"Früchte für das geistliche Leben der Kirche heranreifen lassen"

Homilie von Bischof Joachim Wanke bei der hl. Messe zum Colloquium Europäischer Pfarreien in Erfurt

Lesung: 1 Kor 12, 3-7.12f

Evangelium: Joh 15,1-8


Unsere Zeit ist sehr auf ökonomische Effizienz bedacht. Es geht um Erhöhung der Wirtschaftlichkeit, um Produktion und Leistungssteigerung - immer mehr, immer schneller, immer billiger.


Die Worte der Hl. Schrift machen uns darauf aufmerksam: Im Reich Gottes gelten andere Gesetze. Dort geht es nicht um Produktion nach Plan, sondern um das Wachsen von "Früchten". Die aber wachsen nicht auf Befehl. Sie sind auch nicht Ergebnis unserer Anstrengungen allein. Früchte wachsen im Stillen. Sie sind letztlich ein Geschenk "von oben". Man kann sich dafür bereiten - aber erzwingen kann man sie nicht.


Wir hören in den Schrifttexten von einigen Voraussetzungen, wie "Früchte" für das geistliche Leben der Kirche in unseren Ländern heranreifen können. Was sollen wir beherzigen?



1. Die fortdauernde Verbindung mit Jesus Christus.


Der Evangelist gebraucht das Bild vom Weinstock. Ohne Verbindung mit dem Stamm kann kein Rebzweig Trauben hervorbringen. Man kann auch sagen: Die geistliche Verbundenheit mit dem Herrn ist wie das "Grundwasser", von dem her überhaupt alles Wachsen und Reifen ermöglicht wird. Trennen wir uns von Christus, sitzen wir "auf dem Trockenen". Der Lebensstrom versiegt. Wir können nicht mehr Früchte bringen, die Gott gefallen.


Die Verbundenheit mit Christus bleibt gewahrt durch das Gebet, durch das Lesen und Bedenken der Hl. Schrift, durch den Empfang der hl. Sakramente, durch die Mitfeier der Eucharistie. Sorgen wir in unseren Teilkirchen dafür, dass alle kirchliche Arbeit eingebettet bleibt in das Mitleben mit Christus. Der Apostel Paulus sagt: Wir müssen Glieder am Leib des Herrn bleiben. Allein für uns können wir dem Vater im Himmel nicht gefallen.



2. Jeder muss seine eigene Gabe in das Ganze einbringen.


Der Reichtum der Kirche ist die Vielzahl der Begabungen, die unter uns lebendig sind. Dieses Kolloquium wäre nicht möglich geworden, wenn nicht viele mit ihren jeweiligen Talenten sich engagiert hätten.


In unseren Pfarreien brauchen wir nicht nur Priester und Diakone, sondern viele Getaufte und Gefirmte, die mitarbeiten: in der Katechese, bei der Gestaltung der Gottesdienste, bei den Besuchen der Kranken und Einsamen, beim Kontakt mit den Medien, in der Kinder- und Jugendarbeit usw. Schätzen wir sehr, was jeder Einzelne für das Ganze tut. Bleiben wir dankbar dafür. Sorgen wir dafür, dass sich immer neue Mitarbeiter finden. Wer spürt, dass sein Dienst willkommen ist, wird ihn mit Freude verrichten - auch ohne Bezahlung.


Hüten wir uns darum vor allen spalterischen Aktivitäten. Keiner hat das wahre Christentum für sich allein. Gottes Geist ist ein Geist der Einheit. Wir dürfen dankbar sein, dass wir im Petrusamt einen Garanten der Einheit haben. Halten wir uns in unseren Ortskirchen an den Bischof und seine Weisungen. Nur so bleiben wir in der Mitte der Kirche beheimatet. Nur wer dem Ganzen dienen will, wer die Kirche Gottes auferbauen will, nicht sich selbst, der kann "Frucht" bringen, die Gott gefällt.



3. Die verschiedenen Dienste haben ein gemeinsames Ziel: Die Verherrlichung des Vaters im Himmel.


Die Kirche ist eine merkwürdige Vereinigung: Sie kann groß und mächtig erscheinen, aber auch klein, armselig und sogar Verfolgung erleiden. Wir erleben die Kirche in unseren Ländern sehr unterschiedlich. Doch wie immer die Kirche sich in den Augen der Welt darstellt: Vor Gott zählt, dass sie treu bei ihrer Grundaufgabe bleibt. Sie ist dazu da, die Menschen durch Jesus Christus zum Vater im Himmel zu führen. Sie darf helfen, die Menschen zum Danken zu bewegen. Sie wird nie aufhören, "durch Christus, mit ihm und in ihm" Gott, dem allmächtigen Vater, zu danken. Der einzige Zweck der Kirche ist: Der Dank an Gott, unseren Schöpfer und Erlöser soll nie aufhören, solange diese Welt besteht. Der Dank soll sich durch sie, wie der Apostel Paulus einmal sagt (vgl. 2 Kor 4,15), "vervielfachen", auch heute.


So ist die Kirche wie ein Resonanzraum eines kostbaren Instrumentes, etwa einer Stradivari-Geige. Der Ton der Frohbotschaft, des Evangeliums soll in ihr einladend erklingen und das Herz jedes Menschen erwärmen, immer neu, in jeder Generation. Viele Menschen, auch in unseren Ländern, sollen den Vater im Himmel kennen und lieben lernen. Dazu dürfen wir helfen. Dem dient alles Engagement in unseren Pfarrgemeinden. Das ist die geistliche Frucht, auf die es ankommt.


Jesus sagt: "Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jünger werdet" (Joh 15,8). Diese Frucht, die der Herr meint, lässt Gott in uns wachsen -


  • wenn wir uns an Jesus Christus halten,

  • wenn wir die Einheit der Kirche im Blick behalten

  • und den festen Willen haben, in allem Gott zu verherrlichen. Amen


St. Marien-Dom zu Erfurt, 20. Juli 2005



23. Colloquium Europäischer Pfarreien vom 17. bis 22. Juli in Erfurt