Erfurt (BiP). Bischof Ulrich Neymeyr sendet am Samstag, 11. Juli, im Rahmen einer Heiligen Messe im Erfurter Dom drei Frauen und zwei Männer als Gemeindereferentinnen und -referenten in den Seelsorgedienst des Bistums Erfurt. Mit den Neuen gibt es dann 54 Gemeindereferenten im aktiven Dienst. Corona-bedingt findet die Sendungsfeier, die um 9.30 Uhr beginnt, im kleineren Rahmen statt als in den Vorjahren üblich, aber nicht weniger festlich. Musikalisch gestaltet die Dekanatsjugendband Heaven`s Gate aus Leinefelde-Worbis den Gottesdienst.
Der Beruf des Gemeindereferenten bietet katholischen Christen, die weder Priester noch Diakon sind, eine Möglichkeit, das kirchliche Leben hauptamtlich mitzugestalten. Sie kümmern sich gemeinsam mit dem Pfarrer um die Belange der Pfarrei. Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten regen zur Mitarbeit in der Gemeinde an und stehen als Seelsorger zu Verfügung. Arbeitsfelder sind neben der klassischen Gemeindepastoral auch weitere Felder der Seelsorge wie etwa im Krankenhaus, im Gefängnis oder in der Erwachsenenbildung.
Langweilig dürfte es Sebastian Alt aus Ilmenau dabei nicht werden: „An uns werden Erwartungen herangetragen, bei denen wir Pädagogen, Sozialarbeiter, Gottesdienstvorsteher, Zuhörer, Psychologen und vieles mehr sein sollen und können“, sagt der 32-Jährige. Dass es nach dem Abitur in Richtung Theologie gehen würde, war ihm früh klar. „Als Ministrant, in Gottesdiensten, als Teilnehmer und Helfer bei Dekanats- und Bistumsveranstaltungen und als Jugendvertreter im Bund der katholischen Jugend erlebte ich, wie Liturgie und soziales Engagement im christlichen Glauben Hand in Hand gehen. Dies wollte ich auch später weiterleben und ausbauen“, sagt Alt. Nach dem Abitur studierte er zunächst in Würzburg, um Mathematik- und Religionslehrer zu werden, wechselte dann als Priesterkandidat nach Erfurt, schloss das Studium aber im Jahr 2014 als verheirateter Mann ab. Berufsziel: Gemeindereferent. Seine praktische Ausbildung führte ihn nicht nur zu Kirchengemeinden in Erfurt, Jena und Bad Langensalza, sondern auch ins Gefängnis, in die Justizvollzugsanstalt Tonna, wo er auf einer halben Stelle als Seelsorger arbeitet. Dort wird Alt ebenso wie in Bad Langensalza als Gemeindereferent weiterhin tätig sein. Sein Wunsch: „Den Menschen eine kleine Leuchte zu sein und mit ihnen zu schauen, wo in ihrem Leben Gott schon längst da ist und wirkt.“
Kindermund tut Wahrheit kund. So erfuhr es auch Angela Schöneberg (42) aus Ellrich, als sie sich einmal mit Grundschülern über Berufe unterhielt. Wie sagte noch das kleine Mädchen zu ihr? „Du bist eine Hebamme für Gott.“ Angela Schöneberg findet diese Berufsumschreibung passend. „Als Gemeindereferentin helfe ich anderen Menschen, Gott in ihrem Leben zu entdecken, ich helfe mit, dass dieser Gott in dieser Welt ankommt.“ Eine Gemeindereferentin ihrer Heimatpfarrei habe ihr schon als Jugendliche gezeigt, dass der christliche Glaube und ein Leben mit Gott sehr spannend sein können. „Immer mehr wollte ich über diesen Gott wissen, seine Liebe verstehen, seine Nähe spüren, Zeit mit ihm verbringen und ihn entdecken.“ Seitdem sei sie dieser Spur gefolgt und habe besonders Menschen treffen wollen, „die genauso wie ich fasziniert unterwegs zu diesem Gott sind.“ Schöneberg beschloss, in den Orden der Ursulinen einzutreten. Da hatte sie bereits 1998 eine Ausbildung zur examinierten Altenpflegerin begonnen, die sie als Ordensschwester abschloss. Zusätzlich erwarb sie von 2002 bis 2006 an der Katholischen Fachhochschule Paderborn das Diplom im Studiengang Soziale Arbeit. In den folgenden Jahren arbeitete die junge Ursuline bei der Caritas in Duderstadt im ambulanten Pflegedienst und in der Seniorenberatung. 2009 verließ Schönberg den Orden, wo sie sich doch nicht am rechten Ort fühlte, und ging nach Jena. Während sie dort bis 2017 in einem ambulanten Pflegedienst ältere und kranke Menschen betreute, studierte sie zugleich in Erfurt Theologie, um Gemeindereferentin zu werden. Nach einem berufspraktischen Jahr in Erfurt arbeitet sie seit 2018 in der Kirchengemeinde St. Maria Magdalena in Leinefelde. Die persönliche Gottesbeziehung sieht sie als Fundament und Basis ihres Berufes, den sie nach der Sendungsfeier zunächst weiterhin in Leinefelde ausüben wird.
