Ostern beginnt am Donnerstag

Interview mit dem Erfurter Liturgiewissenschaftler Professor Benedikt Kranemann zum Osterfest

Gehen die Uhren in der Kirche anders? Im Kalender des Jahres 2007 steht Ostern unter dem Datum des 8. Aprils. In der katholischen Kirche beginnt man aber schon früher mit den Osterfeiern. Warum das so sit, erklärt Professor Benedikt Kranemann von der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt im Gespräch mit Peter Weidemann.


Kann es den Katholiken mit Ostern nicht schnell genug gehen, wenn sie schon am Donnerstag vor Ostersonntag mit dem Feiern beginnen?


Die Kirche feiert ein so genanntes österliches Triduum, also österliche drei Tage, die bis Ostersonntag dauern. Dabei gedenkt sie des Leidens, Sterbens und der Auferstehung Jesu Christi. Auch wenn es nicht logisch ist, weil man eigentlich von vier Tagen sprechen müsste, zählt der Abend des Gründonnerstages zu diesem Triduum. Das liegt an der geschichtlichen Entwicklung des Osterfestes, ist aber inhaltlich nachvollziehbar: Am Gründonnerstag gedenken die Christen des letzten Abendmahles Jesu mit seinen Jüngern vor seinem Kreuzestod und feiern selbst das Abendmahl, die Eucharistie.


Im allgemeinen Bewusstsein wird Weihnachten höher geschätzt als das Osterfest. Sehen das auch die Christen so?


Die Auferstehung Jesu Christi ist die Basis des christlichen Glaubens, mit der alles steht und fällt. Darum beziehen sich alle gottesdienstlichen Feiern, die Liturgien, auf die Osternacht und damit auf die Osterliturgie. Sie ist so etwas wie die Mutter aller Liturgien. Beispielsweise feiern wir Weihnachten nicht einfach die Geburt Jesu, sondern seine Geburt als Erlöser, der uns durch sein Sterben und seine Auferstehung vom Tod befreit hat. Das christliche Festjahr hat seine Mitte im Ostergeschehen, und das sollte auch immer wieder deutlich werden, um das Zentrum des Glaubens nicht aus dem Blick zu verlieren.


Wie wird das österliche Triduum begangen?


Jeder Tag hat gewissermaßen sein eigenes Thema. Der Gründonnerstag steht im Zeichen der sich verschenkenden Liebe Gottes, die mitunter die gesellschaftliche Ordnung auf den Kopf stellt. Das unterstreicht eindrücklich die Fußwaschung: Wie Jesus im Abendmahlssaal seinen Jüngern, wäscht der Priester im Gottesdienst Gemeindemitgliedern die Füße. Ein Zeichen für die Gemeinde, dem Beispiel Jesu zu folgen und ganz für den anderen da zu sein - ungeachtet des eigenen gesellschaftlichen Ranges! Und wenn die die Gemeinde danach die Eucharistie feiert, die Jesus am Vorabend seines Todes zum ersten Mal gefeiert hat, wird ebenso deutlich, dass die Abendmahlsfeier nichts Vergangenes erinnert, sondern die Menschen im Hier und Jetzt betrifft: "Das ist heute", heißt es im Eucharistiegebet.


Am Karfreitag geht es um die Kreuzigung?


Den Karfreitag prägen das Leiden und Sterben Jesu. In der Kirche brennt keine Kerze, der Altar ist leer geräumt, Blumen oder Altarschmuck gibt es nicht. Glocken und Orgel müssen schweigen. Die Liturgie am Nachmittag beginnt in aller Stille: Um 15 Uhr, der biblisch überlieferten Todesstunde Jesu, wirft sich der Priester zu Boden, die Gemeinde kniet. Die Lesungen und die Passionsgeschichte aus dem Johannes-Evangelium erinnern und deuten das Leiden Jesu. Der Priester enthüllt unter feierlichem Gesang ein großes Kreuz, an dem die ganze Gemeinde vorüber zieht.


Das hört sich alles sehr ernst und traurig an.


