Klangvoll in den Abend

Gloriosa läutet heute Abend gegen 17.50 Uhr außer der Reihe. Aber nicht grundlos.

Bild: Andrea Wilke

Heute Abend wird anlässlich ihres 525. Geburtstags die Gloriosa vor der Abendmesse um 18 Uhr im Dom, gegen 17.50 Uhr ihr Geläut anstimmen.

Am Nachmittag gibt es am Domberg ein Stelldichein all jener, die mit der "Königin aller Glocken" auf dem Domberg zu tun haben bzw. hatten (da im wohlverdienten Ruhestand); angefangen vom Glockenwart, Dombaumeister, den Handwerkern bis hin zum Domkapitel u.a.m.

Der Dompropst, Weihbischof Dr. Reinhard Hauke, hat seinen Gedanken zur Inschrift der Gloriosa freien Lauf gelassen, an denen Interessierte nachfolgend teilhaben können.

Laude patronos cano gloriosa
fulgur arcens et demones malignos
sacra templis a populo sonanda
carmine pulso
Gerhardus wou de Campis me fecit Anno Dni M.CCC.XCVII


“Ich besinge mit glorreicher Lobpreisung die Schutzheiligen,
abwendend den Blitz und die bösen Geister,
läute zum Gottesdienst, der im Dom vom Volk mit Gesang verkündet werden soll. Mich fertigte Gerhard Wou von Kampen im Jahr des Herrn 1497.“

Es ist dem Glockengießer und sicherlich auch dem Domkapitel als Auftraggeber wichtig, die Bedeutung einer Glocke und besonders der großen Domglocke mit dieser Inschrift zu beschreiben. Folgende Gedanken sind wichtig:

1.    Die Schutzheiligen des Domes, nämlich die Gottesmutter Maria, die heiligen Eoban und Adelar als Mitarbeiter des heiligen Bonifatius, werden mit einem Lobpreis besungen, weil ihnen zugetraut wird, dass sie den Dom und die Gläubigen beschützen können. Für mich ist hier eine tiefe Verbundenheit der Gläubigen mit den Heiligen im Himmel erkennbar, die heute bisweilen etwas verblasst ist. Vielleicht haben wir eine Beziehung zu unserem Namenspatron, aber Heiligenverehrung ist schon nicht mehr so stark im Blick. Wir erkennen hier eine Veränderung, die sich meistens dann wandelt, wenn Wallfahrtsorte besucht werden, wo der Segen und Schutz eines Heiligen oder der Gottesmutter Maria besonders im Blick sind. Ich denke an Padua mit der Verehrung des heiligen Antonius oder Santiago de Compostella mit der Verehrung des hl. Jakobus. Eoban und Adelar waren im Mittelalter Magneten für die Pilger, weil sie so dicht am heiligen Bonifatius standen und damit an der Wiege des Christentums in Thüringen.  Meine Hoffnung ist es, dass sich da wieder etwas ändern lässt.

2.    Wir leiden unter einer Pandemie und wir können sie schon als einen bösen Geist bezeichnen. Er bringt unser Leben durcheinander, wie es der Diabolos zu tun pflegt. Gegen Blitze haben wir Blitzableiter, die man 1497 noch nicht so kannte. Blitze haben die damals einfach gebauten Häuser vernichtet und auch Kirchen sind ihnen zum Opfer gefallen. Wir können uns gegen alle diese Unbilden versichern, aber wir werden sie nicht verhindern.

3.    Die Verbindung von Glockenklang und Gesang der Gemeinde ist hier ein Wunsch, der aber kaum realisierbar ist. Wir werden am 9.7.22 ein Konzert der Orgel zum Klang der Gloriosa hören, aber ein Gesang dazu ist kaum möglich. Die Glocke lädt jedoch dazu ein, die Kirche zu betreten, um hier mit Gesang den Gottesdienst zu gestalten.

4.    Der Name des Glockengießers und das Datum stehen auf der Glocke, um den Hersteller eindeutig zu identifizieren. Der Gießer wird entweder berühmt, wenn der Guß gelingt, oder er verliert seinen bisherigen Ruf, wenn er misslingt. Er steht mit seinem Namen für sein Produkt. Die Datierung hilft uns, den Wert der Glocke einordnen zu können.

Dieser Text zeigt den Zeitgeist, der zum Zeitpunkt des Gusses erkennbar war:
-    Wissen um die Schutzbedürftigkeit der Menschen
-    Hoffnung auf Gottes Hilfe
-    Erkenntnis der Bedrohung des menschlichen Lebens und zugleich das Wissen um die Hilfe durch den Gottesdienst mit Gesang
-    Erkenntnis, dass in konkreter Geschichte Großartiges möglich ist, auch wenn die Reformation vor der Tür steht und die Christenheit zerbricht

Der Klang der Glocke von 11450 kg Bronze mit ihrem Ton e°, den die Erfurter kennen und lieben, soll Trost und Mut schenken. Es ist seit 525 Jahren immer der gleiche Klang, der in guten und bösen Tagen zu hören ist, aber er ist wie eine Grundmelodie des kirchlichen Lebens, auf der das Auf und Ab aufliegen kann, ohne unterzugehen.