Nachfolgend dokumentieren wir das Grußwort der Landtagspräsidentin Birgit Diezel in der vorab den Medien zur Verfügung gestellten Fassung. Es gilt das gesprochene Wort!
Im Namen der
Abgeordneten des Thüringer Landtags danke ich Ihnen herzlich für die Einladung
zum diesjährigen Patronatsfest zu Ehren der Heiligen Elisabeth. Abgeordnete
aller Fraktionen waren in den vergangenen Jahren immer gern zu Gast auf diesen
Empfängen. Heute ist es nicht nur die Heilige Elisabeth, die uns zusammenführt,
sondern auch die Verabschiedung von Bischof Dr. Wanke aus seinem Amt. Mit ihm verlässt
uns ein Nachfolger des Heiligen Bonifatius, der das Bistum Erfurt 742 gegründet
hatte. Das Bistum Erfurt besteht seit 1994 wieder und wurde seither klug und
umsichtig von Bischof Dr. Wanke geleitet. Mehr als vier Jahrzehnte hat er dem
katholischen Glauben in Thüringen Gesicht und Stimme geben.
Sehr geehrter
Bischof Dr. Wanke,
Ihre Tätigkeit in
Thüringen wurde durch das Bewusstsein geprägt, in einer mehrheitlich
nicht-kirchlichen Umwelt als katholische Stimme zu fungieren. In den ersten
zwanzig Jahren Ihrer seelsorgerischen und wissenschaftlichen Tätigkeit
herrschte das kommunistische Gesellschaftssystem mit seinem atheistischen Weltbild.
Viele Gäste in diesem Saal haben dieses Experiment selbst erlebt und erduldet. Sie,
lieber Bischof Wanke, haben den Menschen Mut gemacht, ihren Glauben auch unter
den Bedingungen der ideologischen Bevormundung zu leben. Umsichtig haben Sie
dazu beigetragen, dass die Kirchen Räume der Freiheit, der geistigen wie geistlichen
Freiheit, blieben. Dafür danke ich Ihnen herzlich.
Ihr Engagement
für das Theologische Studium Erfurt ist ebenso unvergessen. In Erfurt gab es
die einzige Hochschule, die eine wissenschaftliche Ausbildung für katholische
Priester zwischen Ostsee und Thüringer Wald ermöglichte. Gegen alle Fährnisse
und Widrigkeiten behauptete das Seminar die kirchliche Selbstbestimmung. Geistige
Freiheit und Unabhängigkeit der Meinung - mit dieser Grundhaltung haben Sie,
sehr geehrter Bischof Dr. Wanke, das Theologische Studium in Erfurt wesentlich
geprägt. Heute ist das Seminar in die Universität Erfurt integriert. Die
Integration war für beide Einrichtungen eine Bereicherung, gerade im Hinblick
auf interdisziplinäre Verknüpfungsmöglichkeiten. Der in Deutschland
einzigartige religionswissenschaftliche Schwerpunkt hat sich als förderlich für
die Profilierung dieser Universität erwiesen.
Sehr geehrter
Bischof Dr. Wanke,
als Katholik in
einer kommunistischen Diktatur haben Sie christliches Profil gezeigt, beharrlich
zu Ihren Ü;berzeugungen gestanden und sich von einem mehrheitlich atheistischen
Umfeld nicht beeindrucken lassen. Heute, unter den Bedingungen von Freiheit und
Demokratie, gilt die Glaubensfreiheit wieder als ein zentraler Wert unserer
Gesellschaft. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung, die die Pluralität
der Meinungen und Lebensanschauungen zulässt, nehmen wir als ein großes
Geschenk an. Sie birgt jedoch andere, neue Herausforderungen für den Glauben. Denn
unsere von Individualismus, vermeintlicher Säkularität und Materialismus geprägte
moderne Welt erleichtert nicht gerade die Erfüllung des kirchlichen Auftrages. Ich
erinnere in diesem Zusammenhang an die Worte von Papst Benedikt XVI, der auf dem
Domplatz in Erfurt vor einem Jahr bekannte: "Wir alle sind davon überzeugt,
dass die neue Freiheit geholfen hat, den Menschen größere Würde und vielfältige
neue Möglichkeiten zu eröffnen. ... Aber die Frage steht natürlich vor uns:
Haben diese Möglichkeiten uns auch ein Mehr an Glaube gebracht?" Diese Frage
von Papst Benedikt XVI. bewegt alle Christen und in ganz besonderem Maße auch
Sie, Bischof Wanke. Die Erfahrung des Gefährdetseins des Glaubens hat Ihren
Lebensweg entscheidend geprägt. Sie sind dieser Erfahrung mit Ihrem
persönlichen Credo begegnet: Der Hinwendung zu Gott!
