„Unterwegs – Jugend im Gespräch mit Gott“ heißt ein Gebetbuch für Jugendliche, das im St. Benno-Verlag 1977 herausgegeben wurde. Es steht in meinem Bücherschrank und gern greife ich danach, wenn ich ein Gebet für einen Jugendgottesdienst suche. 1977 war ich schon im Priesterseminar und habe mich auf die Diakonenweihe vorbereitet. Im Vorwort des Gebetbuches heißt es:
„Junge Menschen sind unterwegs. Sie gehen, ohne das Ziel schon zu kennen. Sie ahnen nicht, dass ihr Weg zu sich selbst, zu den Menschen ihrer Umgebung, zur großen fernen Welt hinführt in das Wagnis der Begegnung mit dem lebendigen Gott. Sie sind einfach unterwegs. Sie sind bereit, sich selbst zu wagen, dann kann es eines Tages geschehen: Es begegnet ihnen Jesus. Sie beginnen mit ihm zu gehen – Schritte mit Jesus. Einmalig und unverkennbar ruft Jesus jeden einzelnen, der ihm sein Vertrauen schenkt.“
Die Auswahl der heutigen Lesungen durch Herrn Yohanes Lein scheinen mir diese Erfahrung ausdrücken zu wollen. Wir hörten von der ersten Missionsreise des Apostels Paulus in Derbe, Antiochia und die Rückkehr nach Syrien. Paulus ist unterwegs mit seinem Schüler Barnabas. Er ermahnt die Gemeinde, in der Bedrängnis am Glauben treu festzuhalten, weil er es auch selbst so getan hat. Trotz aller Gefahren hat er auch Gemeindeleiter gefunden, denen er die Hände auflegen konnte, um ihnen die Verantwortung für die neue Gemeinde zu übertragen. Paulus vertraut darauf, dass diese neuen Gemeindeleiter das Glaubensgut bewahren und in guter Weise weitergeben.
Ich höre und lese nichts von einer Prüfung in der Assistenzzeit oder von einem Abschlusskolloquium. Vielleicht war es dem Evangelisten Lukas nicht so wichtig, hier in der Apostelgeschichte davon zu berichten. Es war ihm wichtig, den Weg des Glaubens in Kleinasien zu beschreiben und damit verbunden vom Mut des Apostel Paulus zu berichten, der fast davon besessen ist, dem Glauben an vielen Orten ein neues Gesicht zu geben durch die Berufung von Gemeindeleitern.
In Antiochia berichteten Paulus und Barnabas der Gemeinde, „was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte“. Er hatte sich ja mit den Aposteln in Jerusalem darauf verständigt, seine Mission auf die Gebiete zu beschränken, in denen vor allem Heiden – also Nichtjuden – leben. Davon konnte er berichten und auch davon, was Gott durch und in den Heiden wirkt. Er war unterwegs in der Zuversicht, dass er Gott zu den Menschen bringt, der sich in seinem Sohn Jesus Christus geoffenbart und in seiner Liebe zu uns Menschen konkretisiert hat.
Diese Konkretisierung erfolgte in seinem Leben als Verkünder der Frohen Botschaft im Land Israel und dann auch als der Auferstandene. Eine dieser Konkretisierungen haben wir im Evangelium gehört. Jesus begegnet den Jüngern am See von Tiberias in gleicher Weise als der Auferstandene, wie es schon in seiner Zeit als Jesus von Nazareth geschah. Wiederum fangen die Apostel zunächst nichts und nach dem sie nochmals ausgesandt wurden, konnten sie die Netze mit den 153 Fischen fast nicht einholen, da sie voller Fische waren. Weil sich die Apostel auf das Wort Jesu eingelassen hatten, konnten sie reiche Ernte machen. Der Lieblingsjünger Jesu, den wir Johannes nennen, erkannte in dem, der sie zum nochmaligen Auswerfen der Netze aufforderte, den Auferstandenen. Er erkannte ihn vermutlich am gleichlautenden Ereignis und Ergebnis des Fanges, der mit dem gebratenen Fisch und Brot gefeiert und durch die Fische, die sie gefangen hatten, erweitert wird. Es ist dem Auferstandenen wichtig, nicht als der alleinige Tischherr zu fungieren, sondern auch die Apostel zu befähigen, ihre Gaben einzubringen und damit ein Gemeinschaftsereignis zu stiften. Dort begegnen sie einander und dem Auferstandenen.
Herr Yohanes Lein hat sich auf den Weg aus Indonesien zu uns gemacht. Nun ist er am Ziel angekommen und erhält die Sendung als Gemeindereferent im Bistum Erfurt. Er bringt die Erfahrung der Kirche von Indonesien mit, um sie derzeit mit den Gegebenheiten der Seelsorge im Eichsfeld zu verbinden.
