Wanderer zwischen denWelten

Die Bildungsarbeit im Bistum Erfurt ist mit seinem Namen verbunden:

Hubertus Staudacher. Das Bistum verabschiedet ihn jetzt mit einer Festakademie.

Erfurt (BiP). Mit einer Festakademie am 5. März,

verabschiedet das Bistum Erfurt den ehemaligen Geschäftsführer des diözesanen

Bildungswerkes und der Bistumsakademie "Katholisches Forum im Land

Thüringen" in den Ruhestand. Hubertus Staudacher (65) hatte beide

Einrichtungen seit ihrer Gründung im Jahr 1992 mit aufgebaut und verantwortete

als Geschäftsführer Betrieb und Programme bis August 2012. Seine Nachfolgerin

wurde die Diplom-Theologin Patricia Heich (34), die vorher den Standort der

"Kölner Wirtschaftsschule GmbH" in Siegburg geleitet hatte. 

Den Festvortrag

hält der Soziologe und Sozialphilosoph Hans Joas, Fellow am Freiburger Institut

for Advanced Studies (FRIAS) sowie Professor und Mitglied des Committee on

Social Thought an der Universität von Chicago. Er spricht über

"Religionsgeschichte als Religionskritik? David Hume und die Folgen".

Grußworte halten der Erfurter Altbischof Joachim Wanke und Prof. Dr. Joachim

Valentin, stellvertretender Vorsitzender der Katholischen Akademien

Deutschlands. Nach der Festakademie findet ein Empfang in der Bildungsstätte

St. Martin statt. 

Katholische

Bildungsarbeit gab es auch in der DDR. Doch in einem Staatswesen, das

weltanschaulich nur den Atheismus gelten ließ, durfte die Kirche allenfalls in

ihrem Inneren bildend wirken. Mit der friedlichen Revolution und der Deutschen

Einheit änderte sich das. Die Kirchen mussten sich nicht nur auf dem Markt der

weltanschaulichen Möglichkeiten behaupten, sie erlebten sich sogar aus dem

gesellschaftlichen und politischen Raum angefragt, zu Fragen der Zeit Stellung

zu nehmen und die Diskussionen durch Beiträge aus christlicher Perspektive zu

bereichern. In diesem Sinne sind die Kirchen als gesellschaftlicher Mit-Akteur

bis heute tätig.

Die

Akademiearbeit ist dabei nur ein Element, wenn auch ein sehr wichtiges. Mit der

Gründung des "Katholischen Forums" schuf man in Thüringen einen Ort

für den Diskurs zwischen Kirche und Gesellschaft und für das ökumenische

Gespräch. Dort stehen Themen zu gesellschaftlich und kirchlich relevanten

Fragestellungen aus den Bereichen Justiz, Medizin, Ethik, Philosophie und

Theologie im Mittelpunkt. Auch Musik, Kunst und Volkskultur kommen nicht zu

kurz. 

Hubertus

Staudacher war der Mann der ersten Stunde. Er hatte 1969 das Studium als

Diplom-Theologe abgeschlossen und zuletzt 21 Jahre für den Leipziger St.

Benno-Verlag gearbeitet, ehe ihn Bischof Joachim Wanke nach der friedlichen

Revolution für den Aufbau des Bildungswerkes und des Katholischen Forums in

Erfurt gewann. Als Ein-Mann-Betrieb musste Staudacher andere Wege für seinen

Akademiebetrieb als die Kollegen im Westen einschlagen. Ohne eigenes

Akademiegebäude nutzt das Katholische Forum wohl die bistumseigene

Bildungsstätte St. Martin für seine Veranstaltungen, es werden aber gezielt

auch außerkirchliche Räumlichkeiten aufgesucht. So fand im Theater Meiningen

ein Abend zu Richard Wagners Ring statt, "Schenken und beschenkt

Werden" wurde in der Adventszeit bei Karstadt inmitten des Warenangebotes

thematisiert. Museen und Galerien wirken daneben als Veranstaltungsorte beinahe

"normal". Auf diese Weise hielt Staudacher die Hemmschwellen niedrig,

wie sie sonst bestehen können, wenn ein Veranstaltungsort den Zusatz

"katholisch" trägt. Der Anteil der Nichtchristen bei seinen

Veranstaltungen vergrößerte sich im Laufe der Zeit - "bescheiden",

wie Staudacher, selbst bescheiden, einschränkt, aber er vergrößerte sich.

Zu den Adressaten

des Katholischen Forums zählt Hubertus Staudacher ausdrücklich die

"Weihnachtschristen und Weihnachtsatheisten", wie er sie nennt, also

Leute, die "nur" an den hohen Feiertagen zur Kirche kommen.

"Diese Menschen haben die Kirche noch nicht aufgegeben", meint

Staudacher. Sein Akademieprogramm wandte sich aber ebenso an die "Wanderer

zwischen den Welten", Männer und Frauen, die in Kirche und Gesellschaft

gleichermaßen beheimatet sind, das aber als spannungsreich erleben. Staudacher

nennt zwei Beispiele: "Für einen Soldaten, der als Christ das Leben als von

Gott geschenkt weiß, im bewaffneten Konflikt aber womöglich töten muss, können

sich da Abgründe auftun. Ebenso bei einem Arzt, der die Schmerzen eines

unheilbar Kranken nicht mehr zu lindern weiß und mit dem Problem des

assistierten Suizids ringt." Endgültige Antworten könne die Bildungsarbeit

selten geben, bilanziert Staudacher, aber sie könne Verstehenshorizonte

aufwerfen und manchmal sogar Prozesse gestalten helfen, die vielleicht zu einer

Lösung führen.

Jede Zeit hat

ihre Themen. Aktuell sind es die Fragen nach dem Stellenwert des Christentums

und anderer Religionen in der säkularen Gesellschaft, aber auch das Verhältnis

der Religionen untereinander. Eine der letzten Veranstaltungen führte Hubertus

Staudacher gemeinsam mit der muslimischen Gemeinde in Erfurt durch. Ü;ber Kunst

und Meinungsfreiheit wurde da heiß diskutiert. Die Erfurter Akademiearbeit hat

aber auch Klassiker hervorgebracht, Veranstaltungen, die mehrere hundert

Menschen anziehen können, wie etwa die Einführungsabende zu den

Domstufen-Festspielen. Auch der KirchenSprung, ein Abendspaziergang mit

Einkehr, Musik und Kultur in verschiedenen Erfurter Kirchen, fasziniert

mittlerweile im 14. Jahr. Diese Veranstaltung wird übrigens, wie so manche

andere auch, ökumenisch durchgeführt.

Patricia Heich,

die im September die Geschäftsführung für das Bildungswerk und die

Bistumsakademie übernommen hat, wird im Veranstaltungskalender manches

fortsetzen, anderes ändern, Neues einführen. Mit dem Lauf der Zeiten ändert

sich auch die Bildungsarbeit. Wichtig ist es, im Gespräch zu bleiben:

"Gesellschaft und Kirche von heute benötigen kein Einheitsdenken, das es

ohnehin nie gegeben hat. Deshalb bleiben Wissen um und Verständnis für

unterschiedliche Meinungen und Weltanschauungen unverzichtbar, um etwas

Entscheidendes für das Zusammenleben der Menschen im Blick behalten zu können:

das bonum commune - das Gemeinwohl." So sagt es die neue

Geschäftsführerin des "Katholischen Forums". Die Bildungsarbeit im

Bistum Erfurt bleibt spannend.