Lieber Bischof
Dr. Wanke,
im Psalm 16 steht: "Auf schönes Land ist mein Anteil, mein Los,
gefallen". Ihr Los waren
Thüringen und dessen Menschen. Freimütig bekennen wir in dieser Stunde: Für
dieses Land waren Sie ein gutes Los. Als Abgeordnete - ob als Christen oder
Nichtchristen - haben wir mit Ihnen als oberstem kirchlichen Verwalter des
Bistums Erfurt konstruktiv und vertrauensvoll zusammengearbeitet, zum Beispiel
beim Staatsvertrag zwischen dem Freistaat Thüringen und dem Heiligen Stuhl
1997. Dieses Gesetz dokumentiert den Geist der Freundschaft und des gegenseitigen
Respekts, der uns miteinander verbindet.
Sie haben sich
immer für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung stark gemacht und riefen
die Menschen dazu auf, sich zu ihr zu bekennen. Sie mahnten: "Reden wir unsere
parlamentarische Demokratie nicht schlecht. Sie mag manche Schwächen haben.
Aber wir hatten in der Geschichte Deutschlands noch keine bessere Verfassung
als die gegenwärtige." Wir Abgeordnete schätzen Ihr offenes Bekenntnis zu den
Grundwerten unserer Gesellschaft. Wir schätzen Sie als Wissenschaftler und als Zeitzeugen,
dessen Ermahnungen nie schulmeisterlich sind. Und wir schätzen Sie als Lehrer, der
zur Mündigkeit ermutigt.
Umsichtig haben
Sie die sich bietenden Gelegenheiten genutzt, um uns Politikern ins Gewissen zu
reden. Ich erinnere an Ihre Predigten bei ökumenischen Gottesdiensten zum
Beispiel anlässlich der Konstituierung des fünften Thüringer Landtags oder anlässlich
des Festakts 20 Jahre Thüringer Landtag. Bei diesen Gelegenheiten mahnten Sie
uns Abgeordnete, uns unserer Verantwortung vor Gott und vor den Menschen
bewusst zu sein. Wie der Zufall oder die göttliche Fügung will, fiel der jährliche
Elisabeth-Empfang häufig in den Zeitraum der Haushaltsberatungen. Sie haben
dann Ministerpräsidenten, Finanzminister und Abgeordnete an die Heilige
Elisabeth erinnert und in deren Nachfolge eine Politik der sozialen
Gerechtigkeit und des Interessenausgleichs angemahnt.
Ihr Witz und
Augenzwinkern haben aber nicht nur die klare Botschaft freundlich verpackt, sondern
auch dafür gesorgt, dass Ihre geistlichen Worte nicht ohne irdische Folgen
blieben. Besonders beim Thema Bildung haben Sie es nie an Deutlichkeit fehlen
lassen. Eindringlich mahnten Sie die auskömmliche Ausstattung aller Bildungsinstitute
an, ob es sich um staatliche, konfessionell gebundene oder um Einrichtungen in
freier Trägerschaft handelte. Dieses Engagement bleibt - wie so viel anderes -
unvergessen.
Sehr geehrter
Bischof Dr. Wanke,
es wäre für uns
Abgeordnete des Landtags eine große Freude, wenn wir Sie künftig bei
Veranstaltungen im Parlament begrüßen könnten. Ihre Stimme und Erfahrung
aufzunehmen und einzubinden in die politischen Beratungsprozesse ist uns ein
wichtiges Anliegen. Für den Ruhestand wünschen wir Ihnen viel Gesundheit, viel
Schaffenskraft und natürlich Gottes Segen. Wir sind dankbar, dass Sie, getreu
Ihren eigenen Worten, "in Thüringen mithelfen wollen, hier den Himmel Gottes
offen zu halten."
Für Ihre hoffentlich
kommenden Mußestunden erlaube ich mir Ihnen einen Kanon neuester Werke und
Biografien von Dissidenten und Schriftstellern als Geschenk zu überreichen. Darunter
finden Sie jüngste Ausgaben von Jürgen Fuchs, Udo Scheer, Ulrich Schacht und Nobelpreisträgerin
Herta Müller. Diesen Autoren fühlt sich der Thüringer Landtag besonders
verbunden und ich bin sicher, dass Sie unsere Verbundenheit teilen.
Quelle: Thüringer Landtag. Den Inhalt verantwortet der Absender.
20.11.2012

