Willi Weitzel kennt (fast) jeder. Nicht nur von seinen Sendungen wie zum Beispiel "Willi wills wissen", sondern weil er sich sehr stark für die Rechte von Kindern einsetzt. Seit mehr als zehn Jahren unterstützt er, der selbst einmal einer war, die Sternsinger. Im nachfolgenden Interview erzählt er von einer ganz besonderen Schule: der Kinderrechteschule in Kamp-Lintfort.
Radiospot
Lukas (9) und Noah (7) haben in einem tollen Radiospot mitgewirkt (Dauer 38 Sekunden) - einfach mal hier reinhören
Interview
1. Willi, erzähl doch mal ein bisschen von deinem Besuch in der Kinderrechteschule in Kamp-Lintfort. Wie setzen sich die Kinder in der „Grundschule am Pappelsee“ für ihre Rechte ein, und welche Rolle spielen der Klassenrat und das Schülerparlament dabei?
Als erstes muss ich dazu sagen, dass es sich um eine richtig coole Schule handelt. Mich hat sie deswegen so begeistert, weil die Schule die Kinderrechte in den Schulalltag integriert. Natürlich machen das auch andere Schulen, aber an der Grundschule am Pappelsee sind die Kinderrechte sozusagen der Maßstab für alles, was im Schulleben passiert. Um es auf den Punkt zu bringen, wozu die Kinderrechte überhaupt da sind: die Kinderrechte sollen alles, was für Kinder wichtig ist, schützen und fördern, letztlich die Kinder schützen und fördern.
Um mal ein Beispiel zu nennen, wie es an der Schule in Kamp-Lintfort läuft: Es gibt ja das Kinderrecht auf Meinungsäußerung und Beteiligung, was so viel bedeutet, dass Kinder das Recht haben, ihre Meinung zu äußern bei Angelegenheiten, die sie betreffen.
Wenn es an der Grundschule am Pappelsee nun um die Gestaltung des Schulhofs geht oder um den Umgang mit neuen Schülerinnen und Schülern, wie beispielsweise Flüchtlingen, reden die Kinder aktiv mit. Und das, was sie sagen, verhallt nicht etwa als irgendein Blabla in den Ohren der Lehrer, nein, es fließt dann in die Entscheidungen mit ein. Weil es an einer Schule ja ständig etwas zu organisieren gibt usw. sitzen die Schülerinnen und Schüler daher regelmäßig in unterschiedlichen Kreisen, wie dem Klassenrat oder dem Schülerparlament. Also, ich habe wirklich gestaunt, welche Gesprächsdisziplin die Kinder in diesen Gremien haben. Wer den Film „Willi und die Kinderrechte“ sieht, wird ebenfalls darüber staunen.
2. Aber du hast dich auch wieder für die Sternsinger in ihren Projekten umgehört. So hast du zum Beispiel mit Scholastica, einer Krankenschwester aus Kenia, gesprochen. Wo liegen die Schwerpunkte ihrer Arbeit mit und für Kinder?
Mit Schwester Scholastica durfte ich eine liebgewonnene Freundin interviewen. Wir kennen uns seit den Dreharbeiten in der Turkana, im Norden Kenias, wo eigentlich fast alles anders ist als in unserer deutschen Welt. Zumal die Turkana extrem vom Klimawandel geplagt wird. Wenig Regen und anhaltende Dürren machen den Alltag zur Herausforderung, und die Menschen wissen oft morgens nicht, ob es bis zum Abend etwas zu essen gibt, ob der Brunnen, aus dem sie ihr tägliches Wasser schöpfen, vertrocknet.
In der UN-Kinderrechtekonvention ist im Artikel 24 festgelegt, dass alle Kinder ein Recht auf Gesundheit und Zugang zu angemessener Ernährung und Gesundheitsversorgung haben. Scholastica kämpft für diese Kinderrechte. Gesundheitsversorgung bedeutet dort in Kenia zum Beispiel ein Moskitonetz zu haben, um sich gegen Malariamücken zu schützen, oder Kinder in entlegensten Gebieten aufzuspüren, um sie medizinisch zu behandeln oder zu impfen. Denn nur wer gesund ist, kann andere Kinderrechte so richtig in Anspruch nehmen, wie das Kinderrecht auf Bildung.
Sehr deutlich wurde das, als ein Kind im Gespräch sagte: „Das größte Geschenk, dass mir meine Eltern je gemacht haben, war, dass sie mich zur Schule geschickt haben.“
Die Kinderrechte bekommen in der Turkana eine unterschiedliche Betonung als in unserer Gesellschaft. Bei uns in Deutschland gibt es das Recht auf Bildung auch, aber es ist mehr oder weniger selbstverständlich, dass jedes Kind zur Schule geht. In Kenia wiederum werden Kinder oft als Arbeitskräfte zuhause gebraucht, damit die Familie im wahrsten Sinne des Wortes überlebt.
3. Und Du hast dich mit den Geschwistern Dayana und Yeider aus Kolumbien unterhalten. Dort ist die Situation für Mädchen und Jungen zum Teil sehr schlecht, denn sie sind oftmals einer Spirale aus Armut, Gewalt und Drogen ausgesetzt. Willi, was hast du über das Leben von Kindern in Kolumbien erfahren?