Ein Leben ohne Gott und Kirche ist auch für Marianne Döring keine Option. Die 57-Jährige wuchs in Martinfeld in einem katholischen Elternhaus auf. „Unser Alltag war religiös geprägt und wurde in der Familie glaubhaft gelebt.“ Für Döring hieß das auch, zu DDR-Zeiten die Jugendweihe zu verweigern. Der Glaube stärkte und immunisierte sie gegenüber Erziehungsversuchen und Repressalien des sozialistischen Staates. Dabei weiß Döring, dass die Fragen nach Gott und Glauben keine einfachen Antworten kennen. Gott sei nicht immer der Nahe. „Oft verbirgt er sich“, ist ihre Erfahrung. Dennoch fühlt sie sich von Gott getragen, gerade auch in dunklen Zeiten wie beim unerwartet frühen Tod des Vaters, der die Ehefrau und drei minderjährige Kinder hinterließ. In solchen Situationen „scheint der Glaube an Gott unmöglich zu sein“, so erlebte es Marianne Döring. „Und doch! Gerade dann, aber nicht nur dann, ist Gott uns näher als wir selbst.“ Es verwundert nicht, dass Döring schon als Jugendliche den Wunsch verspürte, „mein Leben in den Dienst am Glauben und der Verkündigung zu stellen.“ Bis ein Beruf daraus wurde, sollte es aber noch länger dauern. Aufgrund unglücklicher Umstände wurde Döring nicht Kindergärtnerin, sondern Facharbeiterin für Fertigungsmittel im VEB Solidor in Heiligenstadt. Die familienunfreundlichen Arbeitszeiten dort führten nach der Hochzeit mit ihrem Mann Jürgen zu einem Wechsel zur Deutschen Post, auch wenn Marianne Döring als Briefträgerin weniger verdiente. Aber sie wollte ganz für ihre Familie da sein, erst recht, als das erste von drei Kindern zur Welt kam. Noch vor der Friedlichen Revolution zog die Familie nach Meiningen. Jürgen Döring hatte dort am Theater Arbeit als Berufsmusiker gefunden. In Meiningen engagierte sich Marianne Döring ehrenamtlich in der katholischen Gemeinde und bildete sich in diversen Kursen zur Seniorenbetreuung und Hospizarbeit weiter. „Bei Religiösen Kinderwochen, Kommunionvorbereitungen, Krankenkommunionen, der Begleitung von Kranken und Sterbenden und in der Gremienarbeit lernte ich viele Menschen mit ihren Sorgen und Nöte kennen.“ Das belebte den Wunsch wieder, auf diesen Feldern nicht nur ehrenamtlich, sondern beruflich unterwegs zu sein. Die Kinder waren ja aus dem Gröbsten raus. Aber ohne ihren Mann hätte sie den Sprung nicht gewagt: „Du gehst studieren, und ich übernehme die Hausarbeit“, entschied dieser, als das Bistum Erfurt seiner Frau den Vorschlag machte, drei Jahre lang Religionspädagogik in Paderborn zu studieren. Theologische Fragen diskutiert Marianne Döring gerne mit ihren Kindern, von denen zwei fast zeitgleich Theologie studiert haben. „Ohne die Unterstützung meines Mannes und meiner Kinder hätte ich es nicht geschafft“, zeigt sich Döring dankbar. Die Praxisausbildung führte sie nach Erfurt und dann nach Suhl und Schmalkalden. Als Gemeindereferentin kann sie dort auch weiterhin wirken und ihre reiche Lebenserfahrung einbringen, jetzt auch als fünffache stolze Großmutter.
