Freut sich über die Elisabeth-Feier
im geeinten Deutschland:
Bischof Joachim Wanke
Predigt von Bischof Joachim Wanke in der Feierstunde der Elisabethwallfahrt
Liebe Wallfahrtsgemeinde,
liebe Brüder und Schwestern im Herrn!
"Danken wir, dass uns Elisabeth, diese wahrhaft große Frau geschenkt wurde" - so hat uns heute Kardinal Walter Kasper in seiner Festpredigt zugerufen. Genau das tun wir heute - mit unserer Wallfahrt und den Feiern gestern an den fünf authentischen Elisabethorten, der abendlichen Lichterprozession hier in der Stadt, dem Festgottesdienst heute morgen und nun mit diesem festlichen Abschluss des Tages an den Domstufen.
In diesem Augenblick gehen meine Gedanken zurück zur Elisabethwallfahrt 1981, ebenfalls hier auf diesem Platz gefeiert, damals anlässlich ihres 750. Todesjahres. Ich weiß noch um die Schwierigkeiten und Probleme, die diese Wallfahrt gemacht hat, weniger uns als vielmehr den damaligen staatlichen Stellen. In den Stasi-Protokollen ist heute alles noch nachzulesen.
Welch eine Veränderung! Heute haben wir den Bundespräsidenten zu Gast, aber nicht als Repräsentant eines anderen Landes, sondern unseres gemeinsamen, friedlich wiedervereinigten Vaterlandes.
Sehr geehrter Herr Bundespräsident! Ich danke Ihnen für Ihr Kommen und schon jetzt für Ihr Wort, dass Sie am Ende dieser Feierstunde an uns richten werden. Ich sehe in ihrem Kommen ein Zeichen der Anerkennung für die vielen, die in den Jahren vor dem politischen Umschwung ihr Christsein unter den schwierigen Bedingungen des damaligen Staatssozialismus gelebt haben. Dazu gehörten Tapferkeit und Durchhaltevermögen - vor allem auch das Aushalten der frustrierenden Erfahrung, oft mit seinen Ü;berzeugungen allein zu stehen und sich in den Gemeinden als kleine Herde zu erfahren. Aber das war die kostbare, positive Erfahrung jener Jahrzehnte: Die Wahrheit ist nicht immer bei Mehrheiten, mögen diese sich noch so lautstark und scheinbar allmächtig geben.
Liebe Schwestern und Brüder,
Ihr wisst, wie sehr uns damals die Feier des Elisabethjubiläums im Glauben und beim Zusammenhalt in den Pfarrgemeinden bestärkt hat. Dankbar waren wir 1981 besonders auch für die Gäste aus Osteuropa, die ja den gleichen, oft noch schlimmeren Bedrängnissen wie wir ausgesetzt waren. Die Bischöfe aus Fulda, Würzburg und Paderborn durften damals ja überhaupt nicht nach Erfurt kommen. Umso dankbarer bin ich für den heutigen Tag und die erfahrene Gemeinschaft mit so vielen Gästen und Wallfahrern aus West und Ost. Danke Ihnen allen, dass Sie heute unter uns sind!
Ich verrate kein Geheimnis: Auch heute ist es nicht leicht, als Christ zu leben. Die Freiheit, christlich zu handeln und das Evangelium in die Gesellschaft hineinzutragen, muss heutzutage nicht gegenüber einer allmächtigen Staatspartei mühsam behauptet werden. Diese Freiheit muss heute vielmehr gegenüber verbreiteter religiöser Gleichgültigkeit und wahrheitsmüdem Skeptizismus festgehalten werden. Religiöser Glaube ist jetzt zwar nicht mehr falsches Denken, wie uns der Marxismus einzureden versuchte, aber er erscheint vielen als zu mühselig und zu anstrengend.
In dieser geistigen Luft einer gewandelten gesellschaftlichen Umwelt ist das Lebenszeugnis einer Heiligen wie Elisabeth ein großes Ausrufezeichen, genauso wie damals 1981, als man auf das Aussterben des Christentums hoffte. Auch im Jahr 2007 spricht ihr Leben die Menschen an. Ich staune und bin dankbar, welch vielfältiges Echo das Jubiläumsjahr weit über die christlichen Kirchen hinaus auch in der säkularen Öffentlichkeit gefunden hat. Es muss doch etwas geben, was die Menschen an dieser Gestalt fasziniert.
Vielleicht ist es dies: Die Heiligen schauen in ihrem Handeln nicht auf andere. Sie verstecken sich nicht hinter Mehrheiten. Sie handeln einfach aus ihrem Gewissen heraus, aus dem, was ihnen der Glaube sagt. "Was du dem Geringesten meiner Brüder getan hast, dass hast du mir getan!" Dieses Wort Jesu hat Elisabeths Leben bestimmt. Und sie hat dieses Wort gehört vom Kreuz her, von dem, der sich selbst uns in Liebe geschenkt hat.
Ein bekannter Werbespruch sagt: "Mit dem Zweiten sieht man besser!" In der Tat: Mit dem zweiten Auge, dem Auge des Glaubens, mit der Perspektive des Evangeliums sieht man mehr. Man sieht besser, worauf es ankommt, was wirklich zählt und mein Leben reich macht. Man sieht auch, was uns und unserer Gesellschaft Zukunft gibt: Solidarität, Liebe, ja: auch Gerechtigkeit, aber noch mehr Barmherzigkeit und Mitempfinden mit denen, die auf Hilfe angewiesen sind.
Wie hieß es in der "Sendung mit dem Schaf"? Ohne Barmherzigkeit wird alles erbärmlich.
Menschen, die mit erbarmender Liebe in Berührung kommen, kommen mit Gott in Berührung. Es gibt auch heute über die Kirchenmitgliedschaft hinaus viele, die von Gott angerührt werden. Unsere Caritasfrauen und -männer - was tun sie anderes, als in ihrem Tun ohne Worte von Gottes Liebe zu sprechen? Sie gleichsam hautnah erfahrbar zu machen? Und deine alltäglich geübte Barmherzigkeit in der Familie, in der Nachbarschaft, im Berufsalltag, und nicht nur in Pflege- und Krankenhausberufen, ist das nicht auch Gottesverkündigung? Und braucht es- neben aller kühlen Sachlichkeit, die den Problemen auf den Grund geht - nicht auch Barmherzigkeit im Raum des politischen Handelns, braucht nicht auch unsere Wirtschaft eine Ethik, die den anderen nicht einfach an die Wand spielt, braucht es nicht auch in der Bildung, Kunst und Kultur den Hinweis auf das, was uns Menschen menschlich macht?
Ü;berall, wo Lasten mitgetragen, Leid gemindert, Schuld vergeben, Versöhnung ermöglicht, eben, wo barmherzig gehandelt wird, wird Gott verherrlicht - und darin der Mensch groß gemacht. Wenn das die Früchte des Elisabethjahres sind, dann hat es sich gelohnt dieses Jahr zu feiern. Amen.
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