Klein, aber oho

Vor 75 Jahren wurde in der DDR die erste katholische Kirche geweiht – in Ichtershausen

Foto: Andrea Wilke

Die DDR war ungefähr eine Woche alt, als der Fuldaer Weihbischof Adolf Bolte in einem besonderen Anliegen nach Ichtershausen reiste. Und zwar zur Weihe der katholischen Kirche St. Marien, die mit Fug und Recht eine Vertriebenenkirche genannt werden kann. Denn durch die Fluchtbewegungen am Ende des Zweiten Weltkriegs wuchs die Zahl der Katholiken von 1 Million bis 1949/50 auf ihren Höchststand von 2,77 Millionen an. 

Zwar übten die evangelischen Pfarrer „freundlich und entgegenkommend“ Gastfreundfreundschaft, doch konnte dies keine Dauerlösung sein. Als sich 1948 die Gelegenheit bot, ein Grundstück zu erwerben, wurde diese genutzt und bereits wenige Monate später mit dem Bau einer Notkirche begonnen. Die Männer setzten ihre Muskelkraft ein und halfen beim Ausschachten und Mauern und die Westverwandten des Priesters übernahmen seine Bauauslagen und die Kaufsumme für den Bauplatz. Und so konnte am 16. Oktober 1949 die katholische Kirche in Ichtershausen geweiht werden. 

Dass es über die Jahre bis heute eine Kirche mit, wenn auch weniger werdenden, aber doch spürbar lebendigen Bausteinen war und ist, zeigte sich am 19. Oktober dieses Jahres, als die Kirchortgemeinde mit etlichen Gästen das 75jährige Jubiläum ihrer Kirchweihe feierten. Im Festgottesdienst hielt Pfarrer i.R. Wolfgang Teichert, der über 30 Jahre Pfarrer in Arnstadt war, die Predigt. Er erinnerte an die Geschichte des Kirchbaus und daran, dass die Leute damals gesagt haben, sie hätten sich gewundert, dass die Katholiken erst ihre Kirche gebaut haben und dann ihre Häuser.  

Es sei ein prophetisches Zeichen, dass jetzt gerade wieder in der Kirche gebaut werde (dringende Reparatur- und Sanierungsarbeiten sind gerade im Gange), denn, so der Prediger, „wo gebaut wird, erwartet man noch etwas“. Das die Kirche weiterschrumpfe, eine kleine Herde werde, muss seiner Meinung nach nicht nachteilig sein: klein wie ein Senfkorn, aber es muss aufgehen! 

Nach dem Gottesdienst, bei dem auch die Kinder kräftig mitwirkten, ging es dann zum Feiern ins Bürgerhaus. Hier waren nicht nur der Bürgermeister, die Kirmesgesellschaft Ichtershausen e.V. und die Freiwillige Feuerwehr unter den Mitfeiernden, sondern auch der Singekreis der Stadt Ichtershausen, der sein Können zu Gehör brachte. 
Schon dies zeigt sehr deutlich, dass die katholische Kirche in Ichtershausen, ganz der Überzeugung von Prof. em. Dr. Michael Gabel entsprechend, sich nicht als Kirche für sich selbst, sondern für alle versteht und lebt. 

Dass Ehrenamtliche hier ein großes Engagement an den Tag legen, ist beispielhaft an Mechthild Kudraß zu sehen. Im Mai dieses Jahres wurde sie vom MDR Thüringen und der Thüringer Ehrenamtsstiftung als „Thüringerin des Monats“ ausgezeichnet.

Die katholische Kirche in Ichtershausen hat die DDR längst überlebt. Deo gratias und ad multos annos!


Prof. em. Dr. Michael Gabel, seit einigen Jahrzehnten als Seeslorger in Ichtershausen tätig


Pfarrer i.R. Wolfgang Teichert; dahinter Pfarrer Père Jean- François  Uwimana, moderierender Priester in der Pfarrei St. Elisabeth, Arnstadt 


Er wird auch der Glöckner von St. Marien genannt, Stephan Dummer, der diesen Dienst schon viele Jahre ausübt.
Er hatte nicht nur vor Beginn des Gottesdienstes ordentlich zu tun, sondern auch am Ende, als das Te Deum angestimmt wurde. Die Kinder unterstützten das Glockengeläut mit eifrigem Betätigen der Sakristeiglocke und der Altarglöckchen. Ein erhebender Moment!

Fotos: Andrea Wilke

Die Katholische Kirche in Ichtershausen gehört neben den katholischen Kirchorten Ilmenau, Stadtilm zur Pfarrei St. Elisabeth in Arnstadt.