Gottes Wirken durch Menschen

Predigt von Weihbischof Reinhard Hauke am 29. Juni in Heiligenstadt, Martins-Kirche, anlässlich Ordensjubiläen

Bild: Andreas Sturm

Manche Ordensfrau kann genau den Tag und die Stunde nennen, in der die Entscheidung für das Ordensleben gefallen ist. Vielleicht war es ein Gespräch mit einer Ordensfrau oder ein Bericht vom Leben im Orden. Plötzlich war klar: Das ist genau das, was ich immer schon tun wollte. Die Zeiten sind ja vorbei, wo durch Eltern entschieden wurde, welche der Töchter ins Kloster gehen muss. Sicherlich sind damals auch große Gestalten in den Klöstern gewachsen, die der Kirche und dem Orden Gutes getan haben, aber ich denke, dass der persönliche Entscheidungsweg der bessere Weg ist.

Mit Freude höre ich in diesen Tagen in den Wochentagsmessen die Berufungsgeschichten der Patriarchen, Propheten und Lehrer des Volkes Israel. Abraham sticht unter allen hervor, der im  hohen Alter die Berufung erhält, obwohl er kinderlos ist, doch Vater eines großen Volkes zu werden. Eigene Nachkommen wird er haben und sein Haussklave muss nicht sein Erbe antreten. Wir kennen das Ringen Abrahams und Sarahs, diesen Plan Gottes zu verstehen und ihm zuzustimmen. Wir spüren aber auch hier die große Zusage und Entscheidung, dass dieser Gott genau Abraham und Sarah braucht, um sein Heil zu wirken. Es sind konkrete Menschen, mit denen er sein Heil wirken will und die er einlädt, ihm zu glauben, zu vertrauen und zu folgen.

Heute gedenken wir der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Mit Gloria und Credo werden sie gefeiert, weil Gott durch sie den Glauben in eine konkrete Gestalt gebracht hat, die wir heute kennen und in der wir leben. Dabei vergessen wir nicht, wie beide mit ihrer Berufung gerungen haben. Wir kennen die Fragen des Petrus und seine Zweifel an der Auferstehungsbotschaft. Wir kennen auch seine Verleugnung und seine Reuetränen. Wir wissen aber auch um seine Standhaftigkeit bis zum Tod am Kreuz. Ähnlich ist es beim Apostel Paulus, der voller Eifer als Saulus gegen die Christen gekämpft und mindestens Stephanus als Opfer auf dem Gewissen hat. Wir kennen aber auch seine Bekehrung, seine Reue und sein Zeugnis vom wunderbaren Wechsel der Seiten, so dass er bis zum Martyrium ein Zeuge Christi sein konnte. Sicherlich werden heute am Festtag die Standhaftigkeit und das Martyrium der beiden Apostel im Blickfeld stehen, aber das darf uns nicht darüber hinwegtäuschen, dass ihr Weg ein leidvoller Weg des Umdenkens und Neudenkens gewesen ist. Aber mit diesen konkreten Menschen wollte Christus seine Kirche bauen.

Im Epheserbrief beschreibt der Apostel seinen Weg als Berufung aus Gnade. Die Gemeinschaft mit Christus, zu der er ohne sein Verdienst gekommen ist, war die Grundlage für allen Segen, den er in seinem Dienst spenden durfte. Im Leiden und in der Hingabe bis zur Selbstaufgabe hat Jesus Christus die Erlösung gestiftet. Darum sieht es der Apostel Paulus auch als Weg der Gnade, wenn er Christus im Leiden nachfolgen kann. Es ist für uns nicht leicht, diesen Gedanken zu verstehen, dass das Leiden ein Weg der Gnade sein kann, denn wir sträuben uns von Natur aus gegen das Leiden. Ich will und kann auch nicht sagen, dass nur durch die Leiderfahrung das Heil in die Welt kommen kann. Wir müssen aber feststellen, dass viele Menschen durch diese Erfahrung gereift sind. Ich denke, dass unsere Jubilarinnen uns dazu Vieles erzählen könnten.

Das Evangelium mit dem Bildwort vom Salz der Erde und Licht der Welt ist uns gut bekannt. Auch in Liedern wurde es schon vertont und kann damit leicht in unsere Gedanken und Herzen eindringen. Für mich ist es ein Bildwort Jesu, das sein Selbstverständnis ausdrückt: Ich bin wichtig wie das Salz in der Suppe und wie das kleine Licht auf dem Berg, aber ich bin eben nur eine Prise Salz und ein kleines Licht. Wie wichtig beides ist, merken wir meistens erst dann, wenn es fehlt. Ein fades Essen macht keine Freude, wenn es vielleicht auch satt machen kann. Der Genuss fehlt, der sicherlich dazugehört. Und eine Stadt im Finstern kann ich nicht betrachten und ich werde unsicher bei meinen Schritten, wenn ich nichts sehe.

Das Heil, das wir Menschen bewirken können, ist wesentlich, aber es ist eben auch sehr klein, so dass man es sogar übersehen kann. Wir bemühen uns zwar, durch Internet und öffentlich rechtliche Medien in der Gesellschaft präsent zu sein, aber wir müssen auch eingestehen, dass wir heute nicht mehr die Strahlkraft haben, die anziehend und überzeugend ist wie früher einmal.

