Erklärung von Bischof Wanke zu "Dominus Iesus"

Bischof Dr. Joachim Wanke
Bischof von Erfurt
über "Katholische Kirche und Ökumene"
anlässlich der Erklärung "Dominus Iesus"
der Kongregation für die Glaubenslehre

Katholische Kirche und Ökumene

Derzeit stiftet eine von der römischen Glaubenskongregation herausgegebene Erklärung, die sich mit der Bewertung Jesu Christi und des Christentums im Religionsgespräch unserer Tage beschäftigt, Verwirrung. Manche Erklärungen in der Öffentlichkeit erwecken den Eindruck, als verabschiede sich hier die katholische Kirche von jedweder Ökumene. Solche Aussagen stützen sich besonders auf die Nr. 17 dieser Erklärung, in der das Selbstverständnis der Katholischen Kirche kurz dargelegt und ihr Verhältnis zu anderen christlichen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften erläutert wird.

Bei genauer Kenntnisnahme dieser Aussagen ist zu sagen, daß hier nichts umstürzend Neues ausgesagt wird. Die Hauptaussage der Erklärung zielt darauf, die einzigartige Bedeutung Jesu Christi als "Offenbarer" des von so vielen Religionen erahnten geheimnisvollen Gottes für alle Katholiken festzuhalten. Das ist - so zeigen erfreulicherweise auch erste Stellungnahmen aus dem evangelischen Bereich - gemeinsame Grundüberzeugung aller Christen, egal welcher Konfessionalität. In der bei vielen Zeitgenossen (und auch manchen Theologen) anzutreffenden Relativierung aller Religionen zu einem beliebigen "Einerlei" sehe ich die größte Herausforderung für das Christentum in den nächsten Jahrzehnten. Wir müssen lernen, den Anspruch auf Wahrheit mit dem Gedanken der Achtung fremder (auch religiöser) Ü;berzeugungen zu verbinden. Auch die Haltung eines "Nathan des Weisen" kann ich achten, aber ich möchte doch schon gern wissen, ob ein "Ring" echt ist.

Ähnliches gilt für das Gespräch der christlichen Konfessionen untereinander. Daß die Katholische Kirche in ihrem Selbstverständnis zwischen der Orthodoxen Kirche, mit der sie grundlegende Glaubensüberzeugung verbindet, und den aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen unterscheidet, kann man auch in den Texten des letzten Konzils nachlesen. Man kann der katholischen Kirche jetzt nicht vorwerfen, daß sie dies bislang verschwiegen habe. Zwischen katholischer Lehre und (manchen) evangelischen Ü;berzeugungen bestehen noch gewichtige Unterschiede in Fragen, die eigentlich jedem Christenmenschen auf den Nägeln brennen müßten, etwa die Frage, ob die Kirche nur ein frommer Verein besonders religiöser Menschen ist oder ob sie Stiftung des auferstandenen Christus ist, dessen Willen wir verpflichtet sind. Oder: Ist die Eucharistie, das Abendmahl nur ein Sakrament einer persönlichen Frömmigkeit (da müßte ich als katholischer Bischof manche Katholiken ausschließen), sondern ein Sakrament, in dem sich Kirche in ihrem tiefsten Wesen darstellt (und was darum natürlich auch persönliche Frömmigkeit und Lauterkeit des Herzens verlangt). Oder: Ist ein Bischof nur ein gewählter Mandatsträger ähnlich wie in der Politik, oder einer, dessen Autorität sich vom Haupt der Kirche, vom auferstandenen Christus und nicht allein von der Gemeinde oder von besonderer Geeignetheit ableitet (was nicht heißt, daß man nicht auch Bischöfe wählen könnte).

Als katholischer Bischof und zudem noch als derzeitiger Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland fühle ich mich weiter der Aussage meiner Kirche verpflichtet: Es ist "notwendig, daß die Katholiken die wahrhaft christlichen Güter aus dem gemeinsamen Erbe mit Freude anerkennen und hochschätzen, die sich bei den von uns getrennten Brüdern (und Schwestern) finden. Es ist billig und heilsam, die Reichtümer Christi und das Wirken der Gei-steskräfte im Leben der anderen anzuerkennen, die für Christus Zeugnis geben, manchmal bis zur Hingabe des Lebens" (Ökumenismusdekret Nr. 4).

Ich bitte alle Mitchristen aus der Ökumene, an diesem ökumenischen Willen unserer Kirche nicht zu zweifeln. Eine Kongregation für die Glaubenslehre muß manchmal Wahrheiten in Erinnerung rufen. Das ist ihre Aufgabe. Doch auch hier gilt: "Der Ton macht die Musik!" Das ökumenische Gespräch ist seit dem letzten Konzil weitergegangen und wird weitergehen. Diesen Hinweis hätte ich mir in dem Schreiben aus Rom gewünscht, auch etwa in Nr. 17 einen Hinweis auf den er-reichten erfreulichen Konsens im Verständnis über die Rechtfertigung (also über die Frage, wie der Mensch vor Gott und sich selbst "richtig" lebt). Aber man kann in einem Schreiben, das zudem ein anderes Thema hat, nicht alles sagen. Ich hoffe, daß Bischof Walter Kasper in Rom zusätzlich das sagen wird, was uns Katholiken aus hiesiger Sicht über dieses Schreiben hinaus noch zu sagen wichtig ist.

Erfurt, d. 7.9.2000



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