Die Zepter waren seit dem Mittelalter Zeichen der Würde einer Fakultät. Sie drückten deren Autonomie aus und zeigten ihren besonderen Status innerhalb einer Universität an. Zugleich waren sie Insignien einer herausgehobenen gesellschaftlichen Institution, darin vergleichbar dem Ornat und den Siegeln. Die Zepter wurden bei feierlichen Anlässen der jeweiligen Fakultät dem Rektor vorangetragen. Wechselte der Rektor, so wurden die Zepter feierlich dem Nachfolger übergeben. Bei der Promotion legten die Promovenden ihren Eid auf die Zepter ab. Offenbar nutzte man solche Zepter häufig, denn es wurden immer wieder Reparaturen notwendig.
Die Zepter, die heute übergeben werden, sind gut als Insignien einer theologischen Fakultät zu erkennen. Fast wirken sie wie kleine Vortragekreuze und weisen damit auf die christliche Botschaft hin, die im Mittelpunkt der theologischen Wissenschaft steht. Die beiden silbernen Stäbe sind mit religiösen Inschriften und bildlicher Symbolik verziert. Ein Kreuz ist zu erkennen, welches das Christusmonogramm und ein Herz mit drei Nägeln trägt. Auf der Rückseite findet sich Mariensymbolik: der Marienname, darüber eine Krone, darunter ein Herz, das von einem Schwert durchbohrt wird.
In der mittelalterlichen Universität Erfurt verfügte die Universität selbst über solche Zepter, aber auch die Philosophische Fakultät und die Theologische Fakultät besaßen diese Insignien. Die beiden Zepter der Theologischen Fakultät haben sich erhalten. Nachdem die Universität Erfurt im 19. Jahrhundert geschlossen worden war, wurden die Zepter 1822 nach Münster gebracht. 1836 übergab man sie der dortigen Königlichen Akademie. In der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster sind die Zepter noch nach dem Zweiten Weltkrieg bei Wechseln im Amt des Universitätsrektors verwendet worden. 1995 wurden sie von der Universität Münster dem Bistum Erfurt als damaligem Träger der Theologischen Fakultät Erfurt zurückgegeben. Mittlerweile ist die Fakultät in die Universität integriert. Deshalb sollen die Zepter jetzt der Universität übergeben werden, deren Geschichte sich ein Stück weit auch in diesen alten Insignien widerspiegelt.
Dass das Bistum Erfurt die Zepter heute an die Universität weiterreicht, macht die komplizierte Erfurter Hochschulgeschichte sichtbar. Verschiedene Traditionen kreuzen sich. Die Theologische Hochschule ist 1952 gegründet worden und sah sich bei ihrer Gründung durchaus auch in der Tradition der mittelalterlichen Fakultät ("studium generale"). Dass sie nun die Zepter der alten Universitas Erfordensis erhält, hat eine gewisse Folgerichtigkeit und zeigt, wie Gott auch auf krummen Zeilen gerade schreiben kann.
So sieht sich die heutige Fakultät der angesehenen mittelalterlichen theologischen Fakultät verpflichtet. Mit der Integration der katholischen Theologie in die Universität ist eine alte theologische Hochschultradition am Universitätsstandort Erfurt nach langer Unterbrechung wieder aufgenommen worden. Es sind gleichsam zwei Traditionen auch äußerlich zusammengeführt worden.
Da ist es ein schönes Zeichen, wenn nun auch die Zepter vom Bistum an die Universität überreicht werden. Dieser Akt unterstreicht, dass mit der Integration die in DDRZeiten entstandene theologische Hochschule und Fakultät ihre Geschichte in die Universität eingebracht hat. Mögen sich sowohl die Katholisch-Theologische Fakultät als auch die Universität insgesamt auch in Zukunft der großen Tradition der mittelalterlichen Universität verpflichtet sehen!
Erfurt, 14.4.2005
Bischof Dr. Joachim Wanke
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