Was nicht funktioniert, fallen lassen

Rückblick einer Teilnehmerin am Diözesanforum

 

Bischof Neymeyr stellt anhand einer Grafik die anzunehmenden Zahlen der Priester und hauptamtlichen Mitarbeiter:innen in der Pastoral im Bistum bis ins Jahr 2040 vor; Foto: Eckhard Pohl

Es ist jetzt schon fast zwei Wochen her, dass in Erfurt ein Diözesanforum stattfand. Ich war angemeldet, denn die Einladung zur Teilnahme erging ausdrücklich nicht nur an den Gemeindereferent:innenrat, den Priesterrat und den Katholikenrat (dieser ist Vertreter der größten Gruppe im Bistum, nämlich der Laien), sondern an alle aus den Pfarreien und Kirchorten, die zu bestimmten Themen mitreden und ihre Gedanken einbringen wollen. Gut 30 Personen inklusive Bischof, Weihbischof und Generalvikar sind gekommen. Nicht wirklich viele, aber hatte nicht auch Jesus mit sogar weniger als der Hälfte Großes bewegt? Was mich besonders freut: die prozentual größte Gruppe ist die der Jugendlichen.

Am Abend des ersten Diözesanforumtages geht es los, und zwar mit Tischgruppen und dem Tagesevangelium und anschließenden Fragen zum eigenen Glauben. Ich hatte es schon im Programm gelesen und bin zugegebenermaßen skeptisch. Dort steht nämlich: „thematische Arbeit: Unsere Situation wahrnehmen im Hören auf Gottes Geist und die Anderen.“ Wird der Abend mit dem Gefühl „Schön, dass wir wieder einmal darüber gesprochen haben“ enden? Doch wieder einmal bestätigt sich für mich, dass das gemeinsame Lesen eines Bibeltextes unglaublich wertvoll ist und keineswegs Verschwendung kostbarer Sitzungszeit. Zuerst wird der Text gelesen, wer mag, nennt einzelne Worte oder Sätze aus dem gehörten Text, die für ihn – positiv oder negativ – eindrücklich waren. 

Der Bibeltext hat mich anfänglich richtig sauer gemacht. Jesus erzählt darin von einem reichen Mann, dem zugetragen wird, dass ihn sein Verwalter übers Ohr haut. Als dieser Betrüger nun mitbekommt, dass er gefeuert wird, überlegt er. Zu schwerer Arbeit taugt er nicht, betteln will er nicht – also was tun? Damit ihm die Leute in seiner Not helfen, ruft er alle Schuldner seines Herrn flugs zu sich und korrigiert deren Schuld großzügig nach unten.  Jesus lobt die „Klugheit des unehrlichen Verwalters und sagte: „Die Kinder dieser Welt sind im Umgang mit ihresgleichen klüger als die Kinder des Lichtes“. (Lk 16, 1-8)

In der Tischgruppe (ca. sechs Personen) kann jeder etwas zu dem Text sagen. Alle anderen hören zu. Kommentare wie „Das siehst du aber völlig falsch/richtig“ verbieten sich. Alle beteiligen sich am Gespräch, auch die Jugendlichen. Ich finde es toll, wie ernsthaft sie sich mit dem Bibelwort auseinandersetzen. Manche Äußerung ist für mich abenteuerlich. Aber: Mund halten, zuhören, stehenlassen. Und plötzlich verstehe ich, was dieser Text mir sagen will: da ist ein Mensch (der Verwalter), der in einer Sackgasse steckt. Aber er steckt angesichts der Bedrängnis, der er sich ausgeliefert sieht, den Kopf nicht in den Sand. Er analysiert die Lage und sucht nach einer Lösung. Davon kann ich mir eine Scheibe abschneiden anstatt mich von den aktuellen Bedrängnissen meiner kleinen und der großen Welt lähmen zu lassen. Und das passt so gut in die Situation, in der wir uns als Kirche bzw. im Bistum Erfurt befinden. Die finanziellen Ressourcen werden kleiner, die Zahl der tätigen Priester nimmt ab, bei den Gemeindereferent:innen sieht es nicht viel besser aus. Aber alles kein Grund, darüber nur zu klagen. Es machen wie der Verwalter: hinsetzen, Lage checken, Pläne schmieden. Davon gab es dann am nächsten Tag mehr.

Dem Bibelgespräch schlossen sich noch weitere Fragen an. Welche Menschen, Orte, Forme(l)n helfen mir, meinen Glauben zu leben zu können? Was brauche ich für meinen Glauben von anderen? Was brauchen andere von mir für ihren Glauben? Bei solchen Fragen, will man sie nicht leichtfertig oder phrasenhaft beantworten, kommt man schon ins Nachdenken, aber auch in wunderbare Gespräche mit Tiefgang. 

