Ein riskantes Unternehmen

Predigt von Weihbischof Reinhard Hauke zur Diakonenweihe von Guido Funke am 21. April 2018 in Küllstedt

Strom ist für mich eine wunderbare Sache und zugleich ein Geheimnis. Ich nutze gern und selbstverständlich den elektrischen Strom und denke oftmals gar nicht darüber nach, welche Maßnahmen erst alle passieren müssen, damit die Kaffeemaschine, der Computer und auch das Auto funktionieren. Pfadfinder üben sich darin, auch ohne Strom auszukommen. Am Abend singen sie zusammen Lieder am Lagerfeuer, zünden Kerzen an, wenn sie abends etwas lesen wollen. Ohne Strom zu leben, ist fast unmöglich. Ich freue mich, wenn ich einen Elektroinstallateur kenne. Er kann mir oftmals einen Rat geben, wenn ich nicht weiter komme.

Wenn ein Elektroinstallateur sich für den Priesterberuf entscheidet und dafür ausbilden lässt, dann bringt er auch diese beruflichen Fähigkeiten mit ein. Vielleicht kann er im Pfarrhaus rechtzeitig Fehlerquellen entdecken, die dann behoben werden, um einen Brand zu verhindern. Aber das ist ja nicht der erste Grund, warum wir Herrn Guido Funke heute zum Diakon weihen. Wie die Apostel und Diakone der frühen Kirche bringt auch er mit in den Dienst seine Begabungen und Charismen, die er selbst und auch die Verantwortlichen in der Ausbildung entdeckt und gefördert haben. In Bischofferode und Heiligenstadt konnte Herr Funke erste Schritte in der Seelsorge gehen und bekam gute Zeugnisse, die dann den Bischof bewogen haben, seiner Bitte auf Zulassung zur Weihe zu entsprechen. Eine Diakonen-, Priester- und auch Bischofsweihe ist jedoch keine Heiligsprechung. Es ist die geistliche Zurüstung zu einem Dienst, zu dem sich ein junger Mann berufen fühlt und den die Kirche mit der Weihe bestätigt hat. Die 12 Apostel und die 7 Diakone, von denen in der Heiligen Schrift berichtet wird, haben in ganz unterschiedlicher Weise den Dienst versehen und die Kirche geprägt. Und so ist es bis heute.

Auch unser neuer Diakon bringt einen neuen Akzent in die Bistumspastoral, der hoffentlich auch so ist, dass anderen sprichwörtlich „ein Licht aufgeht“. Wenn es so geschieht, dann ist das ein Geschenk und kaum planbar, aber für die Voraussetzungen haben wir zu sorgen. Vielleicht ist es so wie bei der Elektroinstallation: Der Fachmann legt die Leitung und schafft alle Voraussetzungen dafür, dass etwas in Bewegung kommt, aber das Gerät anschließen muss jeder selbst. Manchmal kommt dann eine technische Innovation zustande, und manchmal ist es einfach das Aufrechterhalten eines Normalbetriebs. Dabei bleiben Störungen nicht aus. Auch im Kreis der Apostel gab es den Zweifler und den Verleugner, ja sogar den Verräter. Und dennoch sagt Jesus Christus Ja zu allen und nimmt sie als seine Freunde an. Er sieht den guten Willen – sogar beim Apostel Judas, der vermutlich ja nur beabsichtigte, dass Jesus mit seiner Botschaft den Hohen Rat überzeugen könne und deshalb vor ihn treten sollte.

Im Evangelium haben wir von den Aposteln gehört, dass sie von Jesus als Zweifler identifiziert wurden und konsequenterweise hätten weggehen sollen. Das Bekenntnis des Simon Petrus ist dann jedoch für mich ein Bekenntnis voller Hoffnung, Zuversicht und auch Demut. Vielleicht lässt es sich am besten so formulieren: Ich glaube! Hilf meinem Unglauben! Zwar tadelt Jesus seiner Jünger in den Auferstehungsberichten  wegen ihres mangelnden Glaubens, aber er nimmt sie dennoch an als seine Zeugen, die in die ganze Welt hinausgehen sollen. Jesus Christus braucht hier auf der Erde keine Engel, sondern Menschen, die sich in Liebe und Erbarmen dem Mitmenschen zuwenden und so etwas spüren lassen von der Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes. Wenn auch der Diakon als Geistlicher und Geweihter unterwegs ist, so ist doch seine  besondere Berufung der Dienst an den Tischen, wie es in der Apostelgeschichte berichtet wird, oder auch der Verkündigungsdienst an den Orten, in denen niemand mehr etwas erkennt, das Schlagzeilen machen könnte. Der künftige Predigtdienst als Diakon in Heiligenstadt wird sicherlich Beachtung – vielleicht auch Kritik – bringen. Wer in Steinbach-Hallenberg predigt und mit 17 Gläubigen in einer kleinen Kapelle Gottesdienst feiert, wie ich es am letzten Sonntag getan habe, der macht keine Schlagzeilen. Und ich sage: Darum geht es auch nicht. Es geht darum, die Güte und Menschenfreundlichkeit unseres Gottes zu verkünden und zu leben – an allen Orten, in denen Menschen sich zum Gottesdienst versammeln. Alle Versprechen in diesem Gottesdienst, die der Kandidat leistet, dienen diesem Ziel und dieser Aufgabe:

