Liebe Schwestern
und Brüder im Herrn,
während andere -
und vermutlich auch Gemeindemitglieder - nach Rosenmontag und Faschingsdienstag
Erholung brauchen, gehen wir Christen in die Fastenzeit und befassen uns mit
dem Gedanken der Buße und Umkehr. Für einen Christen gehört beides gut
zusammen: Das Fest der Verkleidung und des Hineinschlüpfens in eine andere
Gestalt, die man gern einmal sein möchte, und die Vorbereitung einer Zeit der
inneren Erneuerung - der Bußzeit. Wenn wir davon erzählen, werden wir gefragt: "Macht
man das so heute?". Man macht das mehrheitlich natürlich nicht, aber uns
ist es als Christen wichtig und wertvoll, eine Zeit der Vorbereitung auf das
Hochfest des Glaubens - das Osterfest - zu haben und sinnvoll zu gestalten.
Dazu gibt es verschiedene Traditionen, die ich in diesem Hirtenwort gern in
Erinnerung bringen möchte, um zu sagen: Auch wenn es nicht alle so machen: Uns
ist es wichtig und wertvoll!
Dabei scheint mir
ein Gedanke am Anfang sehr wichtig zu sein: Machen wir es, um einfach
alternativ zu sein? Das wäre mir zu wenig. Für
mich ist wichtig, was ich im 1.
Johannesbrief lese:
"Wir wissen,
dass wir ihm - Gott - ähnlich sein werden, wenn er offenbar wird; denn wir
werden ihn sehen, wie er ist. Jeder, der dies von ihm erhofft, heiligt sich, so
wie Er heilig ist." ( 1 Joh 3, 2b-3).
Um Gott erkennen
zu können, ist es notwendig, sich auf die Art Gottes eingestimmt und
eingestellt zu haben. Wir hoffen darauf, dass wir das einmal erreichen, aber
wir wissen auch, dass es letztlich ein Geschenk ist: die Gotteserkenntnis, der
Glaube und die Kraft, den Alltag aus dem Glauben zu gestalten.
Aber: Umkehr -
wie macht man das?
Ich möchte dazu
an Zeichen erinnern, die im Laufe der Jahrhunderte uns Christen zugewachsen
sind und die Fastenzeit prägen.
Das
Aschenkreuz
"Du bist
schmutzig auf der Stirn! Hast Du Dich heute nicht ordentlich gewaschen?" -
solch eine Frage kann uns gestellt werden, wenn wir am Aschermittwoch oder
heute nach dem Gottesdienst aus der Kirche kommen und einem Freund oder
Arbeitskollegen begegnen. Zwar kennen viele Zeitgenossen das Wort "Aschermittwoch",
weil ja da "alles vorbei sein soll", was das Faschingsfeiern
betrifft, aber dass es mit einem Kreuzzeichen zu tun hat, das mit Asche auf die
Stirn gezeichnet wird, dass wissen nur die Insider. Sich bewusst beschmutzen
lassen, dazu braucht es eine besondere Motivation. Diese wird deutlich in dem
einen Segenswort, das bei der Auflegung der Asche gesprochen wird: "Bedenke,
Mensch, dass Du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst". Auch
beim Aschenkreuz für Kleinkinder und junge Menschen kann diese Formel verwendet
werden. Aber: "Macht man so etwas?" - Erinnerung an die
Vergänglichkeit menschlichen Lebens? Es ist eine Provokation in unserer Zeit,
die doch so gern vom vollen Leben in Gesundheit und Wohlstand spricht. Gern
schieben wir an den Rand, was uns die Lebensfreude verderben könnte. Krankheit,
Arbeitslosigkeit, Einsamkeit und Tod haben keinen festen Platz in der
Gesellschaft, die das Paradies auf Erden versprechen möchte. Und dennoch gibt
es in unserem Leben diese Realitäten. Sie sollen uns nicht die Freude am Leben
verderben. Sie sollen uns jedoch daran erinnern, dass wir nicht alles in der
Hand haben, sondern auf Hilfe von Gott oder von Mitmenschen angewiesen sind und
dass das "normal" ist. Ich sage dazu: Die Erinnerung an die
Vergänglichkeit des Menschen lässt uns den Alltag in einem neuen Licht sehen -
dem Licht der Liebe und des Segens Gottes. Wer Gott an seiner Seite weiß, kann
den Alltag in guten und bösen Tagen leichter bewältigen. Das Aschenkreuz
schafft damit ein neues Realitätsbewusstsein.
