Seit 15 Jahren
wird Jahr für Jahr im Erfurter Dom die "Lebenswendefeier" begangen. Sie
ist ein Angebot für Jugendliche, die keiner Religionsgemeinschaft angehören,
den Schritt vom Kind zum Erwachsenwerden in einer eigenen Feier zu vollziehen.
Mittlerweile findet in vielen katholischen Bistümern Mittel- und
Ostdeutschlands Vergleichbares statt. Das Theologische Forschungskolleg der
Universität Erfurt hat an diesem Wochenende Praktiker und Wissenschaftler
eingeladen, diese Feiern erstmals gemeinsam zu reflektieren.
Der Erfurter
Theologe Prof. Dr. Benedikt Kranemann, der die Veranstaltung ausrichtete, wies
dabei darauf hin, dass diese religiösen Rituale durch die Theologie erst noch
im ganzen Umfang zu entdecken seien. Die Feiern, die sich von Erfurt aus
verbreitet haben, sind deutlich kontextbezogen, doch gibt es bei vielen
Gemeinsamkeiten zwischen den Feiern auch ortstypische Unterschiede. Großer
Wert, so sagen die Verantwortlichen für solche Feiern, werde auf die
Vorbereitung gelegt. Die Jugendlichen sollen die Möglichkeit erhalten, sowohl
auf ihr bisheriges Leben zurückzuschauen als auch nach der persönlichen Zukunft
zu fragen. "Lebensthemen", so erklärte eine Teilnehmerin aus Leipzig,
stünden dabei im Mittelpunkt. Die Feiern sind Teil eines Prozesses, den die
Jugendlichen vollziehen. Sie auf diesem Weg zu begleiten und dafür auch ein Ritual
anzubieten, sei "Entwicklungshilfe", sagte ein anderer Teilnehmer.
Die Churer Liturgiewissenschaftlerin Prof. Dr. Birgit Jeggle-Merz wertet solche
"Jugendrituale im Raum der Kirche" als eines von mehreren
sinnstiftenden Angeboten in der Gesellschaft. Lebenswendefeiern oder, wie sie
in Leipzig genannt werden, "Feiern des Erwachsenenwerdens" ziehen in
Städten wie Dessau, Köthen, Magdeburg, Halle, Berlin, Leipzig oder eben Erfurt
pro Jahr und Ort bis zu 240 Jugendliche an. Ein Motiv für das Engagement der
kirchlichen Mitarbeiter, zumeist Laien, ist es dabei, an der eigenen Hoffnung
Anteil zu geben.
Vielerorts gehen die Feiern auf Anfragen von Eltern ohne Kirchenbindung zurück,
die sich für die Feiern dann auch engagieren. Die Lebenswendefeier hat Konsequenzen
für die Kirche: Der Salzburger Theologie Prof. Dr. Hans-Joachim Sander hob im
Rahmen der Tagung in seinem Vortrag hervor, dass mit der Lebenswendefeier die
Zentralperspektive der Kirche aufgegeben werde. Der Blick gehe jetzt von innen
nach außen, Perspektiven würden sich hilfreich verschieben. Und der
tschechische Theologe Dr. Petr Štica betonte, die Tatsache, dass Kirche in der
und für die Gesellschaft existiere, sei stärker zu gewichten. Die neuen Rituale
wertet er als ein Signal für eine neue Offenheit der Kirche. Sie sei für den
Katholizismus gefordert.
Die Tagung, die
am vergangenen Wochenende in Erfurt stattfand, soll nun mit zeitlichem Abstand wiederholt
werden.
Quelle:
Pressemitteilung der Universität Erfurt. Den Inhalt verantwortet der Absender.
25.02.2013