Leinefelde/Eisenach (BiP/ThMus). Dass kirchliche Kunst ins Museum wandert, ist keine Seltenheit. Der umgekehrte Weg dagegen schon. Im Fall des so genannten "Kärntner Altares" spricht die Direktorin des Thüringer Museums Eisenach sogar vom "ebenso glücklichen wie verheißungsvollen Abschluss einer langen Odyssee". Cornelia Dörr ergänzt, und es klingt beinahe feierlich: "Nach sorgfältigster Restaurierung wird der seit langem im Depot des Museums verborgen gebliebene, mehr als 500 Jahre alte Altar wieder einer liturgischen Nutzung in der katholischen Pfarrkirche St. Magdalena in Leinefelde zugeführt."
Bei dem Altar handelt es sich um einen farbig gefaßten und teilvergoldeten spätgotischen Flügelaltar, der im geöffneten Zustand eine Gesamthöhe von 2,7 m und eine Breite von 1,8 m besitzt. Im Zentrum des Schreins befindet sich die Figur der Maria mit dem Kinde, der die Figur Johannes des Täufers und eine als Diakon gedeutete Gestalt zur Seite stehen. Das Gesprenge zeigt eine Kreuzigungsgruppe; die Predella eine Auferstehungsszene. Auf den umrahmenden Altarflügeln zeigt sich in geöffnetem Zustand links die Relieffigur einer hl. Maria Magdalena mit dem Salbgefäß und rechts die der hl. Barbara mit dem Kelch. Die reich bemalten Außenseiten der Flügel schmückt ein Wappen, das auf den Stifter und die ursprüngliche Herkunft des Altars weit weg von Thüringen verweist.
Nach neueren Erkenntnissen handelt es sich um das Wappen der ehemals zwischen Kärnten und Tirol beheimateten Grafen von Görz. Konkreter noch könnte es sich bei dem Stifter möglicherweise um Graf Leonhard von Görz gehandelt haben, der 1500 kinderlos starb und unter einem pompösen Grabmal in der Stadtpfarrkirche St. Andrä von Lienz bestattet wurde. Seine Besitzungen gingen an Kaiser Maximilian I. über, der dem Grafen in seinem von Albrecht Dürer gestochenen "Triumphzug" eine bleibende bildliche Darstellung zollte.
Auf welchem Wege die Stiftung des Grafen Görz dann etwa um 1900 in das Thüringer Museum Eisenach gelangt sein kann und viele andere Fragen mehr, die sich aus der restauratorischen Untersuchung des Altars ergeben haben, soll alsbald ein wissenschaftliches Kolloqium beleuchten. Für die Katholische Gemeinde der Pfarrkirche St. Maria Magdalena in Leinefelde ist dies erst einmal weniger wichtig. Vielmehr freut man sich, einen wunderschönen Altaraufsatz für die frisch sanierte Kirche gefunden zu haben. Am 1. Mai feiert man mit Bischof Joachim Wanke den Abschluss der Sanierung.
Die Idee, einen alten Altar für die verjüngte Kirche zu finden, entstand im Erfurter Ordinariat. Der damalige Kunstbeauftragte Dr. Rolf-Günther Lucke fand im Thüringer Museum in Eisenach ein geeignetes Objekt. Mit dem Museum wurde ein Leihvertrag über 50 Jahre abgeschlossen.
Die Eisenacher verfügen über eine in vielerlei Hinsicht erstaunliche Sammlung an mittelalterlicher Schnitzplastik, deren älteste Bestände durch keinen geringeren als Johann Wolfgang von Goethe gesichert wurden. Anfänglich für die Präsentation in einem "kirchlichen Antiquitätenkabinett" in Weimar bestimmt, gelangten einige von Goethes geschnitzten Schätzen, darunter ein ganzer Chor von Heiligen 1899 als Schenkung an das neu gegründete Eisenacher Museum. Ihr Domizil sollte bis in die Gegenwart hinein die legendenumwobene Predigerkirche des ehem. Domikanerklosters werden. Durch zahlreiche Ankäufe, Schenkungen und Leihgaben aus vielen Kirchengemeinden Thüringens immer wieder ergänzt und bereichert, beherbergt die Predigerkirche heute mehr als 300 Objekte, darunter mehrheitlich Einzelfiguren und Altartafeln aber auch einige besonders beeindruckende, vollständig erhaltene Altäre. Ungeachtet ihrer hohen Bedeutung für die Kunst-, Kultur- und Kirchengeschichte hat sich die Mehrzahl dieser Stücke aber nur in stark beschädigtem Zustand erhalten, was dem Thüringer Museum von jeher hohe Verpflichtungen in Hinsicht auf Pflege und Restaurierung auferlegt hat.
Auch der "Kärntner Altar" war in einem desolaten Zustand. Das Bistum ließ ihn auf eigene Kosten renovieren. Am Mittwoch, 20. April stellen ihn die Restauratoren auf das eigens für den Altaraufsatz angefertigte Postament im Chorraum der Magdalenenkirche auf. Die Gemeinde freut sich nicht nur über das "gute, alte" Stück, sondern betrachtet die Anwesenheit ihrer Patronin auf dem Altar als glückliche Fügung.
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