"Lieber PapstBenedikt, wir danken Dir für Dein Glaubenszeugnis!"

Predigt von Bischof em. Joachim Wanke bei der Dankmesse für das

Pontifikat von Papst Benedikt XVI.

Liebe Schwestern

und Brüder!

Dieser Abschied

kam überraschend! Als Papst Benedikt vor zwei Wochen seinen Rücktritt vom

Papstamt für den heutigen Tag ankündigte, gab es innerhalb und außerhalb der

Kirche ein erschrecktes Innehalten. Geht das überhaupt? Ein Papst in Rente?

Dass es dies als theoretische Möglichkeit gab, war grundsätzlich bekannt. Aber

dass ein Papst damit persönlich ernst macht - das weckte Verwunderung und

Erstaunen.

Die Reaktionen

auf diesen Rücktritt sind bekannt. Es gab eine Fülle von Äußerungen, angefangen

von solchen des Respekts für diese Entscheidung, über das Verständnis für die

vom Papst selbst angegebenen Gründe für diesen Schritt bis hin zu wilden

Spekulationen und Mutmaßungen.

Um all das

braucht es uns heute nicht zu gehen. Wir sind vielmehr hier im Dom zusammengekommen,

um dem scheidenden Papst für seinen Dienst zu danken, mit ihm und für ihn zu

beten - und vor allem auch Gott um einen neuen Petrusnachfolger zu bitten, der

geeignet und bereit ist, in diesen schwierigen Zeiten dieses Amt zu übernehmen.

Der Abschnitt aus

dem Johannesevangelium (Joh 21,1.15-19), den wir heute hörten, erzählt von der Einsetzung des

Petrus in seinen Hirtendienst durch den auferstandenen Herrn. Eine

eindringliche und bewegende Szene wird geschildert, die deutlich zeigt, wie

sehr sich die vom Evangelisten Johannes geprägten Christen Petrus verbunden

wissen. Im Hintergrund dürfen wir dabei an den Bericht von der Berufung des

Petrus zum "Felsenmann" der Kirche aus dem Matthäusevangelium (Mt 16,

13-20) denken, der hier im Licht der Ostererfahrung neu beleuchtet und

bestätigt wird.

Interessant ist,

welche Berufungskriterien in diesem Bericht bei der Auswahl des Petrus zum

universalen Hirtendienst in der Kirche zur Geltung kommen. Wenn heute nach

einer Person Ausschau gehalten wird, die geeignet ist, eine Führungsrolle in

Gesellschaft oder Politik zu übernehmen, da gelten etwa diese Kriterien:

Sachverstand, fester Charakter, Führungsqualitäten und ähnliches mehr.

Von all dem ist

in der Berufungsgeschichte des Petrus nicht die Rede. Ein einziges, merkwürdiges

Kriterium wird ins Spiel gebracht, um zu begründen, dass nun der Fischer Simon

zum Menschenfischer Petrus werden soll: ob er den Herrn liebt! Dreimal stellt

der Herr dem Apostel die Frage: "Simon, Simon, liebst du mich?" Und

erst, als Simon diese Frage dreimal bejaht, wobei seine Antwort am Ende ganz

kleinlaut wird im Wissen um seine persönliche Schwäche und sein Versagen - erst

da wird ihm seine Berufung zum Hirten der Kirche vom Auferstandenen her zuteil:

"Weide meine Schafe!"

Und im Fortgang

wird dann noch in der Geschichte erzählt, wie ein anderer, nämlich Gott selbst,

im Alter den Petrus binden und führen wird wohin er nicht will - diese Stelle

wird Papst Benedikt in den letzten Wochen wohl besonders nachdenklich gelesen

und betrachtet haben. Denn hier deutet der Erzähler das spätere Martyrium des

Petrus an, in dem er seine Liebe zum Herrn in der eigenen Lebenshingabe

besiegelt hat.

Was heißt das nun

für die Kirche unserer Tage? Wer sich vom Herrn in die Nachfolge des Petrus

berufen lassen will, muss zunächst und vor allem - den Herrn lieben. Das ist

das Fundament seines Amtes, das Eignungskriterium schlechthin.

Wir spüren, wie

zweitrangig all die anderen Kriterien für einen neuen Papst sind, die

gegenwärtig in der Öffentlichkeit diskutiert werden - ob er reformfreudig,

modern, dialogfähig ist, ob er aus Europa, Afrika oder Asien kommen soll und

möglichst viele Sprachen beherrscht. Irgendwo ist das natürlich auch wichtig

und für die demnächst wählenden Kardinäle zu bedenken.

