Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,
die biblischen Texte, die wir gehört haben und die uns die Kinder vor Augen geführt haben, können uns gut einstimmen auf den diesjährigen Thüringentag in Sömmerda. Der Evangelist Lukas erzählt von zwei Männern, die aus ihrer alltäglichen Welt aufgebrochen sind, um Zeit zu haben für ein Gespräch miteinander. Es hatte sich vieles ereignet, über das sie sprechen und sich austauschen wollten. Dieses Gespräch öffnete sich für einen Dritten, der sich einmischte und den beiden dabei half, zu verarbeiten und zu verstehen, was geschehen war. Ich hoffe, dass es auf dem Thüringentag in Sömmerda auch viele solcher guten Gespräche und Begegnungen gibt, die die Gemeinschaft fördern, das Verständnis füreinander stärken und das Leben bereichern. Sicher ist es schön und hilfreich, sich dabei auch an einem Tisch setzen zu können, um miteinander zu essen und zu trinken. Für die beiden Männer, von denen der Evangelist Lukas erzählt, war ihr Spaziergang nach Emmaus und ihr Beisammensein in der dortigen Gaststätte nicht nur eine gute und heilsame menschliche Begegnung, sie war auch offen für die Dimension Gottes, der in der Person Jesu mit ihnen unterwegs gewesen ist.
Der Abschnitt aus der Offenbarung des Johannes, den wir gehört haben, steht auf den letzten Seiten der Bibel, in der die große Hoffnung auf die zukünftige Welt Gottes beschrieben wird. Die Bibel beschreibt diese große Hoffnung im Bild einer Stadt. Es ist die Stadt Jersualem, Jeruschalajim, das heißt übersetzt „Stadt des Friedens“. In dieser Stadt herrscht kein Nebeneinander oder Gegeneinander, sondern ein Miteinander, das wohltuend und tröstend für die Menschen ist. Möge Sömmerda in der Zeit des Thüringentags eine solche Stadt sein.
Unser Gottesdienst steht unter dem Motto des ökumenischen Kirchendorfes, das im Rahmen des Thüringentages entsteht: „Kirche findet sta(d)tt!“. Die Schreibweise verrät, dass es nicht nur darum geht, dass sich Kirche ereignet, dass sie stattfindet, sondern auch, dass sie sich in der Stadt ereignet. Das Besondere der visionären Stadt, von der die Bibel berichtet, ist, dass in ihrer Mitte Gott sein Zelt aufgeschlagen hat. So wie die Kirche, deren Kirchturm zum Himmel zeigt, mitten in der Stadt steht, so steht das Zelt Gottes mitten in der himmlischen Stadt Jerusalem. Das macht sie zum Himmel.
Wo Menschen anfangen, Gott in die Mitte zu stellen, kommt etwas vom Himmel auf die Erde. Da sieht man nicht nur die Großen, die Mächtigen und die Reichen, sondern da sieht man alle, auch diejenigen, die Tränen in ihren Augen haben. Da ist der Fremde nicht der Feind, sondern das Kind Gottes, dessen Lebensgeschichte und Kultur Interesse weckt. Da kommt auch der zu Wort, der nicht lautstark Parolen verkündet. Möge beim Thüringentag etwas von dieser biblischen Hoffnung in Sömmerda erlebbar sein.