Aachen. MISEREOR feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Eine programmatische Rede des damaligen Kölner Kardinals Joseph Frings vor der Deutschen Bischofskonferenz war am 19. August 1958 die Initialzündung für die Gründung der Organisation mit Sitz in Aachen. Seitdem hat MISEREOR mehr als 107.000 Projekte mit über 7,2 Milliarden Euro unterstützt.
Zur Vorgeschichte von MISEREOR gehört, dass die Nöte von Menschen in weniger privilegierten Staaten in den 1950er Jahren zunächst auf Katholikentagen ins Bewusstsein der Gläubigen in Deutschland gehoben wurden. Dies führte zu ersten konkreten Hilfsaktionen katholischer Laienorganisationen, bevor das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) bei den Bischöfen eine zentrale Kollekte anregte. Nicht zuletzt wurde der Kölner Generalvikar Joseph Teusch durch einen Reisebericht über die Arbeit von Mutter Teresa in Kalkutta dazu motiviert, Kardinal Frings für ein Werk der deutschen Bischöfe gegen Hunger und Aussatz und deren Ursachen zu gewinnen.
Heute verzeichnet MISEREOR knapp 3000 laufende Projekte in mehr als 90 Ländern Asiens und Ozeaniens, Afrikas und des Nahen Ostens sowie Lateinamerikas und der Karibik, arbeitet mit etwa 1900 Partnerorganisationen zusammen und ist damit das weltweit größte Werk für Entwicklungszusammenarbeit der katholischen Kirche.
"Dank unserer Spenderinnen und Spender und gemeinsam mit unseren Partnerorganisationen ist es MISEREOR in den vergangenen sechs Jahrzehnten gelungen, in vielen von Krisen, Kriegen und Armut geprägten Weltregionen die Lebensbedingungen der dortigen Menschen langfristig und nachhaltig zu verbessern und Zeichen der Hoffnung zu sein. Dafür danke ich allen, die uns in vielfältiger Weise unterstützt haben, von ganzem Herzen", sagt MISEREOR-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel.
Den Mächtigen ins Gewissen reden
MISEREOR besitzt seit sechs Jahrzehnten ein klares Profil: Menschen und Gruppen in den benachteiligten Zonen der Erde mit langfristigen und nachhaltigen Konzepten dabei zu unterstützen, auf eigene Kräfte zu vertrauen, individuelle Potenziale und Ideen zu nutzen und - wenn möglich – rasch von externer Förderung unabhängig zu werden. Dabei arbeiten etliche Partnerorganisationen unter sehr schwierigen Bedingungen, wie etwa der Jesuitenflüchtlingsdienst mit Nothilfezentren im syrischen Aleppo.
Kardinal Frings legte 1958 einen weiteren Auftrag für MISEREOR fest: Das Werk solle "den Mächtigen der Erde, den Reichen und Regierenden vom Evangelium her ins Gewissen reden". Damit schuf Frings die Grundlage für die entwicklungspolitische Bildungs-, Advocacy- und Lobbyarbeit MISEREORs, deren Ziel es ist, Ursachen von Missständen wie Hunger, Armut, Ausgrenzung und Menschenrechtsverletzungen zu beseitigen. Ebenso sollen Zusammenhänge und Auswirkungen von Lebensstilen weltweit ins Bewusstsein gerückt werden.
Fairer Handel und gegen Apartheid
MISEREOR hat in den vergangenen Jahrzehnten viele wichtige Akzente gesetzt: Das Werk gehörte in den 1970er Jahren zu den Mitbegründern des Fairen Handels. Gegen erbitterten Widerstand von Teilen der deutschen Politik setzte sich MISEREOR 1983 gegen die Apartheid-Politik der Regierung Südafrikas ein. Nicht minder umstritten war die von MISEREOR 1996 mitherausgegebene Studie "Zukunftsfähiges Deutschland", in der die Organisation einen Kurswechsel hin zu einer global nachhaltigen Umwelt- und Wirtschaftspolitik und deutlich strengere Klimaziele forderte.