In den zwei Prüfungen, die ich mit abgenommen habe, konnte ich seine freundliche Art kennenlernen, die alle überzeugt hat, die ihm begegneten. Manchmal frage ich mich, welche Fähigkeiten jemand mitbringen muss, der in der Seelsorge tätig sein will. Welche Fähigkeiten haben die Apostel mitgebracht und wurden von den Menschen anerkannt? Ich denke, dass vor allem die Kraft des Heiligen Geistes zum Erfolg beigetragen hat. Wenn menschliche Redekunst dazu kam, war es bisweilen hilfreich. Am wichtigsten aber war die Liebe, die in den Worten der Apostel zu spüren war. Ich glaube, dass Herr Lein auch deshalb Anerkennung und Freunde gefunden hat.
Am heutigen 8. Juli gedenken wir in unserem Bistum des heiligen Kilian und seiner Gefährten Kolonat und Totnan. Um 689 wurden sie ermordet, weil Kilian dem fränkischen Herzog Gosbert zur Aufgabe seiner unrechtmäßigen Ehe mit Gailana aufgefordert hatte. Er hatte mit dieser Forderung gewartet, bis Gosbert im Glauben gefestigt war. Gailana jedoch trachtete deshalb nach dem Tod Kilians und fand auch eine günstige Situation, um ihn und seine Gefährten zu töten. Auch Kilian kam aus Irland mit seinen Freunden, um hier den Glauben an Jesus Christus zu leben und zu verkünden. Er musste unterwegs sein, um sein Lebensziel zu erreichen. In Irland hätte er es nicht ermöglichen können. Die Bekehrung der Heiden war nach seiner Auffassung hier möglich und nötig.
Es scheint mir das Unterwegssein zu den Grundprinzipien der Kirche zu gehören. Das spüren wir allein schon am Wiegenfest der Kirche – dem Pfingstfest, bei dem die Apostel aus ihrem verschlossenen Haus herausgetreten sind, um den Glauben an den Auferstandene zu verkünden, obwohl sie sich noch kurze Zeit vorher aus Furcht vor den Juden eingeschlossen hatten. Die Aussendung in alle Welt geschah vermutlich nicht ganz freiwillig, sondern durch die Vertreibung der Juden und Christen durch die Römer. Immer schon waren die Vertreter beider Religionen den Römern ein Dorn im Auge, weil sie die Autorität des Kaisers als göttliches Wesen leugneten.
Wenn heute durch Christen Kritik an Herrschaftsansprüchen geübt wird, die der Freiheit des Menschen entgegen stehen, dann müssen auch sie damit rechnen, dass sie verfolgt werden und wiederum unfreiwillig unterwegs sein müssen. Das kann jedoch auch zum Segen werden, denn der Glaube kommt in eine Prüfung und wird geläutert wie Gold. Das soll kein billiger Trost sein, sondern es ist eine Erfahrung, dass in der Bedrängnis auch die Qualität des Glaubens wachsen kann. Paulus, Barnabas, Kilian, Kolonat, Totnan und vielleicht auch Herr Lein sind dafür Zeugen.
Wir wünschen uns zwar immer einen glorreichen Siegeszug des Glaubens, aber er wird uns nicht immer geschenkt. Es sind oftmals die kleinen Siegesfeiern, die wir bei Taufen und Firmungen erleben können oder die wir spüren, wenn sich Christen zum Gebet und den Werken der Nächstenliebe treffen. Wir glauben weiterhin an den Sieg des Evangeliums, auch wenn er sich zumindest bei uns in Europa nicht so deutlich zu erkennen gibt. Wir nehmen dankbar zur Kenntnis, dass der Glaube an anderen Orten lebendiger ist. Wir wissen aber auch, dass wir den Glauben nicht machen können, sondern unsere Aufgabe darin besteht, die Spuren Jesu zu erkennen, die er schon gelegt hat zu den Orten, wo er auch uns haben möchte. Das sind nicht immer die traditionellen Kirchorte und Leuchttürme. Das sind manchmal auch Bauwagen, die sich Jugendliche zugelegt haben, weil sie keinen Jugendclub im Dorf zur Verfügung gestellt bekommen hatten, oder Segelboote, auf denen sie eine Gruppenreise verbringen, um Gemeinschaft und Glaube zu praktizieren. Wo sind die Menschen und ist die Kirche auch dort? Das ist meine beständige Frage in der Pastoral.
Ich wünsche Ihnen, Herr Yohanes Lein, die Freude an der Suche nach den heiligen Orten, an denen Jesus schon war und wo er auch uns haben will. Letztlich sind es die Herzen der Menschen, die offen sind für gute Nachrichten vom Leben und der Liebe. Damit sind wir reich beschenkt und diese sind geeignet, um die Menschen froh zu machen. Amen.
