Erfurt (BiP). "Der erste Glockenschlag war eine Offenbarung." Bruder Michael Reuter, der Glockensachverständige des Erfurter Domberges, kann seine Ergriffenheit nach dem ersten Probegeläut der Gloriosa kaum verbergen.
"Sie ist nicht wiederzuerkennen", staunt er über den vollen, tiefen Klang der vor wenigen Wochen geschweißten Domglocke, bei der ein Haarriss entdeckt worden war. "Jetzt hört es auch der letzte Zweifler: Das Gloriosa-Projekt ist erfolgreich. Läutewinkel und Läuteverhalten sind so gut wie vorher, der Klang hat sich sogar verbessert", bringt es Bruder Michael auf den Punkt. Der Experte war nach Erfurt gekommen, um heute das Anschlagsverhalten der größten, frei schwingenden mittelalterlichen Glocke der Welt nach ihrer spektakulären Rettungsaktion zu untersuchen.
Kurz nach 11 Uhr setzten die Läutemaschinen die elfeinhalb Tonnen schwere Gloriosa in Bewegung. Nur 15 Sekunden dauerte es bis zum ersten Ton, vier Anschläge später habe die Glocke gleichmäßig mit 37 Schlägen pro Minute geläutet, berichtet der Glockensachverständige. Die Motoren der Läutemaschinen würden ruckelfrei arbeiten. Weil sich der Klöppel eine neue Anschlagfläche suchen muss, gebe es wohl noch kleine Unregelmäßigkeiten beim Läuten. "Aber die sind außerhalb der Glockenstube nicht zu hören und werden durch die Fein-Einstellung des Klöppels spätestens nach Ostern verschwunden sein", versichert Bruder Michael. Wenn sich die neuen Anschlagsstellen ausgeformt haben, würde die Gloriosa auch in gewohnter Lautstärke läuten, erklärt der Glockenexperte den momentan eher gedämpften Klang.
Die vielen Menschen, die auf dem Domplatz dem ersten Geläut der Gloriosa lauschten, zeigten sich dennoch beeindruckt. Manch einer wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Auge. Am 8. Dezember gegen 17.45 Uhr wird die Gloriosa zum Hochfest der Unbefleckten Empfängnis Mariens zum ersten Mal offiziell geläutet. Erfurt hat seine Stimme wieder.
Schonprogramm für die Gloriosa