Liebe Schwestern
und Brüder!
Dieser Abschied
kam überraschend! Als Papst Benedikt vor zwei Wochen seinen Rücktritt vom
Papstamt für den heutigen Tag ankündigte, gab es innerhalb und außerhalb der
Kirche ein erschrecktes Innehalten. Geht das überhaupt? Ein Papst in Rente?
Dass es dies als theoretische Möglichkeit gab, war grundsätzlich bekannt. Aber
dass ein Papst damit persönlich ernst macht - das weckte Verwunderung und
Erstaunen.
Die Reaktionen
auf diesen Rücktritt sind bekannt. Es gab eine Fülle von Äußerungen, angefangen
von solchen des Respekts für diese Entscheidung, über das Verständnis für die
vom Papst selbst angegebenen Gründe für diesen Schritt bis hin zu wilden
Spekulationen und Mutmaßungen.
Um all das
braucht es uns heute nicht zu gehen. Wir sind vielmehr hier im Dom zusammengekommen,
um dem scheidenden Papst für seinen Dienst zu danken, mit ihm und für ihn zu
beten - und vor allem auch Gott um einen neuen Petrusnachfolger zu bitten, der
geeignet und bereit ist, in diesen schwierigen Zeiten dieses Amt zu übernehmen.
Der Abschnitt aus
dem Johannesevangelium (Joh 21,1.15-19), den wir heute hörten, erzählt von der Einsetzung des
Petrus in seinen Hirtendienst durch den auferstandenen Herrn. Eine
eindringliche und bewegende Szene wird geschildert, die deutlich zeigt, wie
sehr sich die vom Evangelisten Johannes geprägten Christen Petrus verbunden
wissen. Im Hintergrund dürfen wir dabei an den Bericht von der Berufung des
Petrus zum "Felsenmann" der Kirche aus dem Matthäusevangelium (Mt 16,
13-20) denken, der hier im Licht der Ostererfahrung neu beleuchtet und
bestätigt wird.
Interessant ist,
welche Berufungskriterien in diesem Bericht bei der Auswahl des Petrus zum
universalen Hirtendienst in der Kirche zur Geltung kommen. Wenn heute nach
einer Person Ausschau gehalten wird, die geeignet ist, eine Führungsrolle in
Gesellschaft oder Politik zu übernehmen, da gelten etwa diese Kriterien:
Sachverstand, fester Charakter, Führungsqualitäten und ähnliches mehr.
Von all dem ist
in der Berufungsgeschichte des Petrus nicht die Rede. Ein einziges, merkwürdiges
Kriterium wird ins Spiel gebracht, um zu begründen, dass nun der Fischer Simon
zum Menschenfischer Petrus werden soll: ob er den Herrn liebt! Dreimal stellt
der Herr dem Apostel die Frage: "Simon, Simon, liebst du mich?" Und
erst, als Simon diese Frage dreimal bejaht, wobei seine Antwort am Ende ganz
kleinlaut wird im Wissen um seine persönliche Schwäche und sein Versagen - erst
da wird ihm seine Berufung zum Hirten der Kirche vom Auferstandenen her zuteil:
"Weide meine Schafe!"
Und im Fortgang
wird dann noch in der Geschichte erzählt, wie ein anderer, nämlich Gott selbst,
im Alter den Petrus binden und führen wird wohin er nicht will - diese Stelle
wird Papst Benedikt in den letzten Wochen wohl besonders nachdenklich gelesen
und betrachtet haben. Denn hier deutet der Erzähler das spätere Martyrium des
Petrus an, in dem er seine Liebe zum Herrn in der eigenen Lebenshingabe
besiegelt hat.
Was heißt das nun
für die Kirche unserer Tage? Wer sich vom Herrn in die Nachfolge des Petrus
berufen lassen will, muss zunächst und vor allem - den Herrn lieben. Das ist
das Fundament seines Amtes, das Eignungskriterium schlechthin.
Wir spüren, wie
zweitrangig all die anderen Kriterien für einen neuen Papst sind, die
gegenwärtig in der Öffentlichkeit diskutiert werden - ob er reformfreudig,
modern, dialogfähig ist, ob er aus Europa, Afrika oder Asien kommen soll und
möglichst viele Sprachen beherrscht. Irgendwo ist das natürlich auch wichtig
und für die demnächst wählenden Kardinäle zu bedenken.
