatronin zu Ende. Allenthalben wird Rückschau gehalten, die Veranstaltungen werden noch einmal in Erinnerung gerufen, das Gelungene und weniger Gelungene des Gedenkjahres bilanziert.


Wir wollen es heute einmal umgekehrt halten. Wir wollen nicht fragen, was wir alles Elisabeth als Geburtstagsgeschenke in diesem Jahr überreicht haben, sondern was sie in diesem Jahr unserem Bistum geschenkt hat. Das mag eine etwas ungewohnte Perspektive des Rückblicks sein, aber beim näheren Nachdenken zeigt sich, dass wir vermutlich mehr empfangen als gegeben haben. Und damit meine ich nicht nur den touristischen Boom, den Elisabeth Thüringen beschert hat.


Wofür haben wir Elisabeth zu danken?


Mir sind - wie könnte es anders sein - sieben Ermutigungen eingefallen, die unsere Patronin dem Gottesvolk des Bistums gegeben hat. Sie hat uns gezeigt:



1. In uns steckt mehr Gutes als wir meinen!


Das Gedenkjahr hat in den Gemeinden, Verbänden und Gruppen erstaunliche Initiativen ausgelöst. Jung und Alt waren damit beschäftigt, Elisabeth den Geburtstagskorb mit Werken konkreter Barmherzigkeit zu füllen. Kindergärten malten und sangen für andere, Jugendliche starteten Projekte und führten Musicals auf, Schulen und Verbandsgruppen setzten Zeichen der Solidarität. Und selbst Seniorengruppen fingen an, nicht nur ihre eigenen Probleme zu besprechen, sondern sich um die Nöte anderer zu kümmern. Eine Welle an konkreter Barmherzigkeit, von einem Einzelnen kaum überschaubar, ging durch unser Bistum, unser Land.


Sind die Menschen vielleicht doch besser als wir meinen? Ist es Elisabeth gelungen, auf ihrem Weg durch unsere Gemeinden die guten Seiten in vielen hervorzulocken? Das gibt es ja: Dass andere uns helfen, das Gute in uns zu entdecken. Das hat Elisabeth getan. Und das hat nicht nur andere zum Staunen gebracht, sondern auch uns selbst.

Was hat Elisabeth in diesem Jahr bewirkt? Sie hat uns spüren lassen:



2. Wir werden gebraucht!


Es gibt nichts Wichtigeres für Menschen als die Erfahrung: ich werde gebraucht. Das Schlimme an der Arbeitslosigkeit ist die Erfahrung, nicht gebraucht zu werden, angeblich zu nichts nütze zu sein. Aber das gilt auch sonst für andere Bereiche meines Lebens. Der Mensch fängt an aufzublühen dort, wo er spürt: Ich werde gebraucht. Ich bin hier am rechten Ort. Andere rechnen mit mir, warten auf mich, schätzen meinen Einsatz.


Das hat Elisabeth in diesem Jahr reichlich bewirkt: Dass Menschen entdeckt haben, dass sie nicht nur geben, sondern im Geben selbst reich werden. Dafür haben wir (!) ihr zu danken. Elisabeth hat uns die alte Wahrheit neu entdecken lassen: Wer sein Leben bewahrt, wird es verlieren; wer es aber verliert - um der Menschen, um Christi willen, der wird es bewahren. Viele von uns haben das wieder entdeckt, und zwar auf ganz unaufdringliche Weise. Sie haben nicht nur anderen gesagt: Es ist gut, dass es dich gibt. Sie haben dieses Wort an sich selbst gerichtet gehört: Es ist gut, dass Du nach mir schaust, dass Du für mich da bist, dass ich an Dir einen Halt habe. "Ihr werdet gebraucht!" - das hat uns Elisabeth zugerufen - "wie ich damals für die Menschen meiner Zeit, so werdet ihr gebraucht für Thüringen und seine Menschen heute!"


Wofür haben wir Elisabeth zu danken? Sie hat uns erkennen lassen:



3. Barmherzigkeit macht schön!


Ja: Unsere Gemeinden und Kommunen im Thüringer Land sind in der Nachahmung Elisabeths heller, menschlicher geworden. Wirkliche Schönheit kann es ohne Güte des Herzens nicht geben. Wir schauen nicht gern in den Spiegel, wenn wir gerade einem anderen eine berechtigte Bitte abgeschlagen oder uns an seinem Problem vorbeigedrückt haben. Die von Gott her gespeiste Barmherzigkeit hat ein freundliches, liebenswertes Gesicht. Merkwürdigerweise: für alle Menschen!


Ich gebe zu: Hier geht es nicht um eine Schönheit, die in Kosmetiksalons produziert wird. Aber wenn wir uns die Nähe von Menschen aussuchen könnten: Was würden wir bevorzugen? Schönheit, die ein dauerndes Make-up braucht, oder Schönheit, die von einem barmherzigen Inneren ausgeht? Es gibt mehr schöne Menschen als wir meinen. Liebenswürdigkeit, die aus einem gütigen Herzen stammt, hat auch heute ihre Anziehungskraft - über die Konfessionsgrenzen hinaus. Elisabeth hat vielen zu solcher Liebenswürdigkeit verholfen. Dafür haben wir ihr zu danken.


Das Elisabethjahr hat uns in Erinnerung gerufen:



4. Mit Gott leben ist wie eine belebende, durchtragende Freundschaft.


Ich weiß nicht, ob ich mir das einbilde: Ich habe im Elisabethjahr weniger griesgrämige Christen getroffen. Wenn es um das Elisabethjahr ging, etwa die durchaus strapaziösen Vorbereitungen zur großen Elisabethwallfahrt im September, da waren nicht Klagen und Jammern dominierend. Irgendwie waren alle trotz hohen Einsatzes und zeitraubender Vorbereitungen fröhlicher als sonst, die Hauptamtlichen und die Ehrenamtlichen, die Priester und die Laien. Und selbst Nichtchristen ließen sich auf ein Mittun ein, ohne nach ihrem eigenen Nutzen dabei zu fragen.


