Laudatio zur Ehrenpromotion

Eine Würdigung von Peter Hünermann, Klemens Richter und Augustin Schmied CSSR


Eine Würdigung von Peter Hünermann, Klemens Richter und Augustin Schmied

Laudator: Prof. Dr. Josef Freitag


Jede Auswahl - besonders die Auswahl von Ehrungen - ist begründungsbedürftig, aber auch begründungsfähig, deswegen muss ich reden.


Aber die Begründungen bleiben immer ergänzungsbedürftig! Das gilt auch von der Auswahl derer, denen die Theologische Fakultät der Universität Erfurt heute Abend den Doctor theologiae honoris causa verleihen möchte.


Ich darf in dieser laudatio unsere guten Gründe nennen und lasse es jedem unbenommen, weitere hinzuzufügen. Zweifel hatten wir nicht, Kontrovers war unsere Debatte zur Auswahl auch nicht. Das ist bei zünftigen Professoren ein eher seltenes Ereignis.


Wir wollten nicht nur einen hervorheben, so kamen wir schnell auf die Theologen geläufige Dreizahl. Alle möglichen Appropriationen einer der drei Erwählten zu einer der drei göttlichen Personen überlasse ich ausdrücklich Ihnen. Nur die Bitte habe ich, dass Sie, die Gäste, und Sie, die Geehrten, sich klar machen, dass allen drei Personen gleiche Ehre gebührt. Es gibt zwar in der Trinität eine Ordnung, eine taxis, aber keine Hierarchie, ausdrücklich keine Subordination. Mit dieser Grundregel der Trinitätslehre haben Sie auch schon die hermeneutische Grundregel, nach der Sie bitte meine weiteren Ausführungen hören und beurteilen. Anders gesagt: Jedem das Seine, seine Proprietät, seine Eigenheit, nur so werden die Personen in ihrer Unterschiedenheit wirklich gleich behandelt und nicht eine an der anderen gemessen.



I.


Peter Hünermann, geboren 1929 in Berlin, Priester des Bistums Aachen, Studium in Rom, Professor in Münster und Tübingen, hat in Forschung und Lehre Hervorragendes geleistet. Seine Homepage an der Uni Tübingen erspart mir jede Aufzählung. Er ist darüber hinaus ein Denker in theologischen Methodenfragen, ein großer Anreger für Weiterarbeit anderer, vielfacher Doktorvater und schließlich ein Wissenschaftsorganisator.




Der Titel seiner Habilitationsschrift "Der Durchbruch des geschichtlichen Denkens" ist zum Programm seiner Theologie geworden, das er u. a. in seinen großen Büchern zur Christologie und Ekklesiologie eingelöst hat. Er arbeitet nicht einfach historisch, sondern es gelingt ihm die geistige Dynamik der Geschichte theologisch aufzunehmen und für theologisches Erkennen fruchtbar zu machen.


Seine Arbeiten zur Methodik und Prinzipienlehre der Theologie hat er in seiner "Dogmatischen Prinzipienlehre" gebündelt. Ausgehend von Melchior Cano, vielleicht angeregt vom Tübinger Kollegen Seckler, hat er die Loci-Lehre weiterentwickelt. Die Resultate sieht man im neuen Kommentar zum Vaticanum II.


In die Theologiegeschichte, ja die Theologensprache ist der durch den "Denzinger-Hünermann" eingegangen. Das ist die mit neu erarbeiteter Ü;bersetzung herausgegebene, zweisprachige, mit neuen Einleitungen zu den einzelnen Dokumenten und mit systematischem Ü;berblick/Register versehene Ausgabe des früheren lateinischen Denzinger-Schönmetzer, jetzt als Denzinger-Hünermann weitergeführt zur 40. Auflage, in der Textauswahl des Lehramtes bis zum Jahr 2003.


