Als Professorinnen und Professoren der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt haben wir mit Bestürzung die Verweigerung des römischen Nihil obstat nach der Wiederwahl von Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig SJ zum Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen zur Kenntnis genommen. Eigentlich weisen die Zeichen in der Kirche doch in eine andere Richtung: Es ist nur wenige Monate her, dass Papst Franziskus in der Apostolischen Konstitution „Veritatis Gaudium über die kirchlichen Universitäten und Fakultäten“ die Theologie geradezu herausgefordert hat, sich mit den Fragen heutiger Gesellschaft und Kultur intensiver denn je auseinanderzusetzen. Dafür solle sie in Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition den Dialog mit all jenen suchen, die an der Zukunft der Gesellschaft arbeiten. Von der Theologie verlangt der Papst nicht weniger als einen „radikalen Paradigmenwechsel“ und eine „mutige kulturelle Revolution“ (Einleitung, Nr. 3). Die Ausführungen des Papstes sind in der Theologie als Zeichen wahrgenommen worden, dass die Kirche die Freiheit und Unabhängigkeit theologischer Forschung und Lehre akzeptiert und fördert.
Die Verweigerung des Nihil obstat für unseren Kollegen P. Wucherpfennig steht in völligem Widerspruch zu diesen Aussagen des Papstes. Leider verstärken sich in letzter Zeit die Zeichen, dass dies kein Einzelfall ist. Verantworteter wissenschaftlicher Argumentation mit Blick auf eine in Gesellschaft und Kirche ernsthaft und differenziert zu führende Diskussion und ein drängendes pastorales Problem wird mit einer disziplinären Maßnahme begegnet. Die Chancen einer wissenschaftlichen Diskussion für die Kirche werden nicht genutzt. Gerade in der gegenwärtigen Krise der Kirche ist es für uns unverständlich, dass nicht das offene, furchtlose Gespräch und die Möglichkeiten einer kompetenten wissenschaftlichen Reflexion für eine anspruchsvolle, gegenwartssensible theologische Ausbildung genutzt werden sollen. Das Vorgehen beschädigt zudem die Glaubwürdigkeit der Theologie in der Öffentlichkeit und erschwert Theologinnen und Theologen die freie und kreative Auseinandersetzung mit den Fragen der Gegenwart.
Wir sind dankbar für die eindeutigen Stellungnahmen jener Bischöfe, die sich für den Kollegen einsetzen, wie auch für die klare Positionierung des Provinzials der Jesuiten, P. Siebner SJ. Wir stellen uns hinter die Erklärung des Katholisch-Theologischen Fakultätentages zusammen mit anderen Wissenschaftsorganisationen (http://kthf.de/wp-content/uploads/2016/01/2018-10-12-Erkla%CC%88rung-zu-Wucherpfennig.pdf) und schließen uns der Forderung an, dass die Entscheidung der römischen Kurie rasch revidiert und Kollege P. Wucherpfennig SJ das Nihil obstat erteilt werden soll. Diese Revision wäre ein wichtiges öffentliches Signal nicht nur zugunsten eines angesehenen Theologen, sondern auch für die Akzeptanz der Freiheit von theologischer Forschung und Lehre in der Kirche. Sie würde zugleich zeigen, dass die Aufforderung von Papst Franziskus an die Theologie gilt, ein „offenes Denken“ (Veritatis Gaudium, Einleitung, Nr. 3) zu pflegen.
Erfurt, 15.10.2018
Prof. Dr. Norbert Baumgart
Prof. Dr. Julia Knop
Prof. Dr. Benedikt Kranemann
Prof. Dr. Elke Mack
Prof. Dr. Jörg Seiler