Die Gloriosa kehrt nach Erfurt zurück

Bewegende Momente: Orgel und Glocken begrüßen die Gloriosa, Bischof Wanke schlägt sie dreimal an

Erfurt (BiP). Alte Damen soll man nicht scheuchen, doch bei der Rückkehr der Gloriosa ist eine gewisse Eile geboten. Die 507 Jahre alte "Königin der Glocken", die am 9. September wieder in ihre Glockenstube einzieht, muss am Vorabend spätestens um 20 Uhr auf dem Erfurter Domberg stehen. Zu diesem Zeitpunkt beginnt im Dom ein großes Konzert, das ohne störende Nebengeräusche ablaufen soll. "Der Tieflader, der die Gloriosa abholt, darf also nicht nach 13 Uhr in Nördlingen starten, sonst kommt er zu spät in Erfurt an", sagt der Leiter des Dombauamtes, Andreas Gold, der den Abtransport in Nördlingen persönlich überwachen wird.


Aber nicht nur deshalb fährt Gold zur Glockenschweißerei Lachenmeyer, die zwei Risse an der Gloriosa mit einem technisch spektakulären Verfahren geschweißt hat. Vor der Abfahrt steht die Glockenabnahme durch Bruder Michael Reuter aus Maria Laach. Der ist der Glockensachverständige des Erfurter Domberges und hat das letzte Wort über die Reparatur. Der Dombauamtsleiter kann trotz aller Zuversicht eine gewisse Nervosität nicht leugnen. "Da muss man durch, auch wenn ich mit Vater und Sohn Lachenmeyer überzeugt bin, dass die Gloriosa ihre Stimme wieder hat", fügt sich Gold in sein Schicksal. Immerhin geht es um die größte, frei schwingende mittelalterliche Glocke der Welt, deren einmalig schöner Klang weltberühmt ist.


Daher auch das Entsetzen, als die Nachricht vom Riss Anfang des Jahres die Runde machte. "Ohne erfolgreiche Schweißung hätte die Gloriosa für immer schweigen müssen", erinnert Gold die Dramatik der Situation. Der Rang dieser Glocke als einmaliges und unersetzliches Kulturgut lässt den Aufwand verstehen, der für die Reparatur getrieben wurde. Anders als 1985, als ein erster Riss vor Ort repariert wurde, ließ Gold die Mauern der Glockenstube durchbrechen und holte die Gloriosa mit einem Schwerlastkran vom Turm. Nur so hätte man die Glocke in einer Werkstatt gründlich überprüfen und sicher schweißen können, erläutert Gold. Tatsächlich wurde auch ein zweiter, bislang nur als Oberflächenschaden beurteilter Riss entdeckt und geschweißt.


Tausende Erfurter und Glockenfans aus aller Welt verfolgten den Ausbau der Gloriosa vom Domplatz aus, Fernsehen und Hörfunk berichteten live, denn eine solche Aktion hatte niemand zuvor gewagt. Und auch die Rückkehr der 11,5 Tonnen schweren Domglocke gestaltet sich als Attraktion mit bewegenden Momenten. Der Kranführer wird die Gloriosa nicht sofort vom Tieflader zur Glockenstube bewegen, sondern "Erfurts Stimme" unter dem Geläut der Glocken von St. Marien und St. Severi auf die Domstufen schwingen. Hier begrüßt Erfurts Bischof Joachim Wanke die Gloriosa und schlägt sie dreimal an. Erst dann schwebt die Glocke unter dem Brausen der Domorgel zum Turm hinauf, wo sie an den folgenden Tagen am angestammten Platz aufgehängt wird. MDR-Fernsehen und Hörfunk berichten ab 13 Uhr live. Bis zum ersten, offiziellen Geläut vergeht allerdings noch einige Zeit. Erst am 8. Dezember, dem Fest Mariä Empfängnis, können die Erfurter ihre Gloriosa wieder hören.

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