Mit Blick auf die Zukunft sieht MISEREOR-Chef Spiegel seine Organisation vor großen Anstrengungen: "Wir leben in herausfordernden Zeiten; viele sagen, inmitten eines Epochen-Wechsels. Wir benötigen einen grundlegenden sozialen und ökologischen Wandel, sonst setzt die Menschheit ihre eigenen Lebensgrundlagen aufs Spiel." MISEREOR fordert daher einen konsequenten Wechsel zu einem nachhaltigen, sozial gerechteren Leben und Wirtschaften auf der ganzen Erde. „Eine andere Welt ist möglich! Lassen Sie uns dafür mit Mut und Zuversicht, mit Zorn und Zärtlichkeit an der Seite der Armgemachten dieser Erde eintreten“, fordert Spiegel.
Kongress "Entwicklung findet Stadt"
MISEREOR nimmt seinen 60. Geburtstag in diesem Jahr zum Anlass für diverse Aktivitäten. Neben der Eröffnung der Fastenaktion 2018 am 18. Februar in München und Aktionen beim Katholikentag in Münster (9. bis 13. Mai 2018) gibt es zum Jubiläum vom 27. bis 29. Mai einen Kongress unter dem Titel „Entwicklung findet Stadt“, den MISEREOR gemeinsam mit der Zeitschrift "Concilium" in Frankfurt veranstaltet. Es geht dabei um sozialwissenschaftliche und theologische Kursbestimmungen globaler Entwicklung in einer urbanen Welt. Nähere Infos dazu finden Sie hier.
Ebenfalls Teil des Geburtstagsprogramms ist ein Konzert der Münchner Philharmoniker zugunsten von MISEREOR am 10. März in der Kirche St. Korbinian in München. Eine Ausstellung im Ulmer Museum der Brotkultur zeigt derzeit Plakate und Kampagnen von MISEREOR und Brot für die Welt aus den vergangenen 60 Jahren. Während des gesamten Jubiläumsjahrs wird auf der Webseite von MISEREOR eine Serie "60 Jahre – 60 Köpfe – 60 Stimmen" veröffentlicht, in deren Rahmen sich unterschiedlichste Menschen zur Projektarbeit von MISEREOR äußern.
Bischöfliches Werk "Not in der Welt"
Ein weiterer Anlass, Danke zu sagen, ist in diesem Jahr die Gründung der Kollekte "Not in der Welt" vor 50 Jahren. Katholikinnen und Katholiken der DDR setzten ein Zeichen der Solidarität mit Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika. 1991 wurden die Organisation mit MISEREOR zusammengeführt und die "Arbeitsstelle MISEREOR /Not in der Welt" in Berlin eingerichtet.
Übrigens: Das erste Projekt, das von MISEREOR gefördert wurde, war ein Leprazentrum in Chettipatty im heutigen indischen Bundesstaat Tamil Nadu: 24.000 D-Mark bewilligte MISEREOR im Februar 1959 zur Finanzierung von Bau und Einrichtung eines neuen Hauses für das Zentrum. Heute ist daraus ein Krankenhaus geworden, in dem von der Allgemeinmedizin über die Chirurgie bis zur Gynäkologie und Augenheilkunde ein vielfältiges medizinisches Spektrum abgedeckt wird.
Als Werk für Entwicklungszusammenarbeit der katholischen Kirche kämpft MISEREOR für Gerechtigkeit, gegen Hunger, Krankheit und Ausgrenzung sowie deren Ursachen. Gemeinsam mit einheimischen Partnern unterstützen wir Menschen unabhängig ihres Glaubens, ihrer Kultur, ihrer Hautfarbe. Seit der Gründung 1958 wurden über 107.000 Projekte in Afrika, Asien, Ozeanien und Lateinamerika gefördert. MISEREOR ist Mitglied im Bündnis Entwicklung Hilft.