Bischof Joachim Wanke
Bischof Wanke schreibt im Hirtenbrief über die Besonderheit des Christentums
Erfurt (BiP). Angesichts religiöser Trends der Gegenwart hat der Erfurter Bischof Joachim Wanke die katholischen Christen aufgerufen, sich der Besonderheit des christlichen Glaubens neu bewusst zu werden.
"Ich sehe Zeiten kommen, in denen wir auf die Frage: ?Sind Sie religiös?? antworten müssen: ?Nein. Ich bin nicht religiös. Ich bin ein Christ?." Religiosität, die sich in modischen Stimmungen und esoterischen Praktiken äußert, habe nichts mit dem Christentum zu tun. "Man kann in Deutschland religiös sein - und ist deshalb noch lange kein Christ", schreibt der Bischof in seinem Hirtenbrief zur österlichen Bußzeit (Fastenzeit), der am ersten Fastensonntag in allen Gemeinden des Bistums Erfurt verlesen wird.
Das religiöse Gefühl, dass die Welt mehr sei als die bloße Materie, sieht Wanke durchaus als einen Anknüpfungspunkt für den christlichen Glauben. Aber das vage Fühlen einer überirdischen Macht sei noch nicht die Erkenntnis Gottes, wie auch die gelegentliche Versenkung in das eigene Innere noch kein christlicher Gottesdienst sei. "Recht tun, Güte und Treue leben und in Ehrfurcht den Weg mit Gott zu gehen (Micha 6,8) - einen Christen erkennt man daran, dass er gute Früchte hervorbringt", unterstreicht der Erfurter Bischof. Die Fastenzeit lade dazu ein, neu nach Gottes Willen zu fragen und ihn zu erfüllen, so Wanke.
Es gebe auch heute die "Versuchung, die Welt anzubeten und seine Seele an sie zu verkaufen", schreibt der Bischof. Weil die Grenze zwischen berechtigter Freude über wachsende Lebensqualität einerseits und einer falschen Anhänglichkeit an die Welt andererseits nicht immer leicht zu erkennen sei, laute die entscheidende Frage: "Welchen Preis darf etwas für mein Leben haben?"
Durch Nächstenliebe, tätigen Einsatz und praktische Solidarität werde man ein Bürger des anbrechenden Gottesreiches, betont Wanke. "Diese Welt in der wir leben, ist nicht das Ziel, sondern der Weg." Das Wissen um den Gotteshorizont allen irdischen Daseins zeichne den Christen aus, hebt der Bischof hervor. Das mache einerseits gelassen und unabhängig, andererseits lehre der Glaube, dass diese Welt nicht das letzte Wort Gottes sei. "Wir sollen Bürger des Gottesreiches werden. Was nicht heißt, dass wir nicht auch gute EU-Bürger werden sollen. Vielleicht werden wir das gerade, wenn wir das Gottesreich nicht vergessen."
Stichwort: Hirtenbrief
Der Hirtenbrief ist das Schreiben eines Bischofs an die Gemeinden bzw. Gläubigen seines Bistums. Darin äußert sich der Bischof als Leiter des Bistums und oberster Priester zu Problemen der Zeit, zu theologischen oder seelsorglichen Fragen. Die Briefe werden in der Regel im sonntäglichen Gottesdienst verlesen.
Ihr frühestes Vorbild haben die Hirtenbriefe in den Apostelbriefen im Neuen Testament. Mit ihren Briefen haben die Apostel den Kontakt zu den Gemeinden gehalten, das Gemeindeleben geordnet sowie Streitigkeiten und theologische Grundsatzfragen geklärt. Auf dieser Linie liegen auch die Hirtenbriefe heutiger Zeit.
Seit der Mitte des 18. Jahrhunderts ist es in deutschen Bistümern üblich, zu Beginn der Fastenzeit einen Hirtenbrief an die Gemeinden zu schicken.
Neben den Hirtenbriefen einzelner Bischöfe gibt es auch gemeinsame Hirtenbriefe aller Bischöfe eines Landes. Sie behandeln meist Themen von überregionaler Bedeutung.
Text des Hirtenbriefes von Bischof Joachim Wanke