Im Erfurter Dom soll Stickstoff Holzwürmer im Cranach-Altar und in Skulpturen beseitigen...
Erfurt (BiP). Kunstsinnige Menschen schätzen Cranach. Holzwürmer offensichtlich auch. Denn in den letzten Wochen sind am Cranach-Altar des Erfurter Domes minimiale Spuren von Holzmehl gefunden worden. Nähere Untersuchungen ergaben Schädlingsbefall am barocken Altarretabel, welches das Tafelbild "Die Verlobung der heiligen Katharina" von Lucas Cranach dem Älteren (geb. 1472) umgibt. Mittels Stickstoff will man in den nächsten sechs Wochen den Schädlingen, die sich ins Holz eingefressen haben, zu Leibe rücken.
"Eine Nachsorgemaßnahme", erläutert Dr. Falko Bornschein, der Kunstgutbeauftragte des Bistums Erfurt, mit Blick auf die Schädlingsbekämpfung des vergangenen Jahres. Damals sollten am Altarretabel die Larven des gemeinen Nagekäfers (anobium punctatum) durch Lagererzwespen vernichten werden. Das Verfahren hatte weltweit für Aufsehen gesorgt, weil es zum ersten Mal durchgeführt worden war.
Und nicht ohne Erfolg: Von höchstem wissenschaftlichen Interesse war der Befund, dass die Lagererzwespe die Larven des Nagekäfers als Wirtstiere akzeptiert und damit tötet. So konnte auch der umfangreiche Befall des Cranach-Altares durch die Holzwürmer, wie die Anobien-Larven volkstümlich heißen, wohl verringert, aber offensichtlich nicht gänzlich gestoppt werden.
Daher geht es jetzt im Dom erneut ans Werk. Nicht nur der Cranach-Altar, sondern auch mehrere mittelalterliche Skulpturen anderer Kirchengemeinden werden von den Schädlingen befreit. So können gleich zwei Fliegen, um sprachlich im Insekten-Bilde zu bleiben, durch eine Maßnahme geschlagen werden. Für 2006 hatte der Kunstgutbeauftragte ohnehin eine Begasung eingeplant.
Ausführende wird die Firma "Binker Materialschutz" aus Lauf bei Nürnberg sein. Geschäftsführer Joachim Binker und zwei Mitarbeiter umgeben den Cranach-Altar am Donnerstag mit einem luftdichten Folienzelt, in dem auch die Skulpturen zu stehen kommen. Danach wird Stickstoff ins Zelt eingeleitet, das die Holzwürmer tötet.
"Ein völlig ungiftiges Verfahren", sagt Joachim Binker. Der Stickstoff werde aus der Luft gewonnen. Dazu leitet man diese in eine Zerlegungsanlage, die die 80 Prozent Stickstoff von den 20 Prozent Sauerstoff trennt. Der gewonnene Stickstoff fließt ins Zelt und tötet nach und nach die Holzschädlinge, weil ihnen der Sauerstoff fehlt.
"Das Gute an diesem Verfahren ist, dass wir den Dom nicht absperren müssen, weil kein Giftgas verwendet wird", unterstreicht Binker. Selbst wenn man das Stickstoffzelt aufschlitzen würde, käme kein Mensch zu Schaden. "Der Stickstoff würde sich sofort in der Luft verdünnen", erläutert Fachmann Binker.
Allerdings braucht dieses Verfahren seine Zeit. Gut sechs Wochen dauert es, bis das Folienzelt wieder abgebaut wird. Die Gründe liegen für Joachim Binker auf der Hand: "Einmal sind Insekten gegenüber Sauerstoffabschluss widerstandsfähiger als andere Organismen", sagt er. Außerdem müsse man die verschiedenen Entwicklungstadien des Insekts berücksichtigen. "Larven und Käfer sterben relativ schnell. Dagegen befinden sich Eier und Puppen im Ruhestadium und brauchen länger, bis sie abgetötet sind."
Nach sechs Wochen, so hofft Kunstgutbeauftragter Bornschein, lautet dann die Meldung: Wurmfrei! Aber er weiß um die Vorläufigkeit der Maßnahme. "Direkt nach dem Abbau des Zeltes kann theoretisch schon der nächste Käfer in den Altar kriechen", sagt Bormschein. Letzte Sicherheit gebe es im Holzschutz eben nicht. Das werden wohl nur Holzwürmer zu schätzen wissen.

