Vertrauen in Zeiten der Umbrüche

Rückblick zum dritten Kreuzganggespräch mit Prof.in Dr. Tine Stein

Prof.in Dr. Tine Stein, Inhaberin des Lehrstuhls für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen; Bild: Sophie von Kalckreuth

Unter dem Titel „Vertrau mir – in der Zeitenwende“ ging es darum, wie Vertrauen auch in Zeiten großer Umbrüche aufrechterhalten oder sogar wiedergewonnen werden kann. Um diese Frage zu klären, definierte Prof.in Dr. Tine Stein (Lehrstuhl für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Georg-August-Universität Göttingen) zunächst einmal Vertrauen als etwas, das sich innerhalb der Beziehung zwischen einer Person, die vertraut, und einer Person, der vertraut wird, abspielt. Die Person, die vertraut, vertraue einer anderen Person (oder auch einer Institution als Kollektiv von Personen) innerhalb eines bestimmten Kontextes ein Gut an. Je wichtiger hierbei das anvertraute Gut sei, desto mehr Vertrauen müsse man in diese Beziehung investieren. Da jemandem zu vertrauen auch bedeute, „zu akzeptieren, dass wir von dem Wohlwollen der anderen abhängen“, stelle Vertrauen ein „Wagnis zwischen Berechnung und Gefühl“ dar. Dieses Wagnis sei notwendig, um komplexe soziale Beziehungen aufzubauen.
 
Bevor die Referentin auf das Vertrauen in der Zeitenwende zu sprechen kam, benannte sie den Missbrauchsskandal in der Katholischen Kirche als einen besonders schweren Vertrauensbruch, den sie als Verrat und Betrug bezeichnete. Hierbei spiele nicht nur der Tatbestand an sich eine entscheidende Rolle, sondern auch der „zweite Missbrauch des institutionellen Vertrauens“, der sich dadurch vollzog, dass die Institution sich mit den Tätern und nicht mit den Opfern solidarisierte.
 
Ähnlich wie Stephen Kramer wies die Politikwissenschaftlerin darauf hin, dass demokratische Institutionen nicht von alleine funktionierten und dass man den demokratischen Staat nicht als „Dienstleister“ und die Bürger*innen nicht als „Kundinnen und Kunden“ ansehen dürfe. Genau dieses Bild des Staates sei aber in den letzten Jahrzehnten propagiert worden. Gerade in Zeiten von Krisen wie dem Klimawandel, die schnelle und tiefgreifende Veränderungen in unserem Handeln erfordern, müsse man sich auf Pflichten als Kehrseite von Freiheiten besinnen. Eine besondere Rolle käme in solchen Umbruchszeiten den Christ*innen da „christliches Gottvertrauen die Basis einer gelassenen und auch in der Krise zuversichtlichen Haltung“ sein könne. Hierzu schloss sie sich dem Aufruf des kürzlich verstorbenen Theologen Christian Polke an, den Mut nicht zu verlieren und für das Menschliche einzutreten, und fügte hinzu: „Christinnen und Christen haben eine besondere Verantwortung, sich selbst in Politik einzumischen, weil sie es auf einer bestimmten Gelassenheit in die Geschichte einfach gut tun können.“

Sophie von Kalckreuth (Katholisch-Theologische Fakultät/Uni Erfurt)