Dienen. Macht. Gemeinwohl.

Predigt von Bischof Ulrich Neymeyr bei der Priesterweihe am 8. Juni 2019

Bild: Katharina Wagner; in: Pfarrbriefservice.de

Meine lieben Schwestern und Brüder im Herrn,

zurzeit wird viel nachgedacht und geschrieben über die sakramentale Würde des Priesters, über seine geistlichen Vollmachten und über die Frage, wie diese seinen Leitungsdienst in der Kirche prägen. Nach unserem katholischen Verständnis wird die Vollmacht zur Sakramentenspendung zur Verkündigung und zum Leitungsdienst nicht nur von der kirchlichen Gemeinschaft übertragen, sondern auch vom Herrn Jesus Christus selbst. Er hat Sie, lieber Herr Funke, zum Priester berufen. Sie haben sich gut auf diese Berufung vorbereitet und erhalten jetzt die für die Ausübung Ihres Amtes nötigen Gaben.

In unserer katholischen Kirche sehen wir dabei zunächst die Vollmachten zur Sakramentenspendung. Sie werden Ihnen von Jesus Christus verliehen, nicht damit Sie sich über Ihre Mitchristen erheben und als der Heilige Mann besondere Ansprüche geltend machen, sondern damit die Gläubigen sicher sein können, dass sie die Sakramente gültig empfangen. Für Sie selbst ist diese Gabe eine lebenslange Aufgabe. Sie werden immer der Erwartung hinterher laufen, die Jesus in Sie setzt. Sie werden immer gefordert sein, nicht nur bei der Feier der Sakramente, sondern ständig die Gemeinschaft mit Jesus Christus zu suchen und zu pflegen. Sie werden nicht aufhören können, darüber nachzudenken, was die Sakramente, die Sie spenden, theologisch bedeuten. Außerdem wird die pastoral-liturgische Fortbildung eine lebenslange Aufgabe bleiben, um das, was Sie feiern, auch in einem wirklich ansprechenden Rahmen zu feiern.

Sie werden aber in diesem Gottesdienst nicht nur zur Sakramentenspendung bevollmächtigt und beauftragt, sondern auch zur Verkündigung des Evangeliums. Das II. Vatikanische Konzil hat diese Aufgabe sogar als die erste und wichtigste Aufgabe des kirchlichen Amtsträgers bezeichnet. Auch diese Gabe bleibt eine lebenslange Aufgabe. Bei der Überreichung des Evangeliars bei Ihrer Diakonenweihe habe ich zu Ihnen gesagt: „Empfange das Evangelium Christi: Zu seiner Verkündigung bist du bestellt. Was du liest, ergreife im Glauben; was du glaubst, das verkünde, und was du verkündest, erfülle im Leben“. Damit ist der ganze Anspruch der Verkündigung des Evangeliums ins Wort gefasst und muss noch ergänzt werden mit dem Hinweis, dass auch die Verkündigung des Evangeliums der ständigen theologischen, exegetischen und homiletischen Fortbildung bedarf.

Schließlich werden Sie auch zum Leitungsdienst beauftragt. Das Wort Leitungsdienst, das uns in der Kirche so leicht über die Lippen geht, ist ein Widerspruch in sich: Entweder leitet jemand oder er dient. So bleibt es eine ständige Herausforderung, Leitung wahrzunehmen ohne Macht zu missbrauchen.

Beim Weiheversprechen wurden Sie gefragt, ob Sie bereit sind, „das Priesteramt als zuverlässiger Mitarbeiter des Bischofs auszuüben und so unter der Führung des Heiligen Geistes die Gemeinde des Herrn umsichtig zu leiten.“ In diesen Worten stecken gute Hilfsmittel, um der Gefahr zu begegnen, von der Jesus im Evangelium gesprochen hat, dass nämlich auch bei uns die Mächtigen die Macht über die Menschen missbrauchen. Für manchen Pfarrer ist die Erfahrung heilsam, dass seine Macht begrenzt ist durch die Macht des Bischofs. Ich selbst sehe es eher anders: Dass meine Verantwortung für das Bistum mitgetragen wird von den Priestern, Diakonen, den Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten, denen, die im Dienst des Bistums stehen und vielen Getauften und Gefirmten.

Diese Sicht eröffnet die Führung des Heiligen Geistes, der nicht nur in denen wirkt, die das Sakrament der Weihe empfangen haben. Auch für die geweihten Diakone, Priester und Bischöfe gilt: Das wichtigste Sakrament in der Kirche ist die Taufe. Diese Sicht öffnet den Blick für die Begabungen und Fähigkeiten der Getauften und Gefirmten und bindet sie ein in das Leben der Kirche. Je lebendiger eine kirchliche Gemeinschaft ist, desto mehr benötigt sie eine umsichtige Leitung, die ihre Macht nicht missbraucht, sondern zum Wohl der Gemeinschaft einsetzt. Auch diese Aufgabe benötigt eine ständige kritische Selbstreflexion, für die es durch Supervisionen und Fortbildungskurse gute Unterstützung und Trainingslager gibt.

Bei all dem ist der Herr Jesus Christus, der Sie zu seinem Priester berufen hat, nicht nur Fürsprecher und Begleiter, sondern auch Vorbild: „Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.“ (Mt 20,28).


Lesung 1 Kor 12, 4-11

Es gibt verschiedene Gnadengaben, aber nur den einen Geist. Es gibt verschiedene Dienste, aber nur den einen Herrn. Es gibt verschiedene Kräfte, die wirken, aber nur den einen Gott: Er bewirkt alles in allen. Jedem aber wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt. Dem einen wird vom Geist die Gabe geschenkt, Weisheit mitzuteilen, dem anderen durch denselben Geist die Gabe, Erkenntnis zu vermitteln, einem anderen in demselben Geist Glaubenskraft, einem anderen - immer in dem einen Geist - die Gabe, Krankheiten zu heilen, einem anderen Kräfte, Machttaten zu wirken, einem anderen prophetisches Reden, einem anderen die Fähigkeit, die Geister zu unterscheiden, wieder einem anderen verschiedene Arten von Zungenrede, einem anderen schließlich die Gabe, sie zu übersetzen. Das alles bewirkt ein und derselbe Geist; einem jeden teilt er seine besondere Gabe zu, wie er will.  

 

Evangelium Mt 20, 25-28

Da rief Jesus sie zu sich und sagte: Ihr wisst, dass die Herrscher ihre Völker unterdrücken und die Großen ihre Vollmacht gegen sie gebrauchen. Bei euch soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll euer Sklave sein.  Wie der Menschensohn nicht gekommen ist, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele.