Mit Studentengemeinden in der DDR als Ort kultureller Bildung befasst sich ein neues Forschungsprojekt am Lehrstuhl für Fundamentaltheologie der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, das jetzt gestartet ist und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 289.000 Euro gefördert wird. Prof. Dr. Michael Gabel als Projektleiter sieht das Vorhaben in der am Lehrstuhl für Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft entwickelten Forschungsperspektive "Nachbarschaft". Sie ist Teil des Forschungsrahmens "Migration - Minderheit - Mission" der Katholisch-Theologischen Fakultät.
Das Projekt ist im Spannungsfeld von Konfession, Bildung und Politik angesiedelt. Es greift auf Ü;berlegungen von Ernst-Wolfgang Böckenförde zurück, wonach die Zivilgesellschaft auf sozial-moralische Ressourcen ihrer Glieder substantiell angewiesen ist. Religion verfügt demnach, so die Forschungsvermutung, über das Potenzial, Wertfragen - Vorstellungen von Gerechtigkeit, Solidarität und Menschenwürde - im zivilgesellschaftlichen Bereich lebendig zu halten. Das Projekt sieht dabei die innere Pluralität des Christlichen, wie sie sich in der konfessionellen Verfasstheit der Kirchen ausspricht, als hohen Wert für die Orientierungssuche demokratischer Gesellschaften. Das gilt erst recht angesichts von Diktaturen und Ideologien.
Die Untersuchung wird von Dr. Thomas Brose durchgeführt. Der Religionsphilosoph und katholische Theologe hat sich seit Herbst 1989 für den Wiederaufbau des Guardini-Lehrstuhls an der Humboldt-Universität eingesetzt und war bis 2004 als Studentenseelsorger in Berlin tätig, danach als Koordinator für Religion und Wertorientierung bei der Konrad-Adenauer-Stiftung. Er will anhand des inhaltlich und zeitlich klar umgrenzten Forschungsfeldes katholischer und evangelischer Studentengemeinden in der DDR die Pluralität christlicher Orientierungsleistungen unter den erschwerten Bedingungen ideologischer Indoktrination untersuchen. Die Hypothese, die dem Forschungsvorhaben zugrunde liegt, lautet, dass diese Studentengemeinden einen mächtigen Gegenentwurf zur offiziellen politischen Doktrin in der DDR darstellten. Die Untersuchung fragt, ob und wie die Arbeit in den Studentengemeinden substantiell zur Demokratiefähigkeit, Persönlichkeitsbildung sowie soziokulturellen Prägung von Studierenden beitrug. Zugleich tritt in diesem Feld die unterschiedliche Färbung des Konfessionellen hervor, die sich zeitweise in innerer Abgrenzung voneinander, jedoch wesentlich in der Vergewisserung grundlegender nachbarschaftlicher Gemeinsamkeit vollzieht. Das Projekt versteht sich deshalb zugleich als innovativer Forschungsbeitrag zur Lutherdekade.
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Quelle: Pressemitteilung der Universität Erfurt. Den Inhalt verantwortet der Absender.