Ob Elisabeth doch so eine Art Wunderwaffe hat, mit der sie der Trägheit unserer erbsündlichen Natur ein wenig aufhelfen kann?

Es ist wohl ihre fröhliche Art, von Gott alles zu erwarten - und sich so von den irdischen Mängeln und Widerwärtigkeiten nicht unterkriegen zu lassen. Ihre Gottes-, ihre Christusfreundschaft hat sie selbst in schlimmen Tagen aufrecht gehalten. An Gott zu glauben, auf ihn zu setzen ist kein Joch, sondern Kraftquelle - eben wie eine Freundschaft, auf die man setzen kann, in guten wie in bösen Tagen.


Und damit hängt eng das nächste Geschenk zusammen: Elsabeth hat uns gezeigt:



5. Hoffnung erwächst aus Zuwendung


Und das meint: Nicht das berechnende Kalkül, das Erfolgsaussichten einschätzt, ist die Hoffnung, die uns trägt. Natürlich gibt es auch eine solche, menschlich-allzumenschliche Hoffnung. Aber die enttäuscht auch oft genug. Der Arbeitsplatz ist doch nicht so sicher und die Wirtschaftsprognosen lassen doch zu wünschen übrig. Und dann kommt es doch anders, als andere und ich mir selbst es ausgemalt habe.


Wirkliche Hoffnung erwächst aus der Zuwendung, die ich durch andere erfahre und anderen schenke. "Dass ich Dich habe!" - diese Erfahrung gewährt Hoffnung. "Dass Du treu zu mir stehst!" - diese Gewissheit vertreibt Wolken, die in keiner Ehe ausbleiben. Die meisten Kinder in unserer Gesellschaft sind glücklich, so hat es jüngst eine Befragung festgestellt. Aber warum? Nicht, weil sie alles haben, sondern weil sie Eltern haben, die sie lieben, und Geschwister, die zu ihnen stehen. Hoffnung erwächst aus Zuwendung. Solche Zuwendung zu erfahren, ist ein Geschenk. - Und auch das hat Elisabeth uns gezeigt:



6. Wer den Himmel ernst nimmt, wird für die Erde tauglich.


Das ist auch eine Quintessenz des Elisabethjahres. Gemeinhin steckt in den Köpfen vieler Menschen die Vorstellung: Der religiöse Mensch macht sich untauglich für das wirkliche Leben. Elisabeths Biographie zeigt uns das Gegenteil. Und das haben wohl so manche, von der alten DDR-Ideologie und ihrer Religionskritik beschädigten Thüringer mit Staunen entdeckt. Es ist wohl doch nicht so, dass Religion und Himmel nur etwas ist für "Engel und die Spatzen", wie einst Heine gespottet hat. Es ist wohl eher anders: Wer keinen Himmel kennt, bekommt mit der Erde Probleme. Und wer Gott ausblendet, versteht sich selbst nicht mehr. Als Bischof bin ich dankbar: Elisabeth hat in diesem Jahr besser gepredigt als ich. Was will ich mehr?


Und schließlich ein letztes Geschenk, für das wir Elisabeth danken dürfen. Sie hat uns die Erfahrung ermöglicht:



7. Im Miteinander wird alles leichter.


Wieder steht als Hinweis für diese Erfahrung vor mir das gelungene Bistumsfest im September. Ohne das Mittun, Mitdenken und gemeinsame Handeln so vieler wäre dieses Fest nicht gelungen. Ich denke an die vielen Zelte und Stände mit ihren Programmpunkten und Beiträgen: Dass ein Weihbischof einmal auf der Geige spielt und ein Bischof mit jugendlichen Preisträgern eines Wettbewerbs Pizza essen geht - und dass ein Bundespräsident mit uns zusammen auf dem Domplatz das Vater Unser betet: Das gibt allen Mut, den Weg des Alltags weiterzugehen, auch wenn dieses Jahr nun vorbei ist.


Und das gilt für so manche Fragen, die vor uns als Bistum, aber auch vor uns als politische Gesellschaft stehen: Wir werden nicht als Einzelne bestehen, sondern nur im Miteinander. Ansteckung zum Guten, Antrieb und Schwung, Herausforderungen zu meistern, gemeinsam als Kirche und Gemeinden in einer neuen Zeit, unter ungewohnten Bedingungen auf dem Weg zu bleiben - das wird nur im Miteinander gelingen, so wie eben Elisabeth uns in diesem Jahr zusammengeführt und zusammengehalten hat und darum dieses Geburtstagsjahr so gut gelungen ist.


Also doch: Dank an die hl. Elisabeth - nicht nur für gefüllte Hotelbetten und gut besuchte Ausstellungen. Danke, Elisabeth,


- dass du das Gute in uns hervorgelockt hast,

- dass du uns hast spüren lassen: Wir werden gebraucht,

- dass du viele Menschen durch Barmherzigkeit liebenswürdiger gemacht hast,

- dass du uns das Verhältnis zu Gott als Freundschaft erschlossen hast,

- dass du uns menschliche Zuwendung als Quelle von Hoffnung begreiflich gemacht hast,

- dass du uns gelehrt hast, dass der Blick zum Himmel nicht der Erde entfremdet,

- und dass du uns ermöglicht hast zu spüren: Das Miteinander macht stark, gibt Phantasie und Schwung und steckt zu allem Guten an.


Ist das nicht eine Bilanz, die sich sehen lassen kann? Deo gratias. Amen.



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