Fazit am Abend: ich habe mit etlichen mir mehr oder weniger bekannten Menschen Gespräche über Gottes Wort und meinen Glauben gehabt (und genossen). Das hat etwas sehr Verbindendes. Diese Verbundenheit braucht es, um etwas gemeinsam zu gestalten.


Am nächsten Tag sind auch Vertreterinnen und Vertreter dabei, in deren Gemeinden ein neues Leitungsmodell durch Pfarrbeauftragte praktiziert wird. In der Erfurter Pfarrei St. Josef leitet ein Diakon diese und hat einen moderierenden Priester zur Seite, der die Sakramente spendet, die ihm mangels Priesterweihe zu spenden nicht erlaubt sind.
In der Pfarrei St. Elisabeth in Arnstadt gibt es die Aufteilung in eine pastorale Leitung, wahrgenommen durch die Gemeindereferentin, und den Verwaltungspfarrbeauftragten zuzüglich eines aus bereits genannten Gründen moderierenden Priesters. 

In der Eisenacher Pfarrei St. Elisabeth gibt es einen Pfarrer und einen Verwaltungskoordinator. Dieser ist ein Mann vom Fach und nimmt dem Pfarrer, der sich zuerst und zu Recht als Seelsorger sieht, alles ab, was nicht sein Fachgebiet ist, nämlich Verwaltung und Finanzen etc. 

Die Vorteile liegen klar auf der Hand: wenn es Personen gibt, die sich um die Verwaltung kümmern, haben die Seelsorgerinnen und Seelsorger mehr Zeit für ihre eigentliche Berufung.
Sehr ehrlich berichten alle drei Teams rückblickend und resümierend. Diese Praxis funktioniert so gut, weil die Personen untereinander gut miteinander können. Es funktioniert, weil der Pfarrer (Eisenach) oder die Pfarrbeauftragten gut abgeben können, wenn bestimmte Aufgaben ihre Kompetenz übersteigen. Kurz: es hängt auch viel an den Personen, die miteinander arbeiten. Positiv wird erlebt, dass Ehrenamtliche zum Teil mehr Verantwortung übernehmen.

Klar benannt wird aber auch, dass durch keines der Modelle der zunehmende Priestermangel behoben wird. Es braucht für die Zukunft also auch noch andere Lösungen.

Am Nachmittag des Tages übernimmt eine externe Coachin die Regie. Zuerst werden wir – wieder in kleinen Gruppen – ins Jahr 2030 gebeamt. Stellen Sie sich vor, es ist das Jahr 2030 und es ist alles viel besser als befürchtet. Das war die Aufgabe. Wir stellen uns das vor. Zum Beispiel vollere Kirchen, weil die Gläubigen erfahren, dass eine schön gestaltete Wortgottesfeier kein minderwertiger Ersatz für eine Eucharistiefeier ist. Die Gemeinde vor Ort ist lebendiger geworden, weil sie sich auf das konzentriert, was sie erstens für sich selbst wünscht und zweitens auch leisten kann. Der Mut ist da, sich von liebgewordenen Gewohnheiten zu trennen, weil sie sich totgelaufen haben. Die Gläubigen hören sich nicht nur an, dass sie durch Taufe und Firmung befähigt sind, kirchliches Leben aktiv mitzugestalten, sondern setzen dies auch um.

Dann die Frage: Wie sind wir dahin gekommen, dass es 2030 besser aussieht als erwartet? Natürlich ist alles fiktiv, aber plötzlich kommen doch einige Ideen, wie das ein oder andere gelingen könnte, welche möglichen Schwierigkeiten zu bewältigen sind.

Wenn man in ein ungewisses Gebiet geht, so die Coachin, geht man in die Suchbewegung. Mal funktioniert eine gute Idee, mal funktioniert sie nicht. Mal wird eine wirklich tolle Idee fallengelassen, eben weil sie nicht funktioniert. Es braucht eine gute Fehlerkultur – Fehler sind willkommen. So einfach kann das sein.

Was nehme ich von diesen Tagen mit? Dass es Austauschräume zum Glauben braucht. Diese müssen oft erst noch geschaffen werden. Es braucht sie unter anderem zur Vergewisserung der eigenen Identität. Es braucht die Wertschätzung eines jeden in unseren Gemeinden und eine gute Qualifizierung von Ehrenamtlichen in verschiedenen Bereichen. 
Und ganz wichtig: Wir sollten, nein wir müssen am Thema dranbleiben. Es darf nicht einfach nur ein schönes Wochenende mit guten Inhalten gewesen sein, welches letztendlich aber im Sande verläuft. Die Steuerungsgruppe für das Diözesanforum bleibt am Ball. Hat sie jedenfalls gesagt.