Schön renovierte Kirche soll nicht zum Museum werden, sondern lebendiger Ort sein

Predigt von Weihbischof Reinhard Hauke in Holungen, Wiedereinweihung der Kirche

Weihbischof Hauke während seiner Predigt; Bild: Andrea Wilke

Es ist eine gute Tradition im Eichsfeld, den Namenstag festlich zu begehen. An diesem Tag ist es üblich, dass die Taufpaten ein Geschenk bringen. „Pati“ denkt damit an das ehemalige Taufkind und bringt seine Verbundenheit zum Ausdruck, wenn wir auch heute sagen, dass ja bei der Kindertaufe die Eltern des Kindes vorrangig Bedeutung für die Erziehung des Kindes übernehmen und der Pate oder die Patin in der zweiten Reihe stehen. Daher werden sie bei der Taufe auch lediglich um die Mithilfe gebeten. Bei der Firmung sitzen die Eltern in der Kirchenbank und der Pate oder die Patin stehen hinter dem Firmling und legen die Hand auf die Schulter. Der Firmling hat sich diesen Paten selbst ausgewählt, damit er jetzt sein Glaubensbegleiter wird. All das sieht so aus, als ob wir Menschen für die Weitergabe des Glaubens zuständig sind. Das ist natürlich richtig, aber ist auch ergänzungsbedürftig.

Im Brief des Apostels Petrus hören wir, dass wir durch Jesus Christus zum Glauben an Gott gekommen sind, der uns von der bisherigen Lebensweise durch sein kostbares Blut losgekauft hat. Niemand von uns oder kein Pate würde dieser Aussage widersprechen, aber für die äußere Ansicht sind wir Menschen es, die sich um den Glauben der nachfolgenden Generation sorgen. Es ist aber durchaus bedenkenswert, welchen Einsatz Gott gesetzt hat, um uns in eine neue Lebensweise nach dem Maßstab Jesu Christi zu führen, d.h. den Einsatz seines Sohnes Jesus Christus, der bereit war, die Bindung an die bisherige Lebensweise durch die Hingabe seines Lebens zu beenden und zu einer neuen Bindung an sein Leben einzuladen. Wir sind heute etwas vorsichtig, die bisherige Lebensweise grundsätzlich als nichtig zu bezeichnen. Wenn der Apostel Petrus vor seinem Martyrium im Jahr 64 oder 67 unter Kaiser Nero diesen Brief verfasst hat, was die altkirchliche Tradition fest behauptet und auch andere Indizien dafür sprechen, dann ist vermutlich mit der bisherigen Lebensweise in Rom das Leben als Verehrer der bisherigen Götter Roms gemeint. Davon sind die damaligen Gemeindemitglieder durch ihre Taufe befreit worden. Ich kann mir durchaus denken, dass es da immer noch Nachwirkungen aufgrund alter Traditionen gab, die vielleicht sogar in das Christentum hineingewirkt haben, aber der Abschied von den bisherigen Lebensweisen war durch die Taufe besiegelt.

Wenn ein Erwachsener aus einer anderen Religion mit anderen Göttern getauft werden will, wird empfohlen, auch eine bewusste Absage an die bisherigen Götter bei der Taufe vorzunehmen. Bisher habe ich das nur bei der Taufe einer Frau, die aus einer afrikanischen Naturreligion zum Christentum gewechselt ist. Bei der Hochzeit dieser Neugetauften spielte dann aber doch auch die Naturreligion eine Rolle, da es auch eine Zeremonie gab, die ihrer bisherigen Religion entsprach, d.h. es gab drei Trauungen: die standesamtliche, die Trauung im Ritus der Naturreligion und die katholische Trauung. Auch in Lateinamerika konnte ich bei den Kirchen die alten Götterbilder am Eingang sehen, die wie Wächter dort standen. Die Arbeiter, die in den Minen arbeiteten, brachten den Berggöttern auch beim Einstieg in den Schacht ein kleines Opfer dar. Sie waren zwar Christen, aber blieben bei ihrer Tradition, die Götter um Schutz anzuflehen. Das klingt für mich inkonsequent, aber es zeigt auch, wie heftig bisweilen die „von den Vätern ererbte Lebensweise“ weiterhin das Leben prägen kann.

Wir haben heute die Freude, die Kirche St. Johannes der Täufer in Holungen wieder einzuweihen und für die Gottesdienste neu zu nutzen. Umfangreiche Restaurierungen und Baumaßnahmen waren notwendig geworden, bei denen sich die Ortsgemeinde und die Kirchengemeinde mit Geld und Tat beteiligt haben. Dafür sei heute besonders gedankt und ein „Gott Vergelt’s“ ausgesprochen und gewünscht. Für viele Christen dieses Ortes ist diese Kirche Erinnerung an wesentliche Ereignisse ihres Lebens, zu denen auch die Taufe, Erstkommunion und Trauung gehören. Mancher hat hier auch liebe Angehörige durch das Requiem verabschiedet und damit diese Kirche ebenso zu einem Ort gemacht, der an liebe und verstorbene Menschen erinnert.