1.            Das Versprechen der Ehelosigkeit. Die Tradition in der Kirche seit dem 2. Laterankonzil von 1139 hat viele Früchte gebracht. Darum hält die katholische Kirche daran fest, wenn es auch viele Diskussionen zu diesem Thema gibt. Andere Kirchen, die in der Reformationszeit diese Tradition aufgegeben hatten, lassen sie neu zu in den evangelischen Klöstern, wie z.B. in Werningshausen bei Mühlhausen, um zeichenhaft lebende Menschen zu haben, die sagen: Es ist auch heute möglich, alles zu lassen und zu verschenken, was mir lieb und kostbar ist – auch die Geborgenheit in einer Familie.

2.            Das Versprechen des Gehorsams gegenüber dem Bischof ist Zeichen dafür, dass wir als Christen im Dienst des Bischofs die Hand Gottes im Spiel des Lebens erkennen. Ich bin sicher, dass nicht alle Entscheidungen des Bischofs von Erfurt und auch des Weihbischofs sofort Zustimmung erfahren. Manchmal braucht es eine Diskussion und Auseinandersetzung. Aber das heutige Versprechen bedeutet: Weil ich mir vorstellen kann, dass Gott heute auch in konkreten Menschen zu mir spricht, kann ich zustimmen und mich deren Leitung überlassen.

3.            Das Versprechen des Gebetes stellvertretend für die Gläubigen der Gemeinde bedeutet die Übernahme eines Dienstes, der sicherlich der immateriellste ist, den man sich denken kann, der aber zugleich so bedeutsam ist, dass er durch nichts ersetzt werden kann. Gebet bedeutet ja, dass mir bewusst wird, wie groß Gott ist, wie sehr er mich liebt und im Blick hat, und wie sehr ich von ihm abhängig bin, ohne dass es mich traurig machen muss. Ich sehe im geistlichen Dienst die Versuchung, das persönliche Gebet zu verzwecken, indem ich z.B. während meiner Meditation mich frage, wie ich diese Gedanken bei einer Predigt und Katechese verwenden kann. Auch für uns Seelsorger muss Gebet zweckfrei bleiben. Wenn Sie, lieber Mitbruder, sich eine Wohnung einrichten können, dann suchen sie zuerst den Ort der Mediation aus. Alles andere findet dann seinen Platz.

4.            Das Versprechen, sich den Armen zu widmen, geht unter die Haut. Der Geruch der Armut kann uns schwer zu schaffen machen. Jeder von uns kennt diesen Geruch und weiß, wie schwer er sich damit tut. Auch braucht es die innere Kraft, der Versuchung der Leichtgläubigkeit zu widerstehen, denn nicht immer ist es eine wirkliche Hilfe, wenn sofort Geld und Beziehungen ins Spiel gebracht werden. Die Armen brauchen eine Unterstützung in der Hinsicht, dass sie wieder auf die Beine kommen. Manchmal aber müssen wir ihre Beine sein und bleiben, wenn die Situation sehr prekär geworden ist. Mutter Teresa von Kalkutta hat uns in dieser Hinsicht ein Beispiel gegeben und den berühmten Tropfen auf den heißen Stein geliefert, der oftmals als sinnlos bezeichnet wird, aber doch so kostbar ist, denn ohne ihn wäre die Not noch größer.

Lieber Mitbruder, es ist ein riskantes Unternehmen, auf das Du Dich heute einlässt. Niemand kann heute sagen, wie strahlend der Dienst wird – wie sehr er beachtet und gewürdigt wird. Aber ich denke, dass durch die Diakonenweihe zum Ausdruck gebracht wird, dass es ja nicht darum geht, in diesem Dienst zu Ruhm und Ehre zu kommen. Man findet uns auch dort am richtigen Platz und mit unserer ureigenen Bestimmung, wo wir unbeachtet in Liebe unseren Dienst am Wort Gottes und an den Sakramenten tun. Wenn ich eins für die Zukunft mit Sicherheit sagen kann, dann ist es dies: Wir werden in der Seelsorge kleiner, einfacher und wesentlicher werden. Besonders das Letzte freut mich, denn es bringt zum Leuchten, was den eigentlichen Wert des Lebens ausmacht: Die Freude an Jesus Christus, den wir verkünden und vermitteln dürfen. Dazu, lieber Mitbruder, heiße ich dich herzlich willkommen. Amen.