Gottes Platz ist bei den Menschen

Predigt von Weihbischof Reinhard Hauke zur Einweihung des neuen Gemeindehaus‘ in Arnstadt am 23. Juni 2019

Bild: Walter Nett/Bistum Aachen; in: Pfarrbriefservice.de

Wer kann verstehen, warum Gott Mensch geworden ist in einem Land, das seit Jahrhunderten damals zwischen Großmächten wie Babylon und Ägypten oder heute zwischen den USA und Russland zerrieben wird? Warum wählt Gott das Land Israel und Palästina aus und nennt es sein „Gelobtes Land“? In einem Familienkreis kam kürzlich diese Diskussion auf: Hätte Gott nicht Thüringen oder wenigstens Deutschland zum „Gelobten Land“ auserwählen können, wo es zwar auch Spaltungen und Kriege gab und gibt, aber zumindest in dieser gegenwärtigen Zeit nicht kriegerische Handlungen mit Blutvergießen.

Wir werden darauf keine Antwort finden, die uns zufrieden stellt, wenn wir der Meinung sind, dass Gott nur die heile Welt liebt und nicht auch dort sein will, wo es Not und Spaltung gibt. Denn er will offensichtlich überall ein Zuhause finden und hat keine Angst vor Spannungen und Schuld. Gerade deshalb kommt Jesus Christus in diese Welt und will Mensch sein inmitten politischer und religiöser Spannungen. Aber er will nicht nur da sein, sondern heilend eingreifen.

Das Gespräch Jesu mit Petrus zeigt einerseits das große Vertrauen Jesu in den konkreten Menschen Petrus und anderseits auch die Erkenntnis des Petrus, dass er doch aus eigener Kraft kaum etwas leisten kann. Die Frage Jesu bezieht sich zuerst auf seine eigene Person: „Für wen halten die Leute den Menschensohn?“ Er möchte wissen, welche Vorstellungen sich aufgrund seiner Predigt und seiner Wunder gebildet haben. Johannes der Täufer, Elija oder ein Prophet könnte wieder anwesend sein – das wäre eine mögliche Antwort. „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes!“ – ist die Antwort des Petrus. Sie kommt so steil und klar heraus. Es scheint gar nicht der Petrus zu sein, den wir sonst kennen. Er ist sonst immer zwischen Hoffnung und Zweifel gestimmt. Wir spüren seine Sehnsucht nach Heil, aber auch seine Ängstlichkeit, die sich z.B. in der Verleugnung Jesu zeigt. Wegen der klaren Antwort kann Jesus den Petrus zum Felsen der Kirche deklarieren. Zugleich aber sagt er zu, dass diese Position nicht ohne göttlichen Beistand zu halten ist. Das ist aber nicht eine Fehlkalkulation Gottes, sondern gehört deutlich zu seinem Konzept. Der Heilswille Gottes, der seit der Erschaffung der Welt besteht, bezieht sich nicht auf eine heile Welt, sondern auf die Welt, in der Unheil zu spüren ist, das kaum auf natürlichem Weg durch Menschenmacht zu beseitigen ist. Wer heute die Spannungen zwischen den USA und dem Iran wahrnimmt, wer die Spannungen im Bundestag wahrnimmt, der kann schnell zu den Gedanken finden: „Hier hilft nur noch die Macht Gottes, die Frieden stiften und Schuld aufarbeiten kann.“ Gott kann und will unter uns Menschen sein und bietet sich als Helfer an. Wichtig wäre nur, dass man ihm Raum gibt für sein heilbringendes Handeln.

Im 2. Petrusbrief finden wir ebenfalls diese Erdung Gottes, wenn von Christus, dem lebendigen Stein die Rede ist, der nicht überall Zustimmung gefunden hat, aber doch auch Aufbau und Wachstum schaffen konnte. Aus seinem Dienst als Baustein oder sogar Schlussstein, der alles zusammen hält, erwächst die Aufgabe aller Christen, lebendige Bausteine zu sein. Es wird durch den Autor des Petrusbriefes an die wunderbare Berufung als Getaufte und Gefirmte erinnert, aber zugleich die Schicksalsgemeinschaft mit Christus, dem Eckstein, der verworfen wurde, genannt.
Auf diesem Fundament gestalten wir Kirche in unserer Zeit. Wir feiern in Dankbarkeit die Einweihung des Neubaus des Gemeindehauses in der Pfarrei Arnstadt.

Für dieses Gebäude brauchte es die Erfahrung der Not an Räumlichkeiten, die Finanzen, die Ideen und den Mut zur Gestaltung und zur Umsetzung. Wie immer, wenn gebaut wird, gibt es auch die Diskussionen über die konkrete Gestalt. Zweckmäßig und schön soll es sein. Ich denke, dass sich heute alle davon überzeugen können, dass es gelungen ist, viele Interessen zusammen zu bringen. Es wird damit ein Ort geschaffen, an dem sich Christen zum Gebet und frohem Zusammensein, zur Weiterbildung und Feier versammeln können.