Wie viele Eichsfelder muss auch Thomas Rhode (30) aus Burgwalde bei Heilbad Heiligenstadt nicht viele Worte machen, wenn er erklären soll, warum er gläubiger Christ ist. „Ich bin in einer christlich geprägten Region aufgewachsen. Für meine Familie und Freunde gehört der Glaube zum Leben dazu.“ Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, einen katholischen Kindergarten zu besuchen, sonntags in die Kirche zu gehen und sich an den Aktivitäten der Gemeinde zu beteiligen. Dazu zählte auch das ehrenamtliche Engagement nicht nur vor Ort, sondern auch im Dekanat und auf Bistumsebene. Solche Lebensläufe sind im Eichsfeld nicht unüblich. Allerdings wird nicht jeder Eichsfelder Gemeindereferent. Auch bei Thomas Rhode sah es zunächst nicht danach aus. In der zehnten Klasse überlegte er zuerst, Landschaftsgärtner zu werden, absolvierte dann aber eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann in einem Möbelhaus und arbeitete dort bis 2012. Ein Jahr später hatte er das Fachabitur in der Tasche und bewarb sich zur Ausbildung als Gemeindereferent im Bistum Erfurt. Der Entschluss, die Wirtschaft zu verlassen und in die Seelsorge zu gehen, verdankte sich einem künftigen Arbeitskollegen, mit dem er sich über den Beruf des Gemeindereferenten unterhalten hatte. „Das Gespräch hat meinen Wunsch, das Evangelium zu verkünden, gestärkt und gefestigt“, hält Rhode rückblickend fest. Jesus Christus begeistere ihn. Diese Begeisterung möchte er weitergeben. 2014 ging Rhode zum Studium der Religionspädagogik und kirchlichen Bildungsarbeit an die Universität Eichstätt-Ingolstadt und schloss es mit dem Bachelor ab. Die praktische Ausbildung führte ihn nach Gotha und zuletzt nach Niederorschel. Nach der Sendungsfeier, die zehn Tage vor seinem 31. Geburtstag stattfindet, wird Thomas Rhode als Gemeindereferent in der Pfarrei St. Matthäus in Arenshausen arbeiten.
Christ zu sein ist – auch in ehemals volkskirchlich geprägten Regionen wie dem Eichsfeld – immer weniger selbstverständlich. Theologen sprechen bereits vom Traditionsabbruch bei der Weitergabe des Glaubens. Damit müssen sich auch Katholiken auseinandersetzen, besser früher als später. Die Kirche in sich verändernden Zeiten neu denken zu lernen, ist für Claudia Rimestad (36) jetzt schon ein wichtiges Anliegen. Dabei greift sie weit zurück, bis in die ersten Jahrhunderte der Kirche, um neue Impulse zu entwickeln. „In der Alten Kirche, die ja eigentlich eine junge war, entdecke ich Glaubensfreude, Schwung, Begeisterung für das Evangelium, eine ansprechende Sprache und tiefe Glaubenspraxis“, sagt die Ehefrau und Mutter von zwei Kindern. Rimestad, die aus Kursdorf bei Eisenberg stammt, hat nach dem Abitur 2003 nicht nur Katholische Theologie, sondern anschließend auch Religionswissenschaft in Erfurt studiert. Ein Auslandsjahr führte sie nach Lille in Nordfrankreich. Ihre Schwerpunkte waren, wer wollte es bezweifeln, die Alte Kirchengeschichte und die Patristik sowie die religiöse Vielfalt in der Spätantike. Aber nicht um der Vergangenheit willen. „Ich habe mich Gott immer sehr nah gefühlt und viele Schätze und Perlen in der Tradition der Kirche entdeckt, die ich anderen weitergeben möchte“, sagt Rimestad, wenn sie nach dem Grund ihrer Berufswahl gefragt wird. Die Kirche habe mehr Potential, als viele Menschen, auch Katholiken denken, zeigt sie sich überzeugt. Das treibe sie um. Dabei ist ihr das Miteinander wichtig, auch zwischen den Kirchen, in der Ökumene: „Voneinander lernen, gemeinsam weiterdenken, glauben und arbeiten im Weinberg des Herrn.“ Was sie sagt, klingt wie ein Motto, und ist vielleicht auch so gemeint. Ihre praktische Ausbildung begann sie 2015 der Kinder wegen in Teilzeit, in Sömmerda und Erfurt, und gab dabei auch Religionsunterricht. 2017 wurde sie nach Weimar versetzt. Nach dem Weggang von Ordensschwestern stehen dort einige Fragen an: „Wie können Lücken neu gefüllt werden, wie kann der Geist Gottes lebendig durch uns wirken, auch ohne die Unterstützung von Ordensfrauen, die eine große Hilfe für die Gemeinde waren?“, formuliert Claudia Rimestad. Die katholische Kirche in Weimar sieht sie als „eine Gemeinde mit vielen Möglichkeiten und Chancen.“ Das schafft Zuversicht. Auf jeden Fall ist sie bereit, nach ihrer Sendungsfeier anzupacken und offene Fragen gemeinsam im Gespräch anzugehen.
Sebastian Alt Angela Schöneberg
Alle Fotos: Peter Weidemann, Bistum Erfurt