Dayana und ihr jüngerer Bruder Yeider leben in der riesigen Stadt Bogota. Ihre Mutter ist alleinerziehend und muss hart arbeiten, um die drei über Wasser zu halten. In der Vergangenheit hat sie oft auf Mahlzeiten verzichtet, damit Dayana und Yeider genug zu essen hatten. Das Zuhause der kleinen Familie liegt in einem Armutsquartier von Bogota. Dort geben brutale Drogenbanden den Ton an und viele Eltern lassen ihre Kinder gar nicht mehr auf die Straße. Damit ihre Kinder es einmal besser haben als sie selbst, hat sie sich schweren Herzens dazu entschlossen, die beiden dem Kinderschutzprojekt Benposta anzuvertrauen. Dort geht es ihren Kindern richtig gut. Und die Mutter erträgt es tapfer, dass sie ihre Beiden, die ihr ein und alles sind, nur einmal in der Woche sehen kann.
4. Dayana und Yeider leben jetzt in der Kinderrepublik Benposta in Kolumbien, ein Kinderschutzprojekt. Viel wird in diesem Projekt auch von den Kindern mitbestimmt. Irgendwie ähnelt das auch ein bisschen dem Schülerparlament in Kamp-Lintfort.
Was genau passiert in Benposta?
Tatsächlich kann man die Kinderrechteschule in Kamp-Lintfort und die Kinderrepublik Benposta sehr gut vergleichen. Dadurch, dass Benposta nicht nur Schule, sondern darüber hinaus eine familiäre Lebensgemeinschaft ist, sind die Kinderrechte noch stärker erfahrbar und dringen in alle Lebensbereiche ein.
Die Philosophie von Benposta basiert auf der Idee, dass sich Kinder und Jugendliche, insbesondere sozial benachteiligte, in einer geschlossenen, alternativen Gesellschaft organisieren können. Die Kinderrepublik Benposta beruht auf demokratischen Prinzipien und Selbstverwaltung. Die ganze Verantwortung liegt in den Händen der Kinder. In erster Linie erfahren sie hier Schutz und Unterstützung. Es geht ganz viel um Bildung, Mitbestimmung, Gemeinschaft und Gewaltfreiheit. Die Kinder werden befähigt ihre Zukunft selbst zu gestalten und an der Gesellschaft teilzunehmen. Es ist eine Freude zu beobachten, wie Dayana und Yeider hier integriert sind und aufblühen.
5. Zurück nach Deutschland: Am Ende deines Besuches wurde ein Lied von den Mädchen und Jungen in der Kinderrechteschule gesungen. Erzählt doch mal.
Dazu kann ich nur sagen, wer den Kinderrechte-Rap der Schülerinnen und Schüler in Kamp-Lintfort erleben will, sollte sich unbedingt unseren Film anschauen. Es ist herzzerreißend mit wie viel Enthusiasmus alle Kinder dabei sind, wie sie ihr Bestes geben und ihren Anspruch auf die Kinderrechte in die Welt schreien beziehungsweise rappen.
6. Apropos singen – was magst du den Mädchen und Jungen sagen, die bald wieder als Sternsinger unterwegs sind?
Ihr macht mit eurem Einsatz nicht nur die Menschen, die ihr besucht, glücklich, sondern auch tausende, hunderttausende Kinder auf der ganzen Welt! Am liebsten würde ich euch allen, die ihr dabei seid, eine Krone aufsetzen, denn für mich seid ihr wahre Königinnen und Könige.
Das Interview mit Willi Weitzel wurde geführt von Kindermissionswerk ‘Die Sternsinger’
TV-Reporter Willi Weitzelbesucht den Klassenrat der Klasse 3/4 an der Kinderrechteschule.
© Susanne Dietmann / Kindermissionswerk
Dreharbeiten: Jedes Kind hat Rechte – überall auf der Welt. Wie sich die Sternsinger-Partner in Kenia und Kolumbien für die Rechte von Kindern einsetzen, zeigt der neue Film von und mit Reporter Willi Weitzel.
© Frank Dicks / Kindermissionswerk
Kinderrepublik Benposta in Kolumbien
Die Geschwister Yeider (13) und Dayana (14) sind seit rund 14 Monaten bei Benposta (Stand April 2024). Sie sind auf dem Plakat zur Sternsingeraktion 2025 zu sehen.
© Charlie Cordero Fairpicture / Kindermissionswerk
In den Ferien besuchen die Geschwister Yeider (13) und Dayana (14) ihre Mutter Martha (36) zuhause in Soacha. Weil das Viertel sehr gefährlich ist verbringen sie die meiste Zeit Zuhause.
© Charlie Cordero Fairpicture / Kindermissionswerk
Yeider (links) geht bei Benposta auch zur Schule. Im fächerübergreifenden Unterricht wird Wert auf Gruppenarbeit und eigenständiges Denken gelegt
© Charlie Cordero Fairpicture / Kindermissionswerk
Missionsgemeinschaft Sankt Paul der Apostel im Norden Kenias
Das Team der Missionsgemeinschaft versucht, die Familien davon zu überzeugen, wie wichtig der Schulbesuch für die Zukunft ihrer Kinder ist. Neben der Bildung bieten Schulen auch ein stabiles Lernumfeld und regelmäßige Mahlzeiten.
© Josemarie Nyagah / Kindermissionswerk
Kinder haben das Recht zu spielen - Auch ein Kinderrecht!
© Josemarie Nyagah / Kindermissionswerk
„Mein Wunsch ist es, diesen Kindern zu helfen, damit ihre Rechte geachtet werden“, so die Leiterin des Gesundheitsprogramms, Scholastica Wamalwa.
© Josemarie Nyagah / Kindermissionswerk