Aber es macht sich keine lähmende Trauer breit. In zehn großen Fürbitten spricht die Gemeinde vor Gott ihre Anliegen aus: beispielsweise für die Kirche, das Miteinander der Konfessionen, für das Judentum, für die Menschen, die nicht an Gott glauben, für unser Land und die Welt insgesamt. Schon im Schatten des Kreuzes bricht die österliche Hoffnung durch: Gott lässt den Menschen nicht allein, ihm kann der Mensch auch in dunklen Stunden vertrauen. Man sollte nicht vergessen, dass es um ein Triduum geht, einen "Dreitag". Im Gedächtnis des Todes ist die Auferstehung präsent, aber auch die Auferstehung ist nicht ohne die Passion denkbar.


Und am Karsamstag werden die Eier gefärbt und eingekauft?


Faktisch ist es wohl so. Der Karsamstag wird auch von den Katholiken etwas stiefmütterlich behandelt. Dabei ist er so etwas wie ein Symbol für die christliche Existenz: Der Christ lebt in der Spannung von Tod und Auferstehung. Die Theologie spricht vom "Schon" und "Noch nicht". Dem Christen ist zugesprochen, dass er an einer lichten Zukunft schon Anteil hat, doch zugleich lebt er noch mit den Schatten des Todes. Das auszuhalten bedeutet nicht nur heitere Stunden.


Es fällt auf, dass Licht und Dunkelheit beim Osterfest eine große Rolle spielen.


Das zeigt besonders die Feier der Osternacht. Sie beginnt im Dunkel der Nacht und sollte im Morgendämmern enden. Denn Ostern feiert Christus, den Auferstandenen, als das Licht der Welt. Das Todesdunkel hat keine Macht mehr über die Menschen.


Welche Symbole und Riten machen dies deutlich?


Da ist einmal das Osterfeuer, das vor der Kirche brennt und an dem die Osterkerze, die Christus selbst symbolisiert, entzündet wird. Das brennende Christuslicht wird in die stockfinstere Kirche getragen. Dreimal ruft der Priester dabei "Lumen Christi (Christus das Licht)" und entzündet mit der Osterflamme die Kerzen der Gläubigen. Wenn dann das Exsultet, das große Osterlob - übrigens ein sehr poetischer, bilderreicher Text - feierlich gesungen wird, ist die Kirche in ein warmes Licht getaucht. Ein sehr bewegender Moment.


Warum wird in der Osternacht auch getauft?


Die Osternacht war vom Anfang der Kirche an ein herausragender Tauftermin, weil die Taufe das österliche Geschehen nachvollzieht. Der Täufling wird im Taufwasser "begraben", um mit Christus zu neuem Leben aufzuerstehen. Auch die Gemeinde erneuert in der Osterliturgie ihr Taufversprechen, als Christen leben zu wollen, und wird dabei mit dem geweihten Taufwasser besprengt.


Ostereier und Osterhasen kommen in der Liturgie wohl nicht vor?


Wenn man einmal von Speisesegnungen absieht, kommen sie nur außerhalb des Kirchenraumes vor. Zum festlich gedeckten Ostertisch gehören bunte Eier und der Osterhase. Es handelt sich dabei um ursprünglich christliches Brauchtum: Dem äußerlich toten Ei entschlüpft neues Leben - das allein spricht schon für das Ei als ein Ostersymbol. Ü;ber die Entstehung des Osterhasen gibt es mehrere Theorien. Eine lautet, der Hase sei zum Ostersymbol geworden, weil es die Meinung gab, er würde nie schlafen und deshalb wachsam auf den Jüngsten Tag warten.


Das Triduum endet mit dem Sonntag. Aber es gibt ja noch den Ostermontag.


Große Feste wollen groß gefeiert werden. Auch mit dem Ostermontag ist Ostern nicht beendet. Die Kirche feiert das Auferstehungsfest 50 Tage lang, bis Pfingsten. Außerdem gilt jeder Sonntag im Jahr als Ostertag. Und wer die Feier des österlichen Triduums bewusst mitvollzogen hat, wird sich mit einem Feiertag gar nicht zufrieden geben können. Die österliche Freude verändert den Alltag und stiftet dazu an, im eigenen Umfeld die Dunkelheit zu vertreiben. Ostern ist keine historisierende Schau der Jesus-Geschichte und schon gar nicht eine Vertröstung auf das Jenseits. Im Gegenteil: Sie lässt die Welt mit neuen Augen sehen und entsprechend gestalten.