Erwachsenwerden begleiten und feiern

Angebote für konfessionslose Jugendliche im nichtkirchlichen Raum

Eine Orientierungshilfe des
Katholischen Büros Erfurt

 

1. Statistik (Thüringen)

Wie in allen neuen Bundesländern, in denen 90 % der Jugendweihen stattfinden, nehmen auch in Thüringen in den letzten Jahren ca. 70 % der Jugendlichen (etwa 16.000 pro Jahr) an den Feiern teil.
Die durchschnittliche Zahl der Konfirmanden beträgt in den zurückliegenden 3 Jahren ungefähr 6.000 pro Jahr, während ca. 2000 Jugendliche pro Jahr in Thüringen gefirmt worden sind.
Eine kleine Gruppe von Jugendlichen nimmt seit 1998 an der Lebenswendefeier im Erfurter Mariendom teil (1998: 12; 2001: 28).

2. Kurzbeschreibung der Angebote

2.1 Jugendweihe
Der Jugendweiheveranstalter in Thüringen - wie in den anderen neuen Bundesländern - ist die Nachfolgeorganisation der "Ausschüsse für Jugendweihe in der DDR", die Interessenvereinigung für humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe e. V.
Auf Grund der 1990 erfolgten Umbenennung - ohne eine Neugründung des Vereins vorzunehmen - ist nach wie vor von einer gewissen personellen und strukturellen Kontinuität zu den ursprünglichen Jugendweiheausschüssen auszugehen. Auch auf eine begriffliche Neufassung der Feier, um sich von kirchlichen Feiern deutlich unterscheiden zu können, wurde verzichtet.
Die heutigen Jugendweihefeiern zeichnen sich durch einen humanistischen Ansatz ohne Bekenntnischarakter aus; eine antireligiöse oder antikirchliche Ausrichtung ist nicht erkennbar.

In der Regel erfolgen die Jugendweihefeiern ohne Vorbereitungskurse. Falls die Feier mit einer Vorbereitung verbunden ist, trägt diese eher einen Eventcharakter bzw. ist durch einen erlebnisorientierten Ansatz geprägt.

2.2 Jugendfeier
Träger der Jugendfeier, insbesondere in Berlin, ist der Humanistische Verband Deutschlands, der sich 1993 formell gegründet hat und aus dem früheren Freidenkerverband hervorgegangen ist.
Der Verband, der beispielsweise in Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt tätig ist, hat sich zum Ziel gesetzt, in allen Bundesländern Landesverbände zu gründen, um sich als Interessenvertreter für Deutschlands Konfessionslose zu etablieren.
Die vom Humanistischen Verband angebotene Jugendfeier versteht sich als Angebot für konfessionslose Jugendliche, das sowohl mit einer inhaltlichen Vorbereitung als auch mit der alleinigen Inanspruchnahme der Jugendfeier verbunden ist.
Die Jugendfeier selbst ist frei von einer antikirchlichen bzw. antireligiösen Ausrichtung, jedoch weist das Programm des Humanistischen Verbandes verdeckte und zum Teil offene antikirchliche und antireligiöse Passagen aus. So wird der verfassungsrechtlichen Stellung der Kirchen folgende programmatische Forderung entgegen gehalten:

    "Religiöse und nichtreligiöse Weltanschauungsgemeinschaften in unserer Gesellschaft müssen eine gleiche Behandlung erfahren und die ungerechtfertigte und unzeitgemäße Dominanz der Kirchen, die in bestimmten Bereichen einem Alleinvertretungsanspruch gleich kommt, muss gebrochen werden."

Darüber hinaus wird in plakativer Weise die Stellung der Religion in der heutigen Gesellschaft in Frage gestellt:

    "Alte Erklärungsmuster und Bindungen an Familie, Nation, politische Heilslehren oder Religion sind fragwürdig geworden. Sie haben historisch versagt und wurden durch den Säkularisierungsprozess weitgehend aufgelöst."