Lesungen:
Apg 14, 21b-27
Als sie dieser Stadt das Evangelium verkündet und viele Jünger gewonnen hatten, kehrten sie nach Lystra, Ikonion und Antiochia zurück. Sie stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, treu am Glauben festzuhalten; sie sagten: Durch viele Drangsale müssen wir in das Reich Gottes gelangen. Sie setzten für sie in jeder Gemeinde Älteste ein und empfahlen sie unter Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie nun glaubten. Nachdem sie durch Pisidien gezogen waren, kamen sie nach Pamphylien, verkündeten in Perge das Wort und gingen dann nach Attalia hinab. Von dort segelten sie nach Antiochia, wo man sie für das Werk, das sie nun vollbracht hatten, der Gnade Gottes übereignet hatte. Als sie dort angekommen waren, riefen sie die Gemeinde zusammen und berichteten alles, was Gott mit ihnen zusammen getan und dass er den Heiden die Tür zum Glauben geöffnet hatte.
Joh 21, 1-12
Danach offenbarte sich Jesus den Jüngern noch einmal, am See von Tiberias, und er offenbarte sich in folgender Weise. Simon Petrus, Thomas, genannt Didymus, Natanaël aus Kana in Galiläa, die Söhne des Zebedäus und zwei andere von seinen Jüngern waren zusammen. Simon Petrus sagte zu ihnen: Ich gehe fischen. Sie sagten zu ihm: Wir kommen auch mit. Sie gingen hinaus und stiegen in das Boot. Aber in dieser Nacht fingen sie nichts. Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer. Doch die Jünger wussten nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihnen: Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen? Sie antworteten ihm: Nein. Er aber sagte zu ihnen: Werft das Netz auf der rechten Seite des Bootes aus und ihr werdet etwas finden. Sie warfen das Netz aus und konnten es nicht wieder einholen, so voller Fische war es. Da sagte der Jünger, den Jesus liebte, zu Petrus: Es ist der Herr! Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr sei, gürtete er sich das Obergewand um, weil er nackt war, und sprang in den See. Dann kamen die anderen Jünger mit dem Boot - sie waren nämlich nicht weit vom Land entfernt, nur etwa zweihundert Ellen - und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Als sie an Land gingen, sahen sie am Boden ein Kohlenfeuer und darauf Fisch und Brot liegen. Jesus sagte zu ihnen: Bringt von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt! Da stieg Simon Petrus ans Ufer und zog das Netz an Land. Es war mit hundertdreiundfünfzig großen Fischen gefüllt, und obwohl es so viele waren, zerriss das Netz nicht. Jesus sagte zu ihnen: Kommt her und esst! Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.
Yohanes Vianey Soda Lein
Yohanes Vianey Soda Lein wurde in Flores, Indonesien geboren und wuchs dort auf. Mit 15
Jahren trat er nach Abschluss der Mittelschule in das Internat des Priesterseminars auf der Insel Flores. Nach dem Abitur besuchte er das Noviziat der Steyler Missionar und studierte dann Philosophie an der Philosophischen Katholischen Hochschule Ledalero – Indonesien.
Im Dezember 2010 kam er nach Sankt Augustin, um an der Philosophisch - Theologischen Hochschule der Steyler Missionare sein Studium fortzusetzen und abzuschließen.
Vor seiner Ausbildung zum Gemeindereferent im Bistum Erfurt absolvierte er Praktika in Saalfeld und Jena.
Nach dem berufspraktischen Jahr in Erfurt, war er von 2021 bis heute als Gemeindeassistent in der Pfarrei St. Maria Magdalena Leinefelde tätig.
Yohanes Lein sieht sieht selbst als Suchenden, der in der Gemeinschaft mit anderen Gläubigen auf dem Weg ist. Mit ihnen möchte er die Zukunft der Kirche gestalten und die Menschen mit der Frohen Botschaft Jesu Christ in Berührung bringen. Den christlichen Glauben aktiv leben und darin zu wachsen, gemeinsam mit Anderen, ist ihm ein Herzensanliegen.
Nach seiner Sendungsfeier bleibt er weiterhin in der Pfarrei St. Maria Magdalena Leinefelde.
In Yohanes Leins Heimatland Indonesien gibt es den Beruf des Gemeindereferenten nicht. Die Struktur der pastoralen Dienste ist anders als in Deutschland. In jeder Pfarrei und den Gemeinden wird jemand von einem Pfarreigremium gewählt oder vom Pfarrer ernannt, der dann verantwortlich für das religiöse Leben der Gemeinde am Ort ist. D.h. Laien übernehmen ehrenamtlich sie Aufgaben im Seelsorgebereich, u.a. die Vorbereitung auf die Sakramente und Beerdigungen. Der Pfarrer ist zuständig für die Feier der Hl. Messe und das Spenden der entsprechenden Sakramente.
Yohanes Lein freut sich auf seine weiteren Aufgaben als Gemeindereferent in Leinefelde. Er freut sich ebenso darauf, ihm noch unbekannten Menschen zu begegnen und sie mit ihren verschiedenen Erfahrungen und Prägungen kennenzulernen.
Gottes Segen auf seinem weiteren Weg!
Fotos: Philipp Förter