Fasten des
Geistes und Leibes, um Tieferes zu erkennen
Die Fastenzeit
hat ihren Namen durch die Praxis des Fastens bekommen. Fasten im Zusammenhang
mit Wellness - das verstehen alle. Aber: Fasten, um seine Sensibilität für Gott
zu erhöhen - das macht man nicht, außer wir Christen tun es, die wir ein
Interesse an der Erkenntnis Gottes haben. Fasten ist eine Wellness-Aktion
besonderer Art. Z.B.: In den Kirchen werden die schönen Bilder zugehängt: Es
geht um das Fasten der Augen. In der Gottesdienstgestaltung beschränken wir uns
auf die Liedbegleitung: es geht um das Fasten der Ohren. Ab dem Gloria des
Gründonnerstags schweigen die Kirchenglocken: Es geht um das Fasten der
Tradition des Glockengeläuts. Am Passionssonntag werden sogar die heiligen
Zeichen des Kreuzes verhängt und am Karfreitag und Karsamstag fastet die Kirche
durch den Verzicht auf die Eucharistiefeier, was ihr ja sonst als unverzichtbar
erscheint. "Glaube verdirbt die Lebensfreude" - diesen Vorwurf müssen
wir uns dann gefallen lassen. Am Karfreitag wird es dann noch besonders für
alle Bürger unseres Landes spürbar, dass wir Fastenzeit haben, wenn es keine
öffentlichen Tanzveranstaltungen geben darf und auch der Frühlingsrummel auf
dem Erfurter Domplatz und anderswo eingestellt ist. Lange Gesichter von Kindern
und Erwachsenen können wir dann sehen. "Das macht man nicht!" - sagen
uns dann unsere Mitbürger und reichen Beschwerden beim Oberbürgermeister ein.
Können wir dann als Christen gute Argumente einbringen, wenn es heißt: Das hat
mit den Christen zu tun? Haben wir Mut zu sagen: Das Fasten der Augen, der
Ohren und der Gewohnheiten hilft uns, für das liebevolle Handeln Gottes an
allen Menschen aufmerksam zu werden? Es wird uns dann sicherlich auch Unverständnis
entgegen gebracht, aber vielleicht haben wir damit auch die Chance, im Gespräch
Nachdenklichkeit auszulösen. Entscheidend wird sein, ob wir mit der Argumentation
glaubwürdig sind, d.h. uns selbst es wichtig ist, dieses Fasten mit Leben zu
erfüllen und unserer Seele, d.h. unserer Gottesbeziehung, etwas Gutes tun zu
wollen.
Buße, um die
Tür zu öffnen
In der
Offenbarung des Johannes hören wir im Sendschreiben an die Gemeinde von
Laodizea den schönen Text, in dem Gott spricht:
"Ich stehe
vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür öffnet, bei dem
werde ich eintreten, und wir werden Mahl halten, ich mit ihm und er mit mir."
(Offb 3, 20).
Der Bibelkenner
hört darin die Stimme des guten Hirten, wie ihn die Bildworte Jesu im
Johannesevangelium beschreiben. Gott ist ein vornehmer Besucher, der nicht
einfach in mein Leben einbricht, sondern zurückhaltend und behutsam mit uns
Menschen umgeht. Nur, wer die Tür ihm öffnet, hat eine Chance, an der
Freundschaft mit Gott teil zu haben. Gott ist kein Hausierer, der uns etwas
aufschwatzen möchte und auch wir - die Kirche - sind keine Hausierer, die den
Mitmenschen etwas aufschwatzen möchten oder ihnen Fragen nennen, die sie nicht
haben. Gott bittet um Einlass mit seinen guten Gaben der Erlösung und der
Heiligung. In der Fastenzeit soll für alle Katholiken das Bußsakrament ein
fester Bestandteil der Vorbereitung auf das Osterfest sein, weil sich hier das
Angebot des Heiles und die Bereitschaft, es auch anzunehmen, konkretisiert.