Die jüngste, langfristig vorbereitete und mit Kollegen durchgeführte Initiative ist der fünfbändige neue Kommentar zum Vaticanum II vierzig Jahre nach Abschluss des Konzils. Hier liegt nach der kommentierten Ausgabe der Konzilsbeschlüsse in den LThK-Ergänzungsbänden ein neuer Standardkommentar zum Vaticanum II vor. Er arbeitet nicht nur die bisherige Rezeptionsgeschichte auf und benennt unabgegoltene Aussagen des Konzils, sondern bietet auch Perspektiven für das 21. Jahrhundert. Hünermann selbst hat in Auseinandersetzung mit bisherigen Ansätzen einen eigenen Ansatz zur Konzilsinterpretation entwickelt, nämlich die Konzilstexte im Sinne von Verfassungstexten der Kirche zu lesen, die ihrem Denken, Reden und Handeln, Grund, Rahmen und Richtung geben.


Seinen wachen Sinn für Auseinandersetzungen und den Mut, in theologischen Streitfragen fundiert und prononciert Stellung zu nehmen, hat Prof. Hünermann mehrfach bewiesen, nicht nur im Fall Küng (was ihn nicht hinderte, in Tübingen Professor zu werden). Seine Verteidigung des Befreiungstheologen Jon Sobrino aus dem letzen Jahr in der Herder Korrespondenz ist nur das jüngste Beispiel. Stellungnahmen zu römischen Instruktionen gab es vorher.


Einen ganz anderen Aufgaben- und Wirkbereich stellt sein Engagement für Wissenschaft und Theologie in Lateinamerika dar, die er 1973 in der Nachfolge seines theologischen Lehrers Welte als Vorsitzender des Stipendienwerkes Lateinamerika begann. Hier hat er den Nachwuchs und die Wissenschaftspolitik lateinamerikanischer Universitäten mitgestaltet und als Theologe und Philosoph weit über den Bereich von Theologie und Philosophie hinaus gewirkt. Das bestätigt seine Berufung zur Präsidentschaft des Katholischen Akademischen Austauschdienstes 1985. Auf diesem Hintergrund versteht sich seine Berufung als Mitglied des Strukturausschusses der Gründungskommission der Universität Erfurt 1993, die ihn mit Erfurt und unserer Fakultät besonders verbindet und u.a. Anlass, aber nicht Sachgrund für die Verleihung der Ehrenpromotion durch unsere Fakultät ist.


Wiederum ein anderer Arbeitsbereich und seine Fähigkeit, Anreger für Großes zu werden, zeigte sich in der Initiierung der Europäischen Gesellschaft für Katholische Theologie. Er wurde ihr Gründungs-präsident von 1989 bis 1995 und ist seitdem ihr Ehrenpräsident. Der Fall des Eisernen Vorhangs fand mit dieser Gründung Strukturen vor, in denen sich die europäische Zusammenarbeit katholischer Theologen über die bisherigen Arbeitsgrenzen und Arbeitsweisen hinaus entwickeln konnte.


Manchmal ist weniger mehr. So möchte ich nur noch einen weltweiten Bereich seines theologischer Arbeitens nennen: Hünermann hat früh Grundfragen der Theologie interreligiös bearbeitet und inhaltlich in Auseinadersetzung mit den religiösen Fragen der Weltreligionen dargestellt. Sein Horizont war. nie eingeengt, immer umfassend und universal, diachron wie synchron. Es ist ein wahrhaft katholischer Horizont.


Es ist uns eine Ehre, ihm den Ehrendoktor zu verleihen.



II.


Klemens Richter darf zu den profiliertesten deutschen Liturgiewissenschaftlern gezählt werden.




1940 in Leipzig geboren, hat er in Münster und Wien Theologie, Germanistik, Geschichte und Publizistik studiert und 1968 in Münster in Liturgiewissenschaft promoviert. Nach verschiedenen Aufgaben im Bereich der Liturgik, Religionspädagogik und Hochschuldidaktik wurde er 1982 zum Professor für Liturgiewissenschaft der Universität Münster berufen und ist seit 1984 Direktor des Seminars für Liturgiewissenschaft


Prof. Richter hat von Anfang an die Impulse des 2. Vatikanischen Konzils zur Erneuerung des Gottesdienstes als ein Geschehen aufgenommen und ausgeführt, das Theologie und Gemeinde verändern muss. In einer Vielzahl von Publikationen, in denen sich liturgiewissenschaftliche Erklärung, theologische Erschließung und praktische Handreichung miteinander verbinden, hat er sich für sachgemäße Formen der Liturgie in den unterschiedlichen Feiern der Kirche eingesetzt. Zugleich hat er das nachkonziliare Profil seines Faches Liturgiewissenschaft zu schärfen versucht.


