Glaube schenkt Leben

Predigtgedanken von Weihbischof Reinhard Hauke am Zweiten Sonntag der Osterzeit (19.04.2020)

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Von bedeutenden Männern und Frauen wurden bisweilen die letzten Worte aufgeschrieben. Sie gelten manchmal wie ein Vermächtnis, durch das alles zusammengefasst wird, was ihr Leben geprägt hat. Von Johann Wolfgang v. Goethe sagt man z.B., dass sein letzter Satz gewesen sei: „Mehr Licht!“  Gedeutet wurde dieser Satz dahingehend, dass er nach weiterer Erkenntnis in der Natur und im Geist verlangt hat.

Das letzte Wort Jesu lautet in den Evangelien: „Es ist vollbracht!“ Damit fasst Jesus alles zusammen, was sein Anliegen war und nun abgeschlossen werden kann – zumindest vorläufig, denn es folgt ja noch die Auferstehung und das neue Leben.  Der heilige Martin sah in seiner letzten Stunde den Teufel, der seine Seele rauben wollte. Ihm sagte er: „Weg von mir. An mir wirst du nichts finden, was dich freuen kann.“


Heute hören wir den ersten Schluss des  Johannesevangeliums. Es gibt noch einen zweiten Schluss, der vermutlich aus dem Schülerkreis des Evangelisten stammt, denn es wird dort noch vom Schicksal des Johannes berichtet. Wie alle anderen Evangelien endet das Johannesevangelium ursprünglich mit Ostererzählungen.  

Die letzten Worte des Evangeliums sprechen davon, dass der Glaube an den Messias, den Sohn Gottes, uns das Leben schenkt. Das ewige Leben wird als erstrebenswert genannt und durchaus auch als erreichbar, wenn der Mensch sich im Glauben an Jesus Christus wendet und seinen Worten entsprechend lebt. Für den Evangelisten ist das der einzige und richtige Weg zum Heil.

Manchmal begegnen wir Menschen, die aus Langeweile in der Corona-Zeit oder aus echtem Interesse die Bibel in die Hand genommen haben.  Schlecht wäre es, wenn sie vorn beim Buch Genesis angefangen hätten, um sich dann durch die vielen Geschichtsbücher zu kämpfen, in denen von der Führung durch Gott und dem Auf und Ab im Glauben des Volkes berichtet wird. Besser wäre es, mit den Evangelien zu beginnen – vielleicht zuerst mit Lukas, denn seine Sprache ist gut verständlich.

Im Johannesevangelium begegnet uns Jesus Christus als der Auferstandene und österliche Messias von Anfang an. Das lässt seine Worte manchmal schwierig erscheinen, aber seine Art, von Jesus Christus zu reden, kann auch wegen der vielen Bilder prägend sein. Die Worte des Evangelisten muten dem Hörer und Leser sehr viel zu. Sie fordern ihn heraus, seinen eigenen Glauben zu prüfen, aber auch sein Inneres zu erforschen. Das geschieht für mich gerade beim heutigen Evangelium.

Inmitten der von Furcht geprägten Versammlung der Apostel kommt Jesus Christus am Sonntagabend.  Betont wird, dass die Türen verschlossen waren und ein normaler Mensch  die Gemeinschaft nicht betreten kann. Es ist also schon eine besondere Person, die hier eintritt. Der Friedensgruß soll Vertrauen schaffen und ihn als Freund ausweisen. Freude kommt auf, die dann in die Beauftragung zur Sündenvergebung überleitet. Die Worte Jesu von der  Sündenvergebung und von der Möglichkeit, diese zu verweigern, sind  eine Schlüsselstelle in der Verkündigung Jesu. Hier wird deutlich, warum er in die Welt gekommen ist und sein Leben einsetzt. Die Abwendung von Gott und seinem Heilswillen soll überwunden werden, d.h. der Sündenfall des Paradieses soll eine Wende erleben. „Vom Baum des Paradieses kam der Tod. Vom Baum des Kreuzes kam das Leben.“  Wer sich an Jesus Christus bindet, hat einen Weg zum persönlichen Heil gefunden.

Thomas steht für alle, die sich mit schnellen Antworten nicht abspeisen lassen. Wir verstehen seine Skepsis, auch wenn die Tatsache der Auferstehung von vielen Mitbrüdern und Mitschwestern bezeugt wird. Er sucht die persönliche Begegnung mit den Wundmalen Jesu. Es wird nichts davon gesagt, ob er der Einladung Jesu gefolgt ist und sie angefasst hat, auch wenn der Maler Caravaggio es so in einem berühmten Gemälde dargestellt  hat. Thomas genügt es, die Wundmale zu sehen. Diese Begegnung gipfelt in dem schönen Wort, das uns gilt: „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“  Der Apostel hat also nicht allein die Chance, zum Glauben an den Auferstandenen zu kommen, sondern alle Menschen haben die Möglichkeit. Auch der Weg über das Anschauen der Wundmale ist ein Weg zum Leben.

In diesen Tagen sehen wir die Wundmale der Kranken, der Helferinnen und Helfer, der Wirtschaft und Gesellschaft, der Religionsgemeinschaften und der Kunst. Wir spüren die Anfälligkeit unseres Lebens und manche fühlen sich von Gott verlassen. Aber hier hilft uns das Evangelium: Es zeigt nicht den Paradiesweg zum Leben auf, sondern es zeigt die Wundmale Jesu. Es gibt also auch einen Weg zur Erkenntnis des Heils über die Wundmale Jesu. Das ist nicht sehr attraktiv für den jungen und starken Menschen. Es ist aber attraktiv für den alten und kranken Menschen und für alle, die in ihrer Existenz gefährdet sind. Christus ist auch hier zu finden.

In der Apostelgeschichte wird das Brotbrechen und Gebet als Mitte des Gemeindelebens angesehen. Es ist nicht sicher, ob hier schon die Eucharistie gemeint ist. Das Teilen des Lebens in guten und schlechten Zeiten wird als Erweis des Glaubens bezeichnet. So ist es auch in diesen besonderen Zeiten immer gut, das gemeinsame Essen und Trinken mit dem Gedanken an Jesus Christus durch das Gebet zu verbinden. Dann wird auch hier deutlich, dass er zu unserem Leben dazu gehört und uns das ewige Leben schenken will.

Der 1. Petrusbrief betont gleichfalls, dass der Glaube zu einem ewigen Lobpreis sich entwickeln kann, auch wenn es streckenweise Prüfungen gibt, die verzweifeln lassen.  Damit sind wir wieder in der Gegenwart angekommen, aber wir sehen auch die Zukunft und den Ausweg.

Ich wünsche diese weite Sicht des Lebens und gute Ideen, wie wir auch andere darauf aufmerksam machen können, damit sie das Leben haben. Amen.

Die Predigt bezieht sich auf die Texte des heutigen Sonntags (19. April 2020): Apostelgeschichte 2, 42-47; 1 Petrus 1, 3-9; Johannes  20, 19-31

Joh 20, 19-31
Am Abend dieses ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vatergesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchteer sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist!  Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten. Thomas, der Dídymus genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht.  Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas: Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände! Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.