Der Blick Jesu in diesem Bildwort geht aber auf die positive Wirkung hin. Es kann nämlich sein, dass wir uns den positiven Blick durch alle Diskussionen und Zweifel verstellen lassen und er dadurch getrübt wird. Weil wir Menschen so schwach sind, glauben wir nur zögerlich an die Macht Gottes, die selbst im Unscheinbaren präsent sein kann. Ich bemühe mich, diese Macht Gottes wahrzunehmen und spüre sie bei den Gemeindebesuchen und Gesprächen im Bibel- oder Katechumenenkreis. Ich freue mich, wenn eine Taufpatin ihren Täufling, eine Frau, die 60 Jahre alt ist und Ostern getauft wurde, zur Frauenwallfahrt und zur Einweihung eines neuen Gemeindehauses in Arnstadt mitnimmt. Ich freue mich, wenn für den kommenden Sonntag 100 Sängerinnen und Sänger aus den Diasporagemeinde-Chören nach Erfurt kommen, um gemeinsam einen Gottesdienst im Dom zu gestalten. Da kommen auch acht Sänger aus Apolda, die niemals allein den Mut gefunden hätten, die Messe zu singen, die sie dafür einüben sollten. Sie werden davon profitieren, denn vielleicht gelingt ihnen danach wenigstens teilweise ein Gesang in Apolda. Ich freue mich über einen jungen Argentinier, der seit 1 Jahr in Bamberg Griechisch und Latein lernt, um dann in Erfurt Theologie studieren und als Priesteramtskandidat für unsere Diözese wirken zu können. Ich freue mich über Mitbrüder, die voller Mut sagen, dass sie nicht mehr allein leben können und Hilfe in einem Pflegeheim annehmen müssen. Das sind mutige Schritte im Alter, die ebenfalls nur mit Gottvertrauen zu leisten sind. Gern erzähle ich davon um zu zeigen, wie Christenmenschen bis heute aus dem Glauben Kraft schöpfen und für andere ein Zeichen des Gottvertrauens geworden sind.


Damit kommen jetzt unsere Jubilarinnen in den Blick. Auf 65 Jahre tiefe Verbundenheit mit den Schwestern der heiligen Maria Magdalena Postel können Sr. Maria Stephana Stolze, Sr. Irmengard Schliesing und Sr. Pia Elisabeth Hellrung zurückschauen. Auf 60 Jahre schauen gleich fünf Schwestern zurück: Sr. Maria Therese Prömel, Sr. Anna Regina Apostel, Sr. Margret Freund, Sr. Reginaldis Kromer und Sr. Ferdinanda Wedekind zurück.

Dieser Rückblick ist für alle mit Erfahrungen gefüllt, die bekannt und unbekannt sind. Manches wird heute vielleicht wieder erzählt und ist in Fotos festgehalten, die herumgegeben werden. Manches ist aber schon in der eigenen Erinnerung verblasst oder verschwunden, aber es hatte zu seiner Zeit eine prägende Bedeutung. Da wir an die Vorsehung Gottes glauben, suchen wir in den Ereignissen die Spuren Gottes, die nicht immer leicht zu finden sind. Gerade das Alter mit dem Kreuz der Krankheit kann den Blick trüben, der eigentlich von Glauben und Vertrauen hell gemacht sein sollte. Niemand wird dem älteren Menschen deshalb einen Vorwurf machen dürfen. Sicherlich kann der Konvent hilfreich sein, wenn er das Gottvertrauen lebt und verkündet. Hier spielen die Psalmen beim Stundengebet eine große Rolle, denn hier sind die Gotteserfahrungen der Generationen verankert.

Für uns Christen spricht der Vater Jesu Christi darin und deutet uns Freude und Leid im Licht der Botschaft vom Neuen Bund, der durch Jesus Christus stellvertretend für uns Menschen gestiftet wurde. Das hätten wir beim besten Willen nicht allein geschafft. Hier brauchen wir den Sohn Gottes, der stellvertretend für uns sein unverbrüchliches Ja zum Vater gesagt hat. Das Heil wurde konkret im Kommen des Sohnes Gottes. Es wird konkret in den Biografien der Jubilarinnen. Es wird konkret in den jungen Menschen, die heute den Glauben aufnehmen und gestalten wollen. Es wird für mich deutlich im Leben der großen Heiligen wie Petrus und Paulus oder wie die Ordensgründerin Maria Magdalena Postel.

Wenn viele Menschen Gottes Heilswirken heute aus dem Blick verloren haben, so sollte doch die Präsenz von uns Christen – Alt und Jung – eine Anfrage sein, die zu einer neuen Aufmerksamkeit führt. Vielleicht können unsere Jubilarinnen heute konkrete Namen nennen, denen sie geholfen haben, den Glauben an Gott zu bekennen. Jeder von uns sollte ja an der Himmelstür an der rechten und linken Hand jeweils einen Menschen haben, der durch das eigene Glaubenszeugnis zu Gott gefunden hat. In Demut dürfen wir dann sagen: Deine Gnade hat es ermöglicht. Dir, guter Gott, sei Lobpreis und Dank an diesem Festtag und in Ewigkeit. Amen.

Evangelium  - Mt 5, 13-16

Ihr seid das Salz der Erde. Wenn das Salz seinen Geschmack verliert, womit kann man es wieder salzig machen? Es taugt zu nichts mehr, außer weggeworfen und von den Leuten zertreten zu werden.
Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben.
Man zündet auch nicht eine Leuchte an und stellt sie unter den Scheffel, sondern auf den Leuchter; dann leuchtet sie allen im Haus.
So soll euer Licht vor den Menschen leuchten, damit sie eure guten Taten sehen und euren Vater im Himmel preisen.