Ein wichtiges Thema, das sein wissenschaftliches Bemühen seit mehreren Jahren in diesem Sinne bestimmt, ist die Relevanz der Liturgiewissenschaft für die Theologie als ganze - in besonderer Weise in ihrer missionarischen Dimension. Dies bedeutet aber auch Öffnung der Liturgie hin zu den Forschungsrichtungen, die sich von jeweils eigenen Perspektiven her dem Menschen zuwenden: Kunst, Anthropologie und Frauenforschung (vgl. die dazu erarbeiteten einschlägigen Sammelwerke). So konnte und musste die Liturgiewissenschaft in besonderer Weise ihre Verbindungen zu den anderen theologischen Disziplinen und ihre Vernetzung im Gesamt der Theologie bedenken.


Ü;ber lange Zeiten hin ist Prof. Richter deshalb den Grundorientierungen der Liturgie und der theologischen Relevanz der Liturgiewissenschaft im Gesamt der Theologie nachgegangen.


Besonders hervorzuheben ist aus Erfurter Perspektive Prof. Richters Engagement für das theologische Bemühen in der ehemaligen DDR. Er hat immer wieder auf unterschiedlichen Ebenen auf die katholische Kirche in der DDR hingewiesen und im Westen Deutschlands auf deren Realitäten, Hoffnungen und Nöte aufmerksam gemacht. Er hat Publikationen ermöglicht, in denen die Sorge um die Kirche in der DDR angesichts vieler Hemmnisse und Schwierigkeiten zur Sprache gebracht wurde.


Die kirchliche Friedensarbeit in der DDR hat er durch Publikationen in der Bundesrepublik bekannt gemacht Die bei ihm entstandene Promotion "Das Leipziger Oratorium: Liturgie als Mitte einer lebendigen Gemeinde (EThSt 81, Leipzig 2001), bearbeitet in diesem Sinn einen kirchlichen Aufbruch, der sich im Osten Deutschlands sammelte und auf ganz Deutschland übergriff und schließlich in vielen seiner Ansätze gesamtkirchlich rezipiert wurde.


Dies sind nur wenige Beispiele für einen Transfer von Theologie, von Pastoral und von kirchlichem Bemühen, der seinerseits auf ein dichtes Netzt persönlicher Kontaktnahme, theologischer Vermittlung und fachlicher Hilfe verweist.


Offenbarung ist ein Geschehen der Vermittlung. Sie ist erst dann Offenbarung, wenn sie beim Empfänger angekommen ist. Das gilt auch von der Theologie im Dienst der Offenbarung. Vermittlungsdienst ist Dienst an der Sache der Theologie. Sie gehört zur Ehre eines des Theologen, nicht zu den Niederungen seines Geschäftes, und ist eine Ehrenpromotion wert.



III.


Auf ganz andere Weise zeigt das ebenfalls überzeugend der Dritte heute zu Ehrende,

Prof. Pater Augustin Schmied.




1932 geboren entschied Augustin Schmied sich für die Redemptoristen und studierte Philosophie und Theologie in Gars am Inn und in Innsbruck. 1962 wurde er Dozent, 1967 Professor für Dogmatik an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Redemptoristen in Gars; seit 1977 war er Lehrbeauftragter für dogmatische Theologie an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Redemptoristen in Hennef/Sieg bis zur Schließung dieser Hochschule 1996.


Sein wissenschaftliches Werk konzentriert sich vor allem auf die Aufgabe, die vor dem Konzil gegründete Fachzeitschrift "Theologie der Gegenwart", deren Schriftleiter er von 1973 bis 1988 15 Jahre lang war, nach dem Konzil den Forderungen seiner Zeit gemäß, in Sache und Stil kompetent und für Kirche und theologisches Verstehen relevant, zu entwickeln. Nach dem unerwarteten Tod seines Vorgängers gab er auf Drängen seiner Ordensoberen dieser Aufgabe einer Arbeit im Verborgenen "hinter den Kulissen" den Vorzug vor dem Abschluss seines Dissertationsprojektes, das er bei Karl Rahner aufgenommen hatte.


