Ich freue mich, dass ich Sie anlässlich des 2. Kulturempfangs unseres Bistums heute hier begrüßen kann. Danke, dass Sie meiner Einladung gefolgt sind. Auch wenn unsere Einladung sicher nur einen sehr kleinen Teil von denen erreichen konnte, die den Reichtum und die Vielfalt der kulturellen Landschaft Thüringens prägen, so ist diese Zusammenkunft hier schon beeindruckend: Maler und Schriftsteller, Bildhauer und Musiker, Kunstwissenschaftler und politisch Verantwortliche sowie viele andere, aus der Rhön, dem Eichsfeld, aus Gera oder Eisenach.
Wenn ich dabei auf einen Gast besonders hinweise, so tue ich dies auch, um damit unser Anliegen zu unterstreichen, das ich mit dieser Einladung deutlich machen will. Unter unseren Gästen ist Pater Dominik aus Taipeh. Morgen stellt er an historischer Stelle (Refektorium des Predigerklosters) die erste geschlossene Ü;bersetzung der Traktate von Meister Eckhart in die chinesische Sprache vor. Gerade an diesem Vorgang wird deutlich, dass es im Bereich der Geisteswissenschaften nicht nur um Ü;bersetzungen von einer Sprache in die andere geht. Es geht auch um die Vermittlung zwischen der abendländischen und in diesem besonderen Fall der chinesischen Kultur. Um eine Vermittlung zwischen Mittelalter und Neuzeit und nicht zuletzt zwischen einer aus dem Christentum geprägten Kultur und dem Kulturraum anderer großer Weltreligionen. Geht es nicht auch immer wieder um die Vermittlung zwischen dem Transzendenten und dem Alltäglichen?
Künstler und Theologen sind solche Ü;bersetzer und Wanderer zwischen diesen Welten. Dabei gehen beide sicher unterschiedliche Wege, manchmal geht es ein Stück zusammen, manchmal überkreuzen sich die Wege und an Kreuzungen gibt es auch manchmal Zusammenstöße.
Sicher, das Selbstverständnis von Kunst und Theologie ist je eigens geprägt und das berechtigte Streben nach jeweiliger Autonomie ist ernst zu nehmen. Ernst zu nehmen sind aber auch die Berührungspunkte für ein mögliches Gespräch zwischen Kirche und Kunst, die vielleicht nicht auf den ersten Blick sichtbar sind. Religion und Kunst entziehen sich letztlich einer reinen Objektivierung und Vergegenständlichung. Beide machen aufmerksam auf das Unvertraute am Vertrauten, auf das Ungewohnte am Gewohnten, auf das Unverstandene am Verstandenen.
In das dadurch möglich werdende Gespräch bringt die Theologie den Begriff GOTT ein, der die Kontingenz unseres menschlichen Seins in unübersteigbarer Form markiert. In der Darstellung des Kreuzes als Heilszeichen wird die Unendlichkeit Gottes, aber auch die Endlichkeit des Menschen deutlich gemacht. In der kleinen Ausstellung im Kreuzgang wird dies ein wenig sichtbar.
Die Kunst wiederum lässt nicht zu, dass unbeantwortbare Fragen aus unserer Kultur verschwinden. Wer mit offenen Herzen durch die Ausstellung "unaussprechlich - schön" ging, die anlässlich des Meister-Eckhart-Jahres in Erfurt gezeigt wurde, wird nicht nur bei den "Meditationen" von Alexej von Jawlensky (geb. 1864) dieses Offen-halten von Fragen gespürt haben. Vielleicht hat das Postsäkulare keine Stelle, an der das Heilige unmittelbar vorkommt, aber kommt es nicht in der Abwesenheit vor, in den Leerstellen, vielleicht auch im Widerspruch? Vielleicht sind Transzendenz und Gott heute gleichsam "negativ" präsent, so dass man versucht wäre, den Titel von Samuel Beckett (gest. 1952) "Warten auf Godot" umzuformulieren in "Warten auf Gott"? Sind wir vielleicht in einer Situation, die Meister Eckhart in seiner 57. Predigt beschreibt? Er spricht über eine Stelle aus dem Buch der Weisheit (Weis 18,14): "Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab als harter Krieger mitten in das dem Verderben geweihte Land." Meister Eckhart sagt dazu: "Wo allen ihren Werken und Bildern alle ihre Kräfte entzogen sind, da erst wird dieses Wort gesprochen."
Das Gespräch zwischen Kunst und religiösem Glauben, aber auch die Auseinandersetzung ist notwendig. Kunst und Religion sind nicht identisch, aber aufeinander verwiesen. Die Aufgabe der Kirche besteht nicht darin, eine neue Kunst zu basteln, auch keine neue christliche Kunst. Die Kunst hat die Freiheit sich zu entfalten und man muss sie ihr lassen, auch in ihrem Störenden und Provokativen. Schließlich ist der Religion des Christentums auch die Provokation eigen.
Die Wahrheit der biblischen Botschaft enthält eine einzigartige Deutung Gottes und eine Deutung des Menschen, die Schriftsteller wie Martin Walser ("Tod eines Kritikers") oder Peter Handke ("Der Bildverlust") als eine ungeheure Provokation des jüdisch-christlichen Monotheismus empfinden und diesen für den Zustand der Weltgesellschaft verantwortlich machen. Dagegen und auch gegen die "Leerstellen der Transzendenz" in der Kunst wird die Kirche die Personalität Gottes und die Möglichkeit der Begegnung mit ihm auch heute immer wieder in Erinnerung rufen.
Gemeinsam suchen wir aber gleichsam nach den "Windows" über die eine Passage zum Transzendenten, zum Unverstandenen am Verstandenen möglich ist. Gemeinsam suchen und doch durch unterschiedliche Türen den Zugang zum Unverfügbaren durchschreiten! Es gibt nicht nur den religiösen Zugang zum Geheimnis. Also: Das Spezifische, die Eigenrationalität aller menschlichen Suchbewegungen darf nicht verwischt werden.
Wäre es möglich, auch hier in Thüringen ein solches Gespräch zwischen Kunst und Theologie zu organisieren? Gleichsam in Fortführung der Galerie- und Museumsveranstaltungen des Katholischen Forums? Wir Theologen wären für ein solches Gespräch dankbar und können dabei nur lernen. Ich würde mich freuen, wenn sich aus Veranstaltungen wie dieser heute manches an Folgebegegnungen ergibt - so wie das auch schon in den letzen Jahren möglich war.
Zum Schluss aber auch wieder ein Wort des Dankes. Dass ein solcher Abend so möglich ist, dafür danke ich der Paxbank und dem Leiter der Erfurter Niederlassung, Herrn Schwenken. Bleiben Sie uns gewogen!
Mein Dank gilt aber auch Ihnen und den vielen anderen, die unsere kulturelle Landschaft in Thüringen reicher machen. Sie stehen dabei in einer großen und langen Tradition. Ich denke an solche Namen wie: Meister Eckhart, Lucas Cranach d. Ä., Johann Sebastian Bach, Michael Prätorius oder auch aus neuerer Zeit den Meininger Herzog Georg und den Maler Otto Dix.
Möge es Ihnen, die Sie heute in Thüringen künstlerisch wirken, so ergehen wie den großen Namen, die mit Thüringen verbunden sind: dass auch Ihr Schaffen über Thüringen hinaus bekannt und fruchtbar wird.
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