Die Botschaft der Gloriosa

Ansprache von Bischof Joachim Wanke beim Nächtlichen Weihnachtslob an Heiligabend im Erfurter Dom

Es gibt nützliche und weniger nützliche Sachen. Und dann gibt es noch Dinge, die sind zu gar nichts nütze, die sind einfach schön! Zu Letzteren gehört unsere Erfurter Gloriosa, die große Domglocke. Sie wird jetzt gleich zu unser aller Freude wieder erklingen. Ü;brigens: Das ist dieses Jahr mein schönstes Weihnachtsgeschenk!


Ehrlich - sind Glocken zu etwas nütze? Die Uhrzeit tragen wir am Arm mit uns her-um. Und wenn auf etwas öffentlich aufmerksam gemacht werden soll, sind Radio und Fernsehen viel effektiver als Glocken. Und dass die Gottesdienstbesucher wissen, wann der Pfarrer mit dem Gottesdienst anfangen will, hängt wohl heutzutage auch nicht mehr vom rechtzeitigen Läuten der Glocken ab. Also: Was soll?s?


Und doch: Eine stillgelegte Gloriosa gäbe in Erfurt einen Aufruhr. Die große Anteil-nahme an ihrer erfolgreichen Reparatur hat es gezeigt: Wir wollen diese Glocke - und wohl unsere Kirchenglocken insgesamt nicht missen.


Vielleicht sind Glocken doch zu etwas nütze. Sie sagen uns etwas, was man mit Worten schlecht ausdrücken kann. Als nach dem Gottesdienst nach den Gutenberg-

Morden über den Domplatz der Klang der einsam läutenden Glocke schwebte - da

waren die vielen Tausend Menschen ganz still und gesammelt in sich gekehrt. Die Glocke hat mehr gesagt als alle Worte zusammen. Und wenn bei einer Taufe oder Hochzeit die Glocken geläutet werden, wollen sie etwas von einer Freude verkünden, die größer ist, als sich in Geschenken und Festessen ausdrücken lässt.


Und so auch heute in der Weihnachtsnacht. Vieles bedrängt uns: die Not und das Leid in der Welt, die ermordeten Kinder von Beslan, die Toten im Irak und im Sudan. Es macht uns zu schaffen, was an ungelösten Problemen auch in unserer Gesell-schaft vorhanden ist.


Und dennoch: In dieser Nacht läuten wir die Glocken. Sie künden jene Botschaft, die einst die Engel auf den Fluren von Bethlehem sangen:

Gebt Gott die Ehre - und kümmert euch um den Frieden auf Erden.

Vergesst nicht, dass Gott sich eurer in Jesus Christus angenommen hat - und geht darum geschwisterlich miteinander um.

Denkt daran, dass euer Leben mehr ist als Genießen und Konsumieren und verfallt nicht in Panik, wenn der Wohlstand unsicherer wird.


Nein, der Glockenklang kann uns keine Sicherheit geben, aber er kann Vertrauen stiften - Vertrauen in eine Zukunft, die größer ist , als wir sie uns selbst schaffen können. Dafür steht dieses Kind in der Krippe von Bethlehem. Es ist nicht nur ein Menschenkind, sondern ein Gotteskind. Es redet nicht nur vom Frieden, es schafft Frieden. Wer diesem Kind vertraut, bei dem fängt der Friede an - schon heute. Lasst die Gloriosa heute in euer Herz hinein klingen. Gebt dem Vertrauen, dem Vertrauen auf Gott in eurem Leben wieder neu Raum. Dann hat sich der nächtliche Gang auf den Domberg gelohnt. Amen.



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