Weil Gott auf uns mit seiner Liebe zukommt, die sich besonders im Leiden und
Sterben seines geliebten Sohnes zeigt, ist der Neuanfang möglich und nicht
allein von uns zu meistern. Die Zusage der Liebe Gottes ist hörbar, wenn der
Priester uns die sakramentale Zusage der Vergebung unserer Sünden vermittelt.
Das bekommen wir bei keinem Arztgespräch oder Austausch mit einem lieben
Menschen, so wichtig auch beides ist.
Kreuzweg
gehen, um die Spuren Gottes zu erkennen
Die Tradition des
Kreuzweggebets ist eine feste Größe im Leben unser Gemeinden. Im Eichsfeld
gehen die Christen gern die Kreuzwegstationen außerhalb der Städte und Dörfer.
Mancher konnte in Jerusalem die "Via dolorosa" entlang gehen und dort
den Kreuzweg beten und erinnert sich dann zu Hause an diese Stationen des
Leidens Jesu. Wir schauen dabei Bilder an - mehr oder weniger naturalistisch.
Wir bedenken, was auf diesem Weg geschehen ist und was das Tun Jesu für ihn
bedeutet hat und für uns bedeuten kann. Wir beugen dabei das Knie und sagen: "Wir
beten dich an, Herr Jesus Christus, und preisen dich, denn durch dein heiliges
Kreuz hast du die Welt erlöst!" Wir beugen das Knie vor dem leidenden
Christus und verehren ihn, weil unsere Worte nicht reichen, um auszudrücken, zu
welcher Dankbarkeit ihm gegenüber wir eigentlich verpflichtet sind.
Am Palmsonntag
gehen viele Katholiken des Bistums und darüber hinaus bei der
Palmsonntagsprozession in Heiligenstadt inmitten der Darstellungen des Kreuzweges
Jesu. Damit sagen die Beter: "Der Kreuzweg war nicht nur vor 2000 Jahren.
Er erneuert sich in seinem Leiden in unserer Zeit immer wieder. Wir glauben
aber, dass dieser Leidensweg auch für uns zum Heil ist." Zum ehrfürchtigen Nachsinnen und Beten des
Kreuzwegs lade ich herzlich ein und möchte es in diesem Jahr auch in
Heiligenstadt bei der Palmsonntagsprozession mit allen Betern tun.
Ostern ist
mehr als ein Frühlingsfest
Wir können lange
darüber streiten, wie es zum Namen und Termin des Osterfestes gekommen ist. Für
mich ist es in jedem Fall mehr als ein germanischer Brauch oder ein
Frühlingsfest. Wir Christen feiern damit unsere Zukunft, die durch die
Auferstehung Jesu Christi möglich geworden ist. Ich freue mich, dass es in
dieser Fastenzeit auch wieder Erwachsene gibt, die sich auf die Taufe
vorbereiten und um das Gebet der Gemeinde bitten. Durch die biblischen Texte
werden sie eingeladen, zusammen mit uns die Sehnsucht nach dem Wasser des
Lebens zu erneuern oder auszudrücken. Vielleicht fragen sie uns nach dem Sinn
der katholischen Traditionen in der Fastenzeit. Dann sollten wir mit Stolz und
Freude davon erzählen können, welchen Reichtum wir haben und wie kostbar uns
das Aschenkreuz, das Fasten, die Buße, der Kreuzweg, die Palmsonntagsprozession
und viele andere Zeichen sind. Es wird die Fastenzeit dann für uns alle eine
Zeit des Heiles sein, auf die wir niemals mehr verzichten wollen und die wir
für alle unsere Freunde und Bekannten wünschen, weil wir sie am Herzen haben,
wie Gott sie an seinem Herzen hat - ob sie es wissen, oder nicht.
Es segne Euch in
dieser Zeit des Glaubens und der Erneuerung der gute und barmherzige Gott, der
Vater + und der Sohn + und der Heilige Geist.
Erfurt, am 1.
Fastensonntag 2013
Weihbischof Dr.
Reinhard Hauke
Diözesanadministrator