Die Bibel wörtlich nehmen?

Bischof Joachim Wanke antwortet auf Fragen des Online-Magazins "Focus-Campus"


Bischof Joachim Wanke antwortet auf Fragen des Online-Magazins "Focus-Campus"

Die Bibel ist die Grundlage des Christentums. Darf man sie wörtlich nehmen?


Die Bibel enthält Erfahrungen vieler Generationen - auf unterschiedlichste Weise verarbeitet. Man muss sie aktiv interpretieren. Die Bibel ist ein menschliches Dokument, sie wurde allerdings inspiriert durch den Geist Gottes. Es gilt die literarische Art der biblischen Schriften zu beachten.


Was denken Sie dann über bibeltreue Christen?


Wortwörtlichkeit ist im Grunde Ausdruck einer Angst. Da ist kein souveräner Umgang mit dem Inhalt eines Bibeltextes möglich. Etwas theologische Aufklärung täte gut.


Warum brauchen wir vier Evangelien, die dieselbe Geschichte erzählen?


Warum brauchen wir viele Fotos von verstorbenen Angehörigen, nicht nur eins?

Es geht um viele Perspektiven.


Aber was ist mit dem Thomas- oder Philipp-Evangelium, die nicht in der Bibel sind?


Solche Apokryphen-Evangelien enthalten oft nicht die Kernaussage des christlichen Glaubens. Sie sind zu interessiert an Nebensächlichkeiten aus Jesus? Leben oder Wundern. Es ist Trivialliteratur, mit der Neugier befriedigt oder die Jesus-Gestalt verfälscht dargestellt wird.


Geht es denn nicht auch um Triviales - darum, wie Jesus gelebt hat?


Die Bibel enthält nicht viele Botschaften. Ihre zentrale Aussage ist, dass der Mensch nicht allein ist, sondern von Gott geliebt. Dafür brauchen wir nicht viele Geschichten - hätten wir nur das Gleichnis vom verlorenen Sohn, hätten wir das Wichtigste im Brennglas. Ü;berhaupt beschreibt Jesus das Wichtigste immer mit einfachen Geschichten aus dem Alltagsleben Palästinas.


Sie sprechen von Einfachem: Vertritt die Katholische Kirche die jungfräuliche Empfängnis?


Ja selbstverständlich. Wenn Gott handelt, ist alles möglich. Aber nicht biologistisch oder gynäkologisch nachweisbar. Ich versuche zu verstehen, was der Autor sagen will: Dass es eine ganz besondere Geburt war.


Bibelwissenschaftler zerpflücken die Heilige Schrift häufig. Sie sind Exeget und Bischof - ist das kein Widerspruch?


Es mag schwierig sein, sich allen Fragen der Bibelforschung ehrlich zu stellen. Man muss immer daran denken, die Bibel nicht als isolierten Text zu sehen, sondern als Buch einer Gemeinschaft.

Natürlich kann auch ein nicht gläubiger Wissenschaftler die Bibel auslegen. Das ist wie in der Musik: Technisch kann man jeden Notentext hinterfragen. Aber um Musik wirklich zu kennen, muss man sie hören und spüren.


Wie stehen Sie zur Ökumene?


Wir können nur gemeinsam Kirche sein, sonst machen wir uns lächerlich und widersprechen dem, was Christus will.


Immer weniger Menschen kennen sich mit der Bibel aus - welche Maßnahmen sollten ergriffen werden?


Gerade, wenn der Glaube fremd geworden ist, wird er wieder interessant. Für manche ist das ein richtiges Neuheitserlebnis. Man braucht natürlich ein bisschen Hilfe, dafür arbeiten wir mit Kindern und jungen Leuten zusammen und sorgen für kreative Begegnung mit den biblischen Texten.


Sehen Sie Weihnachten in Gefahr? Ist die Kommerzialisierung zu groß?


Nein. Wir sollten das nicht zu wichtig nehmen: Die Menschen sind besser, als manche Kulturkritiker denken. Der ganze Konsum-Rummel wird wieder zurückgehen. Wir müssen nur den Glanz der Feste bewahren. Es gab schon schlimmere Zeiten.


Wie begehen Sie Weihnachten?


Mit Freunden und Mitarbeitern. Bei den großen Gottesdiensten bin ich im Dom - wir sind immerhin ab 10.45 Uhr mit einem Gottesdienst aus Erfurt im Vorspann für den Papstsegen um 12 Uhr im ZDF.


Fragen: Katharina Rosskopf, Focus-Campus

Das Interview erschien in der Ausgabe 50/07

link