2.3 Maiglockenfest
Träger dieser neuen Form von Jugendfesten als Alternative zu den Jugendfeiern bzw. Jugendweihen ist der überparteiliche Verein "maiglocke e. V.".
In der Anlage zur Satzung heißt es in einer Erklärung gegenüber den Kirchen:

    "Die Mitglieder des Vereins wenden sich gegen (diese) antichristlichen und antikirchlichen Traditionen und wollen konfessionslose junge Menschen auf die christlichen Grundlagen unserer Kultur, auf Christentum und Kirchen verweisen [...] Der Verein strebt ein gutes Verhältnis zu den Kirchen und Kirchgemeinden vor Ort an. Der Verein wird darauf achten, dass die von ihm veranstalteten Feste von Konfirmation und Firmung deutlich unterschieden bleiben."

Die Teilnehmer des Maiglockenfestes durchlaufen eine Folge von vier Kursen, sodass durch einen verbindlichen Rahmenplan eine inhaltliche Vorbereitung des Festes gegeben ist. Die Kurse sind problem- und bildungsorientiert (Lebensplanung und Lebensgestaltung; Menschen und Demokratie; Erwachsenwerden in Freiheit und Verantwortung) und bieten damit im Rahmen der Vorbereitung eine Reflexion über das Erwachsenwerden.

3. Fazit

Das Bedürfnis konfessionsloser Eltern und Jugendlicher in den neuen Bundesländern nach (traditionellen) Formen der Feier des Erwachsenenwerdens (Jugendweihe) ist nach wie vor stark ausgeprägt. Das Interesse an diesen Feiern hat verschiedene, zum Teil divergierende Ursachen:

  • die Bewahrung der von den Eltern erlebten Familienfeier für die heranwachsenden Kinder

  • der gesellschaftliche Trend der beliebigen Inanspruchnahme einer Dienstleistung, ohne sich auf eine inhaltliche Auseinandersetzung oder Vorbereitung einzulassen

  • das Bedürfnis einer säkularen Gesellschaft nach Ritualen, die sinnstiftende Elemente vermitteln und Fragen nach Wert, Würde und Sinn des Lebens aufgreifen

Neu entstandene Formen der Feier des Erwachsenenwerdens für konfessionslose Jugendliche (das Maiglockenfest außerhalb der Kirche; die Lebenswendefeiern im Raum der Kirche in Erfurt, Nordhausen, Dessau, Halle und Magdeburg) haben in ihrer Konzeption vor allem an dem Bedürfnis nach Orientierung und Wertevermittlung angeknüpft. Sie sind jedoch eher als exemplarisches Angebot zu betrachten und zurzeit nicht flächendeckend auf eine Region übertragbar.

All diejenigen Angebote von Feiern für konfessionslose Jugendliche verdienen Unterstützung, die mit einer geeigneten Vorbereitung und Reflexion über das Erwachsenwerden verbunden sind, sich am Wertverständnis des Grundgesetzes orientieren, sich deutlich von kirchlichen Festen (Konfirmation und Firmung) unterscheiden und sich gegen antireligiöse oder antikirchliche Tendenzen wenden (Ähnlich wie bei der erfolgten Mitarbeit von Christen bei der Erarbeitung eines Ethiklehrplanes für die konfessionslosen Schüler in Thüringen ist eine Unterstützung der Anliegen neu entstandener Formen des Erwachsenenwerdens - etwa des Vereins maiglocke e. V. - denkbar).

Erfurt, den 1. Juni 2001

gez.
Ordinariatsrat Winfried Weinrich
Leiter des Katholischen Büros Erfurt

WEITERE INFORMATIONEN:

  • Feiern der Lebenswende im Erfurter Dom (Bistum Erfurt)
  • Jugendfeier zur Lebenswende (Bistum Magdeburg)

  • Selbstdarstellung der Träger und Vereine und ihrer Angebote für Jugendliche im nichtkirchlichen Raum:

  • Interessenvereinigung für humanistische Jugendarbeit und Jugendweihe
  • Humanistischer Verband Deutschlands
  • maiglocke