Entscheidend
freilich ist, ob der neue Papst versteht, sein Amt auf Jesus Christus hin
transparent zu machen. Denn er, Jesus Christus, der Auferstandene, ist der
eigentliche Hirt der Kirche und das Haupt der erlösten Menschheit. Der Dienst
des Bischofs von Rom muss erkennbar werden lassen, dass es in der Kirche um
Jesus Christus geht, um sein Evangelium, um seine uns alle aus Sünde und Tod
befreiende Lebenshingabe an den Vater. Für uns alle gilt es, diese
nachzuvollziehen - in einem Leben, dass immer mehr christusförmiger, immer mehr
ihm ähnlicher werden soll.
Für dieses
Glaubenszeugnis, das Jesus Christus in die Mitte stellt, haben wir dem
Seelsorger, dem Theologen und Papst Benedikt zu danken. Er hat in bewegenden,
eindrücklichen und auch demütigen Worten und Gesten immer wieder auf diese
Mitte unseres Glaubens hingewiesen. Er hat vielen Menschen geholfen, ihr Leben
an Jesus Christus und seinem Wort auszurichten. Er hat gewarnt davor, den
trügerischen Verheißungen einer gottfernen Welt zu trauen, die eben keine "Worte
ewigen Lebens" für uns hat. Daran haben sich auch manche Leute gestoßen.
Aber das eben gehört zum Amt des Papstes: die Kirche in der Wahrheit des
Evangeliums zu halten und im Glauben sich nicht erschüttern zu lassen.
Ich verstehe es
als eine Fügung, dass Papst Benedikt gerade bei seinem Abschied ein "Jahr
des Glaubens" ausgerufen hat. Er erinnert uns damit an die prophetische
Botschaft eines Jesaja, der dem Volk Israel zugerufen hat: "Glaubet ihr
nicht, so bleibet ihr nicht!" (Jes 7,9). Dankbar erinnere ich mich an die
Predigt des Papstes im September 2011 hier auf dem Erfurter Domplatz. Er hatte
uns damals an unsere Erfahrungen aus der antireligiös und antikirchlich
geprägten DDR-Zeit erinnert. Ja, in diesen Jahren hatten wir gespürt, wie der
Gottesglaube Halt geben kann, Kraft, um sich nicht verbiegen zu lassen. Wir
haben uns bemüht, "keinem anderen Stern zu folgen als dem von Bethlehem",
wie es Kardinal Meisner beim Katholikentreffen 1987 in Dresden formuliert hat.
Im Glauben standfest bleiben, die Hoffnung sich nicht verkürzen zu lassen, den
langen Atem zum Durchhalten sich bewahren - das kann Kraft und Ausdauer geben
auch in den heutigen Herausforderungen.
Und der Papst
erinnerte in seiner Predigt damals an das Glaubenszeugnis der Heiligen und
Seligen unseres Thüringer Landes. Er forderte uns auf, an ihnen Maß zu nehmen
für unseren Weg als Christen und als Ortskirche hinein in eine neue Zeit. "Wo
Gott ist, da ist Zukunft!"
Vielleicht ist
dieses Motto der Papstreise nach Deutschland im Jahr 2011 so etwas wie ein
Vermächtnis dieses Pontifikats. Und hat das Jesus nicht auch dem Petrus gesagt
- trotz des Wissen um sein späteres Versagen angesichts der Passion: "Simon,
Simon, der Satan hat verlangt, dass er euch wie Weizen sieben darf. Ich aber habe für dich gebetet, dass dein
Glaube nicht erlischt. Und wenn du dich wieder bekehrt hast, dann stärke deine
Brüder" (Lk 22,31f).
Lieber Papst
Benedikt, wir danken Dir für Dein Glaubenszeugnis! Und mit Dir zusammen bitten
wir für unsere Kirche auf ihrem Weg durch die kommende Zeit, für eine gute
Zukunft der Menschheit. Wir beten darum, dass unser Glaube stark bleibt, unsere
Hoffnung auf Gott nicht nachlässt und unsere Liebe zu Gott und den Menschen
immer überzeugender wird - und dass bald ein neuer Papst uns dabei stärkt! Amen.
Die Predigt wurde während des Dankgottesdienstes am 28. Februar 2013 um 18 Uhr im Dom zu Erfurt gehalten.
28.2.2013