Um die Seele zu erheben

Monika Wiegandt aus Stuttgart erklärt, warum sie der Marienkapelle die Fenster gestiftet hat


Bischof Joachim Wanke bei der Einweihung der Marienkapelle
Monika Wiegandt aus Stuttgart erklärt, warum sie der Marienkapelle die Fenster gestiftet hat

Ansprache gehalten am Tag der Einweihung der Marienkapelle auf dem Erfurter Domberg:


Warum stehe ich hier und spreche zu Ihnen?


Ich bin Monika Wiegandt und habe die neuen Fenster gestiftet. Ein Stück meines väterlichen Erbes ist hier in etwas wunderschönes Neues verwandelt worden.


Ich bin im Saarland aufgewachsen und wohne seit 35 Jahren mit meinem Mann in Stuttgart. Da stellt sich die Frage, was ich denn mit Erfurt zu tun habe. Nun, die Stadt ist mir seit den 1950er Jahren ein Begriff, denn ich hatte als Gymnasialschülerin eine Brieffreundschaft mit einer katholischen Kindergärtnerin, Agnes Erdmann, die dann viele Jahre als Leiterin eines Kindergartens und Kinderhorts tätig war. Erst Jahre nach der Wende haben wir uns persönlich kennen gelernt.


Denn Jahrzehnte trennte der Eiserne Vorhang. Als dieser endlich fiel, fuhren mein Mann und ich neugierig in die neuen Bundesländer, und gleich nach Thüringen, nach Erfurt. Wir entdeckten eine Schönheit in ärmlicher Kleidung.


Die dritte Begegnung mit Erfurt entstand aus einem Zufall, vielleicht sollte ich sagen, es war eine gute Fügung. Ich wollte einer Kirche einer ostdeutschen Stadt ein neues künstlerisch gestaltetes Fenster schenken. Und nach der Suche nach einem lebendigen Kirchenraum entdeckte ich die Michaeliskirche in Erfurt.


Hier entstand in Zusammenarbeit mit Pfarrer Christian Garbe von der Stadtmission und dem Denkmalamt für Thüringen ein schönes Fenster, das Fenster der Liebe und Toleranz. Und da der Künstler Wolfgang Nickel es so einfühlsam gestaltet hatte, bat ich ihn mitzuwirken, das noch verbliebene notverglaste Fenster in ein ebenbürtiges farbiges Fenster zu verwandeln. In Abstimmung mit dem Kirchenkreis und der Stadtmission wurde das Fenster auf meinen Wunsch Raoul Wallenberg gewidmet.


Jetzt könnte meine Beziehung zu Erfurt zu Ende sein. Zwar wollte ich mich noch ein drittes Mal für ein Kirchenfenster engagieren, aber das konnte in Meiningen oder Wittenberg oder Wismar sein. Dann erfuhr ich, dass Severikirche und Mariendom eine Andachtskapelle schaffen wollten. Diese Planung erfüllte mich mit großer Freude. Denn wie oft habe ich in den vergangenen Jahren bedauert, dass die Kirchen kaum mehr als sakrale Räume erlebt werden. Die künstlerisch wertvollen Kirchen werden ähnlich wie Schlösser und Burgen als Sehenswürdigkeiten besucht. Und viele Pfarrkirchen sind während der Woche weitgehend geschlossen.


Aber Gottes` Haus muss offen sein, nicht nur am Sonntag für die Messfeier. Auch wenn es im Vergleich zu früheren Jahrzehnten, Jahrhunderten nur wenige Gläubige sind, die sich an Werktagsmorgen einen Gottesdienst in Gemeinschaft wünschen; auch wenn es nur Einzelne sind, die während des Tages in eine Kirche eintreten und Zwiesprache mit Gott halten wollen. Das Gotteshaus, die Kapelle soll ein schöner Ort sein, der Ruhe schenkt, der Frieden ausstrahlt. Farbige Fenster, die das Licht, auch ein Symbol für Gott, hereinlassen, können den Raum verzaubern und etwas altmodisch formuliert, "die Seele erheben".


In jedem Fall fanden die hier verantwortlichen Beteiligten, Repräsentanten der Gemeinde, Vertreuer der Kirchenhierachie, Kunstsachverständige und die Stifterin sehr rasch zu einem alle befriedigenden Konzept zusammen. Und der Künstler Wolfgang Nickel hat die Idee Wirklichkeit werden lassen. Jeder Künstler ist ein Lehrling des Schöpfergottes und kann uns also etwas Schönes und Wertvolles schenken. Wenn er gut gearbeitet hat wie hier, können wir uns von Herzen freuen. Ich freue mich sehr und hoffe, dass alle, die in Zukunft in diese Kapelle eintreten, Freude und Wohlsein und Frieden erleben.



Anbetungsfrömmigkeit ist eine Ausprägung der Christusfrömmigkeit