Entscheidend

freilich ist, ob der neue Papst versteht, sein Amt auf Jesus Christus hin

transparent zu machen. Denn er, Jesus Christus, der Auferstandene, ist der

eigentliche Hirt der Kirche und das Haupt der erlösten Menschheit. Der Dienst

des Bischofs von Rom muss erkennbar werden lassen, dass es in der Kirche um

Jesus Christus geht, um sein Evangelium, um seine uns alle aus Sünde und Tod

befreiende Lebenshingabe an den Vater. Für uns alle gilt es, diese

nachzuvollziehen - in einem Leben, dass immer mehr christusförmiger, immer mehr

ihm ähnlicher werden soll.

Für dieses

Glaubenszeugnis, das Jesus Christus in die Mitte stellt, haben wir dem

Seelsorger, dem Theologen und Papst Benedikt zu danken. Er hat in bewegenden,

eindrücklichen und auch demütigen Worten und Gesten immer wieder auf diese

Mitte unseres Glaubens hingewiesen. Er hat vielen Menschen geholfen, ihr Leben

an Jesus Christus und seinem Wort auszurichten. Er hat gewarnt davor, den

trügerischen Verheißungen einer gottfernen Welt zu trauen, die eben keine "Worte

ewigen Lebens" für uns hat. Daran haben sich auch manche Leute gestoßen.

Aber das eben gehört zum Amt des Papstes: die Kirche in der Wahrheit des

Evangeliums zu halten und im Glauben sich nicht erschüttern zu lassen.

Ich verstehe es

als eine Fügung, dass Papst Benedikt gerade bei seinem Abschied ein "Jahr

des Glaubens" ausgerufen hat. Er erinnert uns damit an die prophetische

Botschaft eines Jesaja, der dem Volk Israel zugerufen hat: "Glaubet ihr

nicht, so bleibet ihr nicht!" (Jes 7,9). Dankbar erinnere ich mich an die

Predigt des Papstes im September 2011 hier auf dem Erfurter Domplatz. Er hatte

uns damals an unsere Erfahrungen aus der antireligiös und antikirchlich

geprägten DDR-Zeit erinnert. Ja, in diesen Jahren hatten wir gespürt, wie der

Gottesglaube Halt geben kann, Kraft, um sich nicht verbiegen zu lassen. Wir

haben uns bemüht, "keinem anderen Stern zu folgen als dem von Bethlehem",

wie es Kardinal Meisner beim Katholikentreffen 1987 in Dresden formuliert hat.

Im Glauben standfest bleiben, die Hoffnung sich nicht verkürzen zu lassen, den

langen Atem zum Durchhalten sich bewahren - das kann Kraft und Ausdauer geben

auch in den heutigen Herausforderungen.

Und der Papst

erinnerte in seiner Predigt damals an das Glaubenszeugnis der Heiligen und

Seligen unseres Thüringer Landes. Er forderte uns auf, an ihnen Maß zu nehmen

für unseren Weg als Christen und als Ortskirche hinein in eine neue Zeit. "Wo

Gott ist, da ist Zukunft!"

Vielleicht ist

dieses Motto der Papstreise nach Deutschland im Jahr 2011 so etwas wie ein

Vermächtnis dieses Pontifikats. Und hat das Jesus nicht auch dem Petrus gesagt

- trotz des Wissen um sein späteres Versagen angesichts der Passion: "Simon,

Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf.  Ich aber habe für dich gebetet, dass dein

Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine

Brüder" (Lk 22,31f).

Lieber Papst

Benedikt, wir danken Dir für Dein Glaubenszeugnis! Und mit Dir zusammen bitten

wir für unsere Kirche auf ihrem Weg durch die kommende Zeit, für eine gute

Zukunft der Menschheit. Wir beten darum, dass unser Glaube stark bleibt, unsere

Hoffnung auf Gott nicht nachlässt und unsere Liebe zu Gott und den Menschen

immer überzeugender wird - und dass bald ein neuer Papst uns dabei stärkt! Amen.



Die Predigt wurde während des Dankgottesdienstes am 28. Februar 2013 um 18 Uhr im Dom zu Erfurt gehalten.

28.2.2013