 Es kommen hier die Menschen zusammen, durch die Gott in unserer Welt und Zeit gegenwärtig sein will. Er braucht auch heute Menschen wie Petrus, die mutig ein Bekenntnis sprechen, auch wenn die eigene Unsicherheit mitschwingt, ab das alles eigentlich geleistet werden kann. Ein Neubau eines Gemeindehauses ermutigt dazu, Kirche als Ort in der Gesellschaft neu zu sehen und seine positive Bedeutung zu erkennen. Wir müssen uns als Kirche gegenseitig in diesem Dienst stärken, dass wir nach dem Wort Jesu „Salz der Erde und Licht der Welt“ sind. Bei diesen Bildern Jesu schwingt die Erfahrung von Kleinheit und zugleich Bedeutsamkeit mit, denn ohne Salz wird das Essen fad und ohne Licht sitzen alle im Dunkeln. Aber es ist vielleicht nur eine Prise Salz nötig, die das Essen würzt, oder eine einzige Kerze, die leuchtet. Man könnte beides wegen seiner Kleinheit als bedeutungslos abtun, aber damit würde Wesentliches fehlen.

Kirchengebäude findet man nicht überall so sichtbar wie Dom und St. Severi in Erfurt. Manchmal hilft eine Homepage oder das Navi zum Auffinden dieser Orte des Glaubens. Besser ist es, wenn auf Anfrage hin jeder Bewohner einer Stadt betreffs des neuen Gemeindehauses und der Pfarrei St. Elisabeth Auskunft geben kann. Wir spüren auch hier, dass es letztlich nicht an den Bausteinen liegt, damit ein Ort gefunden werden kann, an dem Gott in unserer Zeit präsent ist, sondern an den konkreten Menschen, den Christen und Kirchgängern.

Im komme gerade von der Visitation einer Pfarrei im Eichsfeld. Gespräche mit kommunalen und kirchlichen Verantwortungsträgern, mit Kindern und Jugendlichen, mit Familien und Senioren haben mich einerseits zuversichtlich gemacht, dass Kirche weitergeht, aber anderseits auch nachdenklich darüber gemacht über die Themen, die wir in unseren Diskussionen bearbeiten und darüber auch streiten, und inwieweit das alles mit dem zu tun hat, was Jesus dem Petrus, den übrigen Aposteln und letztlich auch uns zutraut.

Wir haben über die Kindergarten-GmbH gesprochen und über das Für und Wider einer solchen Einrichtung. Wir haben von den Jugendlichen gesprochen, die doch unbedingt viele junge Kapläne brauchen, wenn es mit der Jugendarbeit weitergehen soll. Immer habe ich herausgehört: „Ihr als Bistumsleitung müsst etwas machen, damit Kirche eine Zukunft hat.“ Das kann ich nicht leugnen, dass das nötig ist, aber ich würde auch meinen, dass jede und jeder in der Kirche dafür sorgen muss  - durch aktives Mittun und durch Gebet für die Kirche. Ermutigung finde ich dann, wenn der 16jährige Andreas nun schon seit zwei  Jahren den Küsterdienst in Rustenfelde übernommen hat und diesen Dienst mit Eifer und Freude tut. Das macht mich auch ein wenig sprachlos. Aber auch alles, was wir heute mit Freude feiern dürfen, hat mit konkreten Menschen zu tun, die angepackt haben, weil Kirche einen Ort – weil Gott einen Ort braucht.

Es steht uns Christen immer gut an, Ausschau zu halten auf die Wunder, die Gott auch heute in dieser Welt wirkt, damit wir von seinem Wirken berichten und Zeugnis geben können. Der Bau eines Gemeindehauses gehört dazu. Mehr noch die Entscheidung, aus dem Glauben zu leben und wie Petrus zu bekennen:
Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.

Von Herzen danke ich allen, die beim Bau des Gemeindehauses mit ihren Fähigkeiten mitgeholfen haben. Besonders danke ich Pfarrer Dr. Meyer, dass er alle Entscheidungen mitgetragen und mitgestaltet hat, die auch schon vor seinem Kommen in die Pfarrei Arnstadt gefällt wurden. Leider wird er auch seine leidvolle Erfahrung beim Bau durch seinen Unfall in Erinnerung behalten.

Liebe Schwestern und Brüder, jetzt gilt es, das Haus mit Leben zu erfüllen. Dazu erbitten wir Gottes Segen, denn an seinem Segen ist alles gelegen. Amen.