Dennoch sollten wir uns heute in Erinnerung rufen und durch den Brief das Apostels Petrus sagen lassen, dass die Entscheidung für ein Leben aus dem Glauben ein Geschenk ist, dass wir nicht machen können, sondern das wir in Dankbarkeit annehmen und versuchen, daraus zu leben. Besonders in der Vorbereitung auf den Empfang des Sakramentes der Firmung wird dieser Gedanke stark gemacht: Wir erinnern uns an unseren Einstieg in das christliche Leben durch die Taufe und durch die Begleitung von Eltern, Paten und Seelsorgern, aber wir versuchen dabei, auch eine persönliche Motivation für den Glauben zu finden. Diese wird auch unterstützt durch die Paten und Freunde, aber sie ist zunächst immer auch ein Geschenk, das wir dankbar annehmen können. Gerade dann, wenn Freunde und Bekannte, die vom Alter her auch zur Firmung vorbereitet werden sollten, sich nicht dafür entscheiden, spüren wir, dass man den Glauben nicht machen kann. Es sollte jedoch auch später die Möglichkeit gegeben werden, sich für den persönlichen Glaubensweg zu entscheiden und in der späteren Entscheidung auch Wohlwollen in einer Gemeinde zu finden. Anlass ist bisweilen die Hochzeit oder die Taufe des eigenen Kindes, der neu zum Nachdenken über den Glauben führt auch damit auch eine neue Herausforderung darstellt.

Die Ostererzählungen, die wir an den Ostersonntagen hören, möchten uns helfen, den Glauben an die Auferstehung und den Auferstandenen zu vertiefen. Sie berichten oftmals davon, wie Jesus als der Auferstandene in ähnlicher Weise den Jüngern begegnet, wie er ihnen schon vor der Passion begegnet ist. Der wunderbare Fischfang gehört zu diesen Erzählungen. „Keiner von den Jüngern wagte ihn zu befragen: Wer bist du? Denn sie wussten, dass es der Herr war.“ Die Jünger sind stumm und erstaunt, aber eigentlich auch froh, dass sie wiederum einen Beweis seines Lebens bekommen, wenn es auch eine neue Form seiner Gegenwart ist, die sich ja auch darin andeutet, dass die Jünger Brot und Fisch erhalten, was an das Letzte Abendmahl erinnert und der Fisch an das Christuszeichen, das die Christen ja in der Zeit ihrer Verfolgung als Erkennungs- und Geheimzeichen verwendet haben. Wenn der Evangelist um das Jahr 100 n. Christus etwas über Jesus Christus schreibt, dann immer schon in einer 70jährigen Zeit der Kirchengeschichte, in der Eucharistie gefeiert wurde, wie wir es heute tun.

Auch wir sind als Glaubende, die das Geschenk des Glaubens wie die Apostel bewusst angenommen haben, nicht frei von Zweifeln. Man spricht davon, dass ein großer Prozentsatz von Katholiken nicht an die Auferstehung der Toten glaubt – so sagt es eine Statistik. Vermutlich sind es Zweifel wie bei den Emmausjüngern, dass ein Verwandter, den wir bestattet haben, wieder unter uns sein kann und wir die bisherige Kommunikation mit ihm fortsetzen können. Dennoch haben wir die große Hoffnung, dass das Wort Jesu auch für die Verstorbenen und für uns gilt. Wir singen unsere Halleluja in der Osterzeit und vertrauen damit der Zusage Jesu, dass sich unser Leben durch die Auferstehung vollendet. Für mich ist es jedenfalls dabei auch immer wichtig, mich an den Preis für die Auferstehung der Toten zu erinnern: das kostbare Blut Jesu Christi, d.h. die Bereitschaft des Gottesssohnes Jesu Christus, den grausamen Tod am Kreuz zu sterben, um alle Schuld der Menschen zu sühnen und den Weg in ein neues Leben frei zu machen. Für mich ist das christliche Leben vor allem ein Leben aus Dankbarkeit für den hohen Preis, den Jesus Christus gezahlt hat. Mögen wir auch heute oftmals über strukturelle Fragen diskutieren und Veränderungen vorschlagen, entscheidend ist, Jesus Christus als den Sohn Gottes zu suchen und mit ihm Gemeinschaft zu pflegen, wenn wir die Eucharistie feiern und das Gotteswort hören.

Wer eine so schön renovierte Kirche wie die Gemeinde in Holungen hat, sollte dafür sorgen, dass sie nicht zum Museum verkommt, sondern ein lebendiger Ort bleibt, an dem die Gottesnähe erfahrbar ist und das persönliche Leben in das Licht des Glaubens gestellt wird. Das ist ein guter Weg, um froh und frei zu werden. Amen.


Lesungen: Apg 2, 14. 22b-33;  1 Petr 1, 17-21;  Joh 21, 1-14