Seine zahlreichen Beiträge in der "Theologie der Gegenwart" sorgten dafür, Brennpunkte der theologischen Diskussion, Entwicklung und Entscheidung in ausgewogenen Ü;berblicken einem größeren Publikum zugänglich, verständlich und nachvollziehbar zu machen.


In dieser Form der wissenschaftlichen Arbeit hat Prof. Schmied eine wahre Meisterschaft entwickelt - und das in unterschiedlichsten Themenfeldern, wie sie die Gegenwart ihm abverlangte.

Man könnte u. a. nennen:

    Eucharistie als Memoriale,

    persönliches Leben aus dem Tod,

    Gebet als Dialog mit Gott?,

    Dogma ohne Dogmatismus,

    Erlösung vom Schöpfergott oder Wiederkehr Marcions?,

    Gotteslehre als trinitarische Kreuzestheologie,

    Auferstehungsglaube ohne Ostererscheinungen,

    Christentum ohne Teufelsglauben,

    ewige Strafe oder endgültiges zu nichts Werden,

    Lösungsversuch zum Problem der Naherwartung,

    Was ist ein Sakrament?,

    Papsttum im ökumenischen Gespräch,

    Erlösung als Befreiung vom Zwang zur Selbstrechtfertigung,

    Priester und Stress,

    Jesus als Glaubender,

    Einigung der Kirche - schon heute möglich!?

    Ist es noch sinnvoll von "Laien" zu sprechen, u.s.w.

Es ist erstaunlich, in welcher Breite Prof. Schmied die theologische Diskussion für die ThG-Leser und Leserinnen professionell aufgearbeitet hat. Welch wissenschaftliches Hintergrundwissen muß er haben, um in einfacher Sprache die kompliziertesten theologischen Inhalte vermitteln zu können.


Seine reiche Rezensionstätigkeit zeigt ihn als profunden und sorgfältigen Kenner theologischer Literatur und Fachdiskussion. Ob es Werke von Michael Schmaus oder Leszek Kolakowskin sind, ob er Dani?lou, Schillebeeckx, Welte, Häring, Durrwell bespricht, ob die "Großen" wie Rahner, Grillmeier oder Congar, oder ob aus der nächsten Generation Kasper, Boros, Greshake oder Schwager, ob evangelische Theologen wie Pannenberg, Thielicke, Zink, und viele andere, auch Leute wie Walter Jens, alle würdigt er mit einer unerschütterlichen Unbestechlichkeit und Ausgewogenheit.


Diese Gaben von Ausgewogenheit, Breite und Unbestechhlichkeit befähigten ihn für die Mitarbeit in der Domschule Würzburg und ihrem "Theologie im Fernkurs" Hier redigiert er verschiedene Lehrbriefe: er macht sie lesbar und lernbar.


Von seiner hohen wissenschaftlichen Kompetenz, von seiner Vermittlungsfähigkeit durch eine wissenschaftlichen Zeitschrift, von seiner Arbeit in und an einer Theologie der Gegenwart, zehrt unsere Erfurter Katholisch- Theologische Fakultät bis heute, denn sie hat seit 2005 die Herausgabe und Verantwortung für die -Zeitschrift - "Theologie der Gegenwart übernommen.


Die Ehrenpromotion von Prof. Schmied durch die Fakultät ist so nicht nur schuldiger Dank oder "dankbare Erinnerung", sondern mehr noch Ansporn, Mahnung und Massstab für die Fakultät, das erreichte Niveau der Zeitschrift nicht zu unterschreiten. Es geht weniger um die Ehre der Fakultät als um die Ehre der Theologie im Konzert der Wissenschaften. Einen der hervorragenden Musikanten, der Theologie "vorspielen" konnte, ehren wir in Prof. Schmied. Hoffentlich machen wir es als Fakultät nicht weniger